E-Book, Deutsch, 116 Seiten
Reihe: Fischer Klassik Plus
Böldl / Vollmer / Zernack Die Saga von Kormák Ögmundarson
1. Auflage 2011
ISBN: 978-3-10-401671-9
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Isländersagas
E-Book, Deutsch, 116 Seiten
Reihe: Fischer Klassik Plus
ISBN: 978-3-10-401671-9
Verlag: S.Fischer
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Klaus Böldl, geboren 1964 in Passau, debütierte 1997 mit dem Roman ?Studie in Kristallbildung?. Seither erschienen die Erzählung ?Südlich von Abisko?, das poetische Reisebuch ?Die fernen Inseln?, sein Buch über Passau ?Drei Flüsse? und die Romane ?Der nächtliche Lehrer? und ?Der Atem der Vögel?. Für sein literarisches Werk wurde Klaus Böldl mit dem Tukan-Preis, dem Brüder-Grimm-Preis, dem Hermann-Hesse-Literaturpreis sowie dem Friedrich-Hebbel-Preis ausgezeichnet. Er lehrt mittelalterliche skandinavische Literatur an der Universität Kiel. Literaturpreise: Friedrich-Hebbel-Preis 2013 Andreas Vollmer war Lektor für Isländisch an der Humboldt-Universität zu Berlin und übersetzt isländische Literatur. In der Mediävistik beschäftigen ihn Fragen der Überlieferung und Edition von mittelalterlichen Texten. Julia Zernack ist Professorin für Skandinavistik an der Johann Wolfgang Goethe- Universität in Frankfurt. Ihre Forschungsinteressen gelten unter anderem der mittelalterlichen Literatur Skandinaviens und Islands sowie ihrem Nachleben in der Neuzeit. Andreas Vollmer war Lektor für Isländisch an der Humboldt-Universität zu Berlin und übersetzt isländische Literatur. In der Mediävistik beschäftigen ihn Fragen der Überlieferung und Edition von mittelalterlichen Texten. Julia Zernack ist Professorin für Skandinavistik an der Johann Wolfgang Goethe- Universität in Frankfurt. Ihre Forschungsinteressen gelten unter anderem der mittelalterlichen Literatur Skandinaviens und Islands sowie ihrem Nachleben in der Neuzeit. Betty Wahl übersetzt aus dem Isländischen und ist freie Dozentin für Alt- und Neuisländisch. Sie hat Autoren wie u.a. Sjón, Gyrðir Eliasson oder Jón Gnarr übersetzt und war 2011 an der Neuübersetzung der Isländersagas beteiligt. Dabei verlagerte sie ihren Lebensmittelpunkt allmählich in Richtung Island; heute lebt und arbeitet sie abwechselnd in Reykjavík und Frankfurt am Main.
Weitere Infos & Material
Die Saga von Kormák Ögmundarson
1 Kormáks Eltern Ögmund und Helga
Zu der Zeit, als sich diese Geschichte ereignete, war Harald Schönhaar König von Norwegen. Dort lebte damals ein mächtiger Mann, der Kormák hieß und dessen Vorfahren aus Vík stammten, er war ein einflussreicher Mann aus angesehener Familie und außerdem ein tapferer Krieger, der schon in vielen Schlachten an der Seite von König Harald gekämpft hatte. Er hatte einen Sohn namens Ögmund, der war ein äußerst vielversprechender Mann, groß und kräftig für sein Alter. Als er herangewachsen war und die nötige Reife hatte, ging er zur Sommerzeit auf Wikingerfahrt, im Winter aber hielt er sich beim König auf; so brachte er es zu Ansehen und großem Reichtum.
Eines Sommers war er auf Heerfahrt in den Meeren um die Britischen Inseln, dort trieb ein Mann namens Ásmund Eskisíða sein Unwesen, der war ein tapferer Krieger und hatte schon viele Wikinger und andere Gegner besiegt. Nun erfuhren die beiden voneinander und tauschten Nachrichten aus, schließlich trafen sie sich, vereinbarten einen Kampfplatz und traten gegeneinander an. Ásmund hatte mehr Gefolgsleute, von denen sich aber nicht alle an der Schlacht beteiligten. Sie kämpften vier Tage lang, und viele von Ásmunds Männern ließen ihr Leben; er selbst aber konnte fliehen, und Ögmund ging als Sieger hervor und kehrte mit Ruhm und Reichtum nach Hause zurück. Sein Vater Kormák sagte, noch mehr Ansehen werde er durch Kriegsfahrten wohl nicht mehr erlangen, »stattdessen werde ich dir eine Frau besorgen, Helga, die Tochter von Jarl Fróði.« »Sehr gerne«, erwidert Ögmund. Daraufhin begeben sie sich zu Jarl Fróði. Dort werden sie freundlich empfangen und tragen ihr Anliegen vor. Der Jarl nahm dies gut auf, erklärte aber, er habe wegen dieser Streitereien mit Ásmund einige Bedenken. Zuletzt jedoch wurde die Heirat beschlossen, sie zogen nach Hause und bereiteten die Verlobung vor, und zu diesem Fest kamen viele Gäste. Helga, die Tochter des Jarls, hatte eine Ziehmutter, die zukunftskundig war, und die begleitete sie.
Dies alles erfährt nun Ásmund, der Wikinger; er verabredet sich mit Ögmund und fordert ihn zum Holmgang auf. Ögmund willigt ein. Helgas Ziehmutter pflegte jenen Männern, die in den Kampf zogen, vorher die Hand aufzulegen; dies tat sie auch mit Ögmund, bevor er von zu Hause loszog, und sie sagte ihm voraus, es werde ihm nichts Ernstes zustoßen. Darauf traten die beiden zum Kampf an und gingen aufeinander los. Der Wikinger kehrte ihm die Seite zu, doch nichts konnte ihn dort verwunden. Da holte Ögmund plötzlich mit seinem Schwert aus, ergriff es mit der anderen Hand und schlug Ásmund ein Bein ab. Dafür bekam er von ihm drei Mark in Gold als Lösegeld.
2 Kormáks Geburt
Zu jener Zeit verstarb König Harald, und Eirík Blutaxt wurde sein Nachfolger. Ögmund aber hatte sich mit Eirík und seiner Frau Gunnhild nie richtig anfreunden können, und so machte er sein Schiff reisefertig und segelte nach Island. Ögmund und Helga hatten einen Sohn namens Fróði. Kurz vor der Abreise des Schiffes wurde Helga schwerkrank und sie starb, und ihr Sohn ebenfalls. Danach stach das Schiff in See, und als Land in Sicht kommt, wirft Ögmund seine Hochsitzpfeiler ins Meer; dann segeln sie in den Miðfjord hinein, da, wo seine Hochsitzsäulen schon früher einmal an Land getrieben worden waren, und gehen vor Anker. Dort herrschte zu jener Zeit Miðfjord-Skeggi, der ruderte zu ihnen hinaus, ermunterte sie, weiter in den Fjord hineinzusegeln, und bot ihnen dort Ländereien an. Dies nahm Ögmund an und steckte sich ein Stück Land für ein Haus ab. Damals glaubte man, wenn beim Messen der Wert weniger würde, nachdem man mehrmals nachgemessen hatte, dass dann auch das Glück dieses Mannes abnehme, dass es sich aber vermehre, wenn der Messwert nach oben gehe. Doch nachdem dreimal gemessen worden war, zog sich das Maß zusammen. Darauf ließ Ögmund dort auf dem Sandhügel ein Haus errichten, in dem er fortan wohnte. Er nahm Dalla, die Tochter des Önund Sjóni, zur Frau, und ihre Söhne hießen Þorgils und Kormák. Kormák hatte schwarzes, gelocktes Haar, eine helle Hautfarbe und ähnelte stark seiner Mutter; er war groß und kräftig und von aufbrausendem Wesen. Þorgils dagegen war umgänglicher und von ruhiger Natur. Als die Brüder herangewachsen waren, starb Ögmund; Dalla wohnte mit ihren Söhnen weiterhin auf dem Hof, während Þorgils sich unter Aufsicht des Miðfjord-Skeggi um die Wirtschaft kümmerte.
3 Kormák und Steingerð verlieben sich
Auf dem Hof Tunga wohnte ein Mann, der Þorkell hieß; er war verheiratet und hatte mit seiner Frau eine Tochter namens Steingerð; die lebte als Ziehtochter auf Gnúpsdal.
Eines Tages im Herbst wurde in Vatnsnes ein Wal an den Strand getrieben, der den beiden Söhnen der Dalla gehörte. Þorgils ließ Kormák entscheiden, ob er lieber in die Berge wolle oder mit hinunter zum Wal. Er entschied sich für die Berge und machte sich mit den Hausknechten dahin auf.
Ein Mann namens Tósti war Aufseher und hatte die Aufgabe, beim Zusammentreiben der Schafe Anweisungen zu geben; mit dem zog Kormák los, und als sie nach Gnúpsdal kamen, blieben sie dort über Nacht. Dort war eine große Halle, in der hatte man für die Männer Feuer gemacht.
Gegen Abend kam Steingerð aus ihrem Frauengemach, und ihre Magd begleitete sie. Aus der Halle hörten sie die Stimmen unbekannter Männer. Da sprach die Magd: »Steingerð, lass uns nachsehen, was das für Gäste sind.« Sie antwortete, das müsse sie nicht unbedingt, ging dann aber doch zur Tür, stellte sich auf die Schwelle und schaute durch die Schiebetür; zwischen Tür und Schwelle war ein Zwischenraum, in dem nun ihre Füße zu sehen waren.
Kormák sah das und sprach eine Strophe:
Es ergriff mich in meinem
Fahrtwind der Riesin innige Liebe,
als Halsschmucks Trägerin ihren Rist
unlängst in meine Richtung wandte;
die Füße der Fald-Gerd werden mir
zur Fährnis, öfter noch als nun,
an nichts anderes vermag ich zu denken
als an diese Frau.
Fahrtwind der Riesin = Gedanke; Trägerin des Halsschmucks = Frau, hier: Steingerð; Fald-Gerd = Gerd (eine Göttin) des Rocksaums = Frau, hier: Steingerð
Da bemerkt Steingerð, dass sie gesehen wird, eilt zur Seite, versteckt sich hinter einem geschnitzten Bildnis von Hagbarð am Türpfosten und schaut unter dessen Bart hervor. Da fällt ein Lichtstrahl auf ihr Gesicht, und Tósti sagt: »Kormák, siehst du die Augen da vorne unter dem Hagbarð-Kopf?«
Kormák sprach eine Strophe:
Es leuchten helle Lichter
beider Wangen der Frau
vom gefällten Baum des Feuerhauses auf mich,
das macht mich nicht lachen;
Knöchel der Frau von königlicher Gestalt
konnte ich an der Türschwelle erblicken;
die Sehnsucht wird mich meinen Lebtag
nicht verlassen.
Feuerhaus = Raum eines Hauses, in dem Feuer brennen (insbes. Küche)
Und dann dichtete er noch:
Der falkenscharfe Brauenmond traf
mich vom hellen Himmel der Lider
der leinengewandeten
Walküre des Lauchtrunks;
doch dieser Strahl
aus dem Gestirn der Augenlider
bereitet mir und auch ihr
seither großen Kummer.
Brauenmond = Auge(n); Walküre des Lauchtrunks = Frau, hier: Steingerð; Gestirn der Augenlider = Augen; Strahl der Augen = Blick
Tósti sprach: »Jetzt starrt sie dich an.«
Da sprach Kormák:
Nicht wandte die ringgeschmückte Linde
des Rauschtranks ihr Auge von mir,
verbarg nicht die brennende Sehnsucht,
erinnere mich an Band-Göttins Verlangen;
die siegessichere Bil
des Spielsteinschiffs,
halskettengeschmückt, vom Halse
Hagbarðs starrte auf mich.
Die ringgeschmückte Linde des Rauschtranks = Frau, hier: Steingerð; Band-Göttin = Frau, hier: Steingerð; Schiff der Spielsteine = Spiel-, Schachbrett; Bil (eine Göttin) des Spiel-, Schachbretts = Frau, hier: Steingerð
Nun betreten die beiden Frauen die Halle und nehmen Platz, und da hört Kormák, wie sie sich über sein Aussehen unterhalten. Die Magd nannte Kormák schwarz und hässlich. Steingerð dagegen fand ihn gutaussehend und in jeder Hinsicht vollkommen, »sein einziger Makel sind diese Locken, die ihm in die Stirn fallen.«
Da sprach Kormák eine Strophe:
Nur einen Makel, sprach die helle Eir
des Feuers von Atis Bach,
entdecke sie an mir am Abend,
wenn auch einen geringen;
hochgeborene Hlin der Habichtgefilde
sagt, meine Haare sind’s,
– ich kenn’ der Frauen Art! –
die lockigen.
Eir (eine Göttin) des Goldes = Frau, hier: Steingerð; Ati = ein Seekönig; Atis Bach = Meer, Feuer des Meeres = Gold; Habichtgefilde = Arm, Schulter; Hlin (eine Göttin) des Armes = Frau, hier: Steingerð
Nun sagte die Magd: »Schwarz sind seine Augen, meine Liebe, und das steht ihm überhaupt nicht.« Das hörte Kormák, und er sprach eine Strophe:
Schwarze Augen zeige ich dir,
prächtige Erde des Kopfschmucks,
allzu fahl erschein’ ich
der Ilm der Ärmel;
doch hab ich mich mit Mädchen,
Erde des Halsbandes, manchmal vergnügt
und bin darin ebenso geschickt
wie ein schöner...




