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E-Book, Deutsch, 360 Seiten, Gewicht: 1 g

Bohlhalter Unruh

Die schweizerische Uhrenindustrie und ihre Krisen im 20. Jahrhundert
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-03810-229-8
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Die schweizerische Uhrenindustrie und ihre Krisen im 20. Jahrhundert

E-Book, Deutsch, 360 Seiten, Gewicht: 1 g

ISBN: 978-3-03810-229-8
Verlag: NZZ Libro
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Bruno Bohlhalter zeichnet in seinem Buch die Geschichte der schweizerischen Uhrenindustrie im 20. Jahrhundert nach. Als eine Schlüsselindustrie der Schweizer Wirtschaft stehen insbesondere die Ursachen und Folgen der zwei «Uhrenkrisen» in den 1930er- und den 1970/80er-Jahren im Zentrum. Die Studie ist ein Lehrstück zu Verbandspolitik, Kartellwirtschaft und staatlicher Intervention in Krisenzeiten. Der Autor zeigt die Folgen des technologischen Wandels in der Uhrenbranche auf und wie die Art und Weise der Bewältigung der ersten Krise den Grundstein für die zweite legte. Bruno Bohlhalter ist ein eminenter Kenner der Uhrenindustrie und verfügt über Wissen aus dem Inneren der Branche, das bislang nicht an die Öffentlichkeit gelangt ist.

Dr. phil., ist in der Nähe von Solothurn aufgewachsen. Nach einer praktischen Ausbildung zum Uhrmacher im grossväterlichen Betrieb verbrachte er das ganze Berufsleben im Bankgeschäft, zuletzt als Geschäftsleitungsmitglied einer Schweizer Grossbank. Nach der Pensionierung studierte Bruno Bohlhalter an der Universität Fribourg zunächst Philosophie mit dem Lizentiatsabschluss und anschliessend Zeitgeschichte und promovierte im Jahr 2015
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Einleitung


1.1 Einige Charakteristiken der schweizerischen Uhrenindustrie


Die Uhrenindustrie ist die Exportindustrie schlechthin; 95 bis 98 Prozent ihrer Wertschöpfung werden seit je exportiert. Das trifft in diesem Ausmass für keinen anderen Wirtschaftszweig zu. Umgekehrt importiert die Uhrenindustrie wenig, weil sie nur kleine Mengen an Rohmaterialien verarbeitet. Dadurch wird sie zu einem der wichtigsten Devisenbringer für unser Land. Sie leistet dauernd einen hohen positiven Beitrag an die schweizerische Handelsbilanz. Der Bund gewichtete diese Tatsache entsprechend hoch, als er in den 1930er-Jahren erwog, rettend in die Uhrenbranche einzugreifen.

Die Uhrmacherei ist organisiert nach dem sogenannten Verlagssystem, das in der Textilindustrie schon im 19. Jahrhundert geläufig und verbreitet war.1 In der Uhrenindustrie bezeichnet man diese Organisationsform als «Etablissage». Die Eckpfeiler des Systems bilden die Etablisseure, Termineure und Heimarbeiter sowie die Rohwerk- und Bestandteilfabriken. Die Manufakturen ergänzen das System. Die Etablisseure, meist selbstständige Kaufleute, sind die eigentlichen Uhrenfabrikanten, also die Markengeber, die die Geschäfte arrangieren und finanzieren. Sie kaufen Rohwerke und Bestandteile bei den Ebauchesfabriken beziehungsweise den Teileherstellern auf eigene Rechnung ein und lassen diese entweder in den eigenen Werkstätten oder bei Termineuren und Heimarbeitern zu fertigen Uhren remontieren. Für den Vertrieb der Endprodukte beanspruchen die Etablisseure in der Regel die Dienste von ausländischen Grossisten und Generalvertretern. Die Termineure sind ausgebildete Uhrmacher, die in ihren Kleinbetrieben als Auftragnehmer der Etablisseure aus Rohwerken und Bestandteilen Fertiguhren herstellen. Auch sie beschäftigen Heimarbeiter. Die Manufakturen fabrizieren die Rohwerke sowie die meisten oder alle Einzelteile selbst und stellen sie in ihren Fabriken zu fertigen Uhren zusammen, welche in der Regel über eigene Vertriebsnetze vermarktet werden. Die wirtschaftliche Organisationsform der Etablissage blieb bis in die neueste Zeit erhalten, wobei mit der Vertikalisierung, die in der Uhrenindustrie in den 1970er und 1980er-Jahren Einzug hielt, viele Etablisseure ihre Selbstständigkeit verloren und sich heute mit verschiedenen Rohwerk- und Bestandteilherstellern unter dem gemeinsamen Dach der Holdinggesellschaft eines Grosskonzerns wieder finden. Die Heimarbeit ist bedeutungslos geworden.

Im Rahmen dieser Produktions- und Vertriebsstrukturen wurde im Jahr 1931 die «Allgemeine Schweizerische Uhrenindustrie AG, Neuenburg» (ASUAG) als Holdingunternehmen gegründet und mit einem gesetzlich statuierten Monopol für die Ebauchesfabrikation in der Schweiz ausgestattet. Im Laufe der Zeit nahm sie durch den Zukauf von Fertiguhrenfabrikanten mit wohlklingenden Markennamen wie Eterna, Certina, Mido, Rado, Longines und anderen die Gestalt eines horizontal organisierten Manufakturkonzerns an, dem in der Uhrenindustrie eine absolut zentrale Bedeutung zukam. Die ASUAG war mit Abstand das grösste Uhrenkonglomerat in der Schweiz. Die diesem Konzern angehörenden Unternehmen stellten zu Beginn der 1970er-Jahre 80 Prozent der Rohwerke für Ankeruhren her, die in der Schweiz zu Fertigprodukten verarbeitet wurden. Für die Herstellung der regulierenden Bestandteile war der Anteil noch höher.2 Das bedeutet, dass die vielen kleinen und mittleren Uhrenfabrikanten in der Schweiz von den Lieferungen der ASUAG abhängig waren. Im Jahr 1972 vereinigte sie mit einem konsolidierten Umsatz von etwas über 1 Milliarde Franken knapp 40 Prozent der gesamten Wertschöpfung des schweizerischen Uhrenexports auf sich.3 Auf die SSIH, den zweitgrössten Uhrenkonzern, entfielen mit einem konsolidierten Verkaufsvolumen von rund 570 Millionen Franken weitere 20 Prozent der Wertschöpfung.4 Damit zeichneten diese zwei Grossunternehmen für annähernd 60 Prozent der Aktivitäten der Schweizer Uhrenindustrie verantwortlich. Die dominierende Marktstellung der beiden wurde noch akzentuiert durch die erdrückende Vorherrschaft der ASUAG als Komponentenherstellerin. Nicht umsonst sagte Nicolas G. Hayek in seinem Gespräch mit Friedemann Bartu: «Deswegen reden wir auch immer von der schweizerischen Uhrenindustrie, wenn wir von den beiden Firmen ASUAG und SSIH sprechen.»5 Diese etwas vollmundige Äusserung Hayeks übersieht allerdings einen wichtigen Mitspieler auf dem Feld der Uhrmacherei: Es ist die in Genf domizilierte Montres Rolex SA. Sie veröffentlicht seit ihrer Gründung im Jahr 1920 weder Umsatz- noch Bilanzzahlen. Deshalb ist ihr genauer Marktanteil unbekannt. Mit Blick auf die Wertschöpfung dürfte Rolex der SSIH kaum nachgestanden sein, wenn überhaupt. Jüngste Studien schätzen ihren Anteil an den wertmässigen Gesamtexporten der Uhrenindustrie auf gut 20 Prozent.6 Auch in die vorliegende Studie, die sich schwergewichtig mit den Ereignissen im Umfeld der grossen Uhrenkrisen befasst, findet Rolex wenig Eingang. Das hängt allein damit zusammen, dass sie diese Krisen besser bewältigte als die meisten ihrer Konkurrenten.

Die Uhrenindustrie war am Anfang des 20. Jahrhunderts geprägt durch eine aussergewöhnlich kleinbetriebliche Unternehmensstruktur. Die Industrialisierung führte in dieser Branche nicht zu einer industriellen Konzentration mit wenigen Grossunternehmungen, wie etwa in den USA oder in Japan. Im Jahr 1929 bestanden hierzulande etwas über 1100 Uhrenbetriebe mit durchschnittlich gut 40 Beschäftigten.7 Diese Zersplitterung war durchaus gewollt und hatte damit zu tun, dass es sich bei den Unternehmungen mehr oder weniger ausschliesslich um Familienbetriebe handelte. In einem solchen unternehmerischen Umfeld scheuten die Patrons Grosskonzentrationen, weil sie damit zwangsläufig ihren Einfluss verloren hätten. Um ihre wirtschaftliche Macht und den Besitzstand abzusichern, neigten sie viel eher zu Kartelllösungen. Dabei kam ihnen die starke Ballung der Uhrenindustrie im schweizerischen Jurabogen zustatten. Diese führte an vielen Orten zu wirtschaftlichen Monokulturen, die in Krisensituationen mit dem Nachteil verbunden waren, dass kaum andere Branchen zur Verfügung standen, die Arbeitslose aufnehmen konnten. In diesen Monokulturen hatten die Politiker, aber auch die Unternehmer sowie die Arbeiter und die Bevölkerung die gleichen Interessen, nämlich einzig und allein das Wohl ihrer Uhrenindustrie. Daraus entwickelten sich korporatistische Strukturen in Politik und Wirtschaft, die Kartelllösungen begünstigten.8

1.2 Aufbau und Quellen


Der Aufbau der Studie erfolgt chronologisch. Von diesem Grundsatz wird nur abgewichen, wenn es die Einheit der Materie über gewisse Zeiträume hinweg verlangt. Am Anfang jedes Kapitels wird das Wesentliche in einem Abstract zusammengefasst. Es dient zum einen der Kurzinformation über das Wichtigste, zum andern soll damit der Überblick über die jeweiligen Geschehnisse erleichtert werden. Deshalb kann an dieser Stelle auf die Einführung in die einzelnen Kapitel verzichtet werden.

Als primäre Quellen dienten diverse Botschaften des Bundesrats an das Parlament zu Gesetzesvorlagen über die Uhrenindustrie sowie die entsprechenden Erlasse. Weiter wurden herangezogen: die Geschäfts- und Jubiläumsberichte von ASUAG und SSIH und deren Nachfolgefirmen ASUAG-SSIH AG, SMH Schweizerische Gesellschaft für Mikroelektronik und Uhrenindustrie AG und The Swatch Group AG sowie die Ebauches Hauszeitung. Für Presserecherchen fanden hauptsächlich die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), Der Bund, die Finanz und Wirtschaft (FuW) und die Solothurner Zeitung (SZ) Eingang. Von der allgemeinen Uhrenliteratur, die sehr umfangreich ist, sind hervorzuheben: die Publikation Der Mensch und die Zeit in der Schweiz 1291–1991, die das Institut «Der Mensch und die Zeit» in La Chaux-de-Fonds im Jahr 1991 als Beitrag der Uhrenbranche zum 700. Jahrestag der Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft herausgab.9 Sie liefert einen umfassenden historischen und kulturellen Überblick über die Uhr und ihre Herstellung in der Schweiz von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bundesrat René Felber bezeichnete das Buch in seinem Vorwort als «ein schönes Geburtstagsgeschenk an das Schweizer Volk». Eine weitere gute Übersicht über die Geschichte der Uhrenindustrie von 1850 bis in die Gegenwart stammt aus der Feder von Pierre-Yves Donzé. Sie trägt den Titel: Histoire de l’industrie horlogère suisse. De Jacques David à Nicolas Hayek (1850–2000).10 Im Hinblick auf die Liberalisierung im Jahr 1971 veröffentlichte die «Fédération horlogère suisse» 1964 eine Abhandlung über die wirtschaftliche Entwicklung und die Strukturen der Uhrenindustrie11 und 1967 eine Prospektionsstudie.12 Beide versuchten, die Entwicklungstendenzen und die sich daraus ergebenden Fragen für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre möglichst realistisch einzuschätzen und deren Konsequenzen bis in alle Verästelungen der Branche aufzuzeigen. Auch die Literatur, die sich auf die Lösung und Bewältigung der Uhrenkrise der 1970er- und 1980er-Jahre bezieht, ist umfangreich. Ein Werk sei hier herausgegriffen: Es ist die Schrift von Friedemann Bartu.13 Sie erschien in der Form eines langen Interviews, das der Autor mit Nicolas G. Hayek führte. Hayek gab in diesem Interview Auskunft über seinen persönlichen Werdegang und vor allem über seinen Weg zum Unternehmer. Er legte seine Unternehmensphilosophie dar und schilderte gleichzeitig die fast ausweglose Situation, in der er die Uhrenindustrie zu Beginn der 1980er-Jahre vorfand und wie er sie aus den Schwierigkeiten herausführte. Nicolas G. Hayek, der am...


Bruno Bohlhalter, Dr. phil., ist in der Nähe von Solothurn aufgewachsen. Nach einer praktischen Ausbildung zum Uhrmacher im grossväterlichen Betrieb verbrachte er das ganze Berufsleben im Bankgeschäft, zuletzt als Geschäftsleitungsmitglied einer Schweizer Grossbank. Nach der Pensionierung studierte Bruno Bohlhalter an der Universität Fribourg zunächst Philosophie mit dem Lizentiatsabschluss und anschliessend Zeitgeschichte und promovierte im Jahr 2015.



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