Bonda | Das Mädchen aus dem Norden | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 656 Seiten

Bonda Das Mädchen aus dem Norden

Thriller
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-19080-4
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, 656 Seiten

ISBN: 978-3-641-19080-4
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Der erste Fall für Profilerin Sasza Zaluska

Nach einem Aufenthalt im Ausland kehrt die Profilerin Sasza Zaluska zurück in ihre Heimatstadt Danzig. Sie hat beruflich und privat viel durchgemacht. Eine verdeckte Ermittlung endete in einer Katastrophe. Verbrennungen und das Trauma einer Geiselnahme blieben zurück. Nun soll Schluss sein mit Verbrechen und unstetem Leben. Sasza erhofft sich ein ruhiges Dasein an der Seite ihrer kleinen Tochter. Doch kaum in Danzig angekommen, erhält sie einen lukrativen Auftrag: Der Inhaber eines Musikclubs bittet sie, die Hintergründe von wiederholten Erpressungen und Morddrohungen aufzudecken. Für die Ermittlerin eine vermeintlich einfache Aufgabe. Kurz darauf gibt es einen Anschlag auf den Club, bei dem ein Mensch stirbt. Sasza Zaluska beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. Eine Entscheidung, die sie bald bereut.

Katarzyna Bonda, 1977 in Bialystok geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Publizistik an der Universität Warschau mehrere Jahre als Journalistin und Dokumentarfilmerin, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. 2007 debütierte sie mit dem Roman Sprawa Niny Frank (Der Fall Nina Frank), für den sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Weitere Romane sowie zwei Sachbücher folgten. Katarzyna Bonda zählt heute zu den meist verkauften Autorinnen Polens. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Warschau. Nach Das Mädchen aus dem Norden legt sie mit Der Rat der Gerechten den zweiten Roman um Profilerin Sasza Zaluska vor.
Bonda Das Mädchen aus dem Norden jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Als der Wasserdampf sich allmählich verzog, tauchten nach und nach die Körper der Turnerinnen auf. Oberschenkel, Hintern. Hier und da konnten sie sogar einen Blick auf knospende Brüste erhaschen. Allerdings würden sie nicht lange auf dem Mauervorsprung stehen bleiben können: Die Beine schliefen ihnen ein, und es gab dort nichts, woran sie sich hätten festhalten können. Deswegen unternahmen sie diese Ausflüge auch immer zu zweit: um einander abzustützen.

Heute hatten sie ausnahmsweise einen Dritten dabei. Nadel. Wie immer er in Wahrheit hieß. Allerdings durfte er nicht mitgucken. Er musste Schmiere stehen und konnte sich freuen, dass er überhaupt mit ihnen herumziehen durfte. Immerhin war Nadel ein Jahr jünger.

Jedes Mal zogen sie Streichhölzer, wer als Erster schauen durfte. Dann suchten sie sich eine Favoritin aus und schwiegen anschließend die halbe Nacht darüber, während Marcin nebenher Gitarre spielte, nicht sonderlich gut und eigentlich auch nur eine Handvoll Songs: »Rape me«, »In Bloom«, »Smells Like Teen Spirit« von Nirvana oder eine Ballade von My Dying Bride. Nach einer Weile legte er das Instrument zur Seite und summte irgendetwas vor sich hin, eine eigene Komposition, eine Mischung aus Gedicht und Lied. Die Pillen mit dem Asterix-Bild und ein bisschen Gras halfen ihm dabei, kreativ zu sein.

Heute waren sie zum genau richtigen Zeitpunkt aufgetaucht. Bevor die Turnerinnen in der Tür zum Duschraum erschienen waren, hatten die Jungs draußen schon das vergnügte Kichern hören können. Marcin hatte einen Kloß im Hals gehabt. In die Erregung hatte sich die Befürchtung gemischt, dass jemand sein Gesicht im Fenster hinter dem löchrigen Fliegengitter erkennen könnte. Die Scheibe hatten sie bereits vor Wochen ausgeschlagen, und bisher hatte noch niemand ihr Fehlen bemerkt. Nicht mal die Hausmeisterin, die sie in der vergangenen Woche vom Sportplatz gescheucht hatte, weil sie dort geraucht hatten. Die Schläge mit dem Besen spürte er noch immer. Aber es hätte deutlich schlimmer kommen können. Sie hatten es geschafft, über den Stacheldraht zu klettern und das Weite zu suchen, dabei hätten sie ebenso gut im Büro des Direktors des Conradi-Gymnasiums oder sogar auf dem Revier landen können. Die Löcher in ihren Jacken trugen sie wie Wunden nach einer Schlacht stolz zur Schau.

Aufgeregt plappernd strömten die Mädchen in den Duschraum. Ihr Geschnatter füllte die Luft wie das eines ganzen Vogelschwarms. Ihre Stirnen waren feucht vom anstrengenden Training, die Wangen gerötet, die Augen glänzten. Sie lachten, riefen durcheinander. Die meisten zogen sich bereits im Gehen aus, warfen die verschwitzten Trikots auf die Bänke oder auf den Boden vor den Duschen. Träge zogen sie die Haargummis von den Zöpfen.

Zu zweit oder zu dritt gingen sie unter die Dusche, seiften sich gegenseitig ein, zeigten ihre jungen Brüste oder griffen einander zum Spaß an den Po.

Nur eine von ihnen – fast noch ein Kind – stand nach wie vor vollständig bekleidet an der Tür. Als Einzige aus der Gruppe trug sie lange Leggings. Die Arme hatte sie vor dem Bauch überkreuzt. Sie wirkte unsicher, fluchtbereit. Auch sie hatte sich das Haar zu einem Zopf gebunden, nur ein paar lose Strähnen klebten auf den Wangen. Marcin hatte sie noch nie gesehen.

»Komm jetzt runter!«

Przemek schlug ihm so heftig gegens Bein, dass Marcin auf dem Mauervorsprung ins Taumeln geriet.

»Hör auf, du Penner«, raunte Marcin in Przemeks Richtung.

»Eh, Staron, was ist? Ich bin dran!«

Als Przemek losließ, stand Marcin plötzlich ohne Stütze da. Er wankte kurz, ging leicht in die Knie. Noch ein letzter Blick durchs Fenster. Gierig nahm er die letzten Momente in sich auf.

Sie duschte mit geschlossenen Augen, hatte sich von den anderen abgewandt. Sie hatte zwar das Trikot abgelegt, war aber nicht vollständig nackt. Die weiße Unterhose klebte nass auf ihren Pobacken. Sie war einfach perfekt: dünn, der Bauch beinahe eingefallen, mit deutlich hervorstehenden Rippen. Sie sah aus, als würde sie gleich auseinanderbrechen, als sie sich vorbeugte, um nach der Seife zu tasten. Ihr Becken allerdings war breit: Die Knochen ragten über dem Rand des Slips hervor. Er fand sie großartig. Auch wenn Przemek ihn losgelassen hatte – nein, im Gegenteil: jetzt zerrte er an ihm, um ihn zum Absteigen zu bewegen –, stand Marcin wie vom Donner gerührt da, konnte sich nicht bewegen.

Plötzlich drehte sich das Mädchen zu ihm um. Sah ihn. Aus einem Reflex heraus hob sie die Arme vor den Körper und machte in der Duschkabine einen Schritt zurück. Doch es nutzte nichts – er konnte sie immer noch sehen. Und er war sich sicher, dass er diesen Anblick nie mehr vergessen würde. Den Schwung ihres Arms. Die knochigen Füße. Die langen Zehen. Die schmalen Knöchel. Sie sah verunsichert zu ihm hinauf – und machte dann einen fast tänzelnden Schritt nach vorn. Schloss die Augen, öffnete die Lippen und fuhr sich mit dem eingeseiften Schwamm über den Körper.

Przemek hatte inzwischen vollends die Geduld verloren. Er schlug Marcin so hart gegen die Kniekehlen, dass der Mühe hatte, richtig aufzukommen. Er stolperte, verdreckte sich im Schlamm die neuen Schuhe, die ihm sein Onkel Czesiek aus Hamburg geschickt hatte, dachte aber keinen Augenblick darüber nach, dachte nur noch daran, dass Przemek seine Erektion nicht sehen durfte.

Sein Freund war kaum auf die Mauer geklettert und hatte durchs Fenster gespäht, als er auch schon wie von der Tarantel gestochen heruntersprang.

»Weg hier!« Er war bereits ein Stück gelaufen, als er sich noch einmal umdrehte, und als er sah, dass Marcin immer noch wie angewurzelt dastand, zischte er: »Los jetzt, Mann!«

»Und Nadel?«

»Der kommt alleine klar.«

Przemek lief mit gesenktem Kopf weiter. Erst nachdem sie sich am Ende der ulica Liczmanskiego in Sicherheit gebracht hatten, fragte Marcin: »Was war denn auf einmal los?«

Doch Przemek schüttelte bloß den Kopf.

»Haben sie dich gesehen?«

»Wir gehen da nicht mehr hin.«

Er angelte mit zitternden Händen eine zerknautschte Zigarettenschachtel aus der Hosentasche, und Marcin kicherte nervös.

»Komm, wir holen die Gitarre und machen ein bisschen Musik. Ich hab da noch was Nettes für den Abend.« Er gab seinem Kumpel einen freundschaftlichen Klaps auf den Arm. »Mach, was du willst, aber ich geh definitiv wieder dort hin. Ich hab da ein Schätzchen entdeckt – Tittchen wie kleine Äpfel, dunkle Haare … Voll mein Typ, die Kleine. In die könnt ich mich glatt verlieben, glaub ich zumindest.«

»Du Arschloch, das ist meine Schwester!«

Mit einem groben Stoß holte Przemek Marcin beinahe von den Füßen.

Er war größer und kräftiger als Marcin, viel besser gebaut, und trotzdem himmelten die Mädchen nicht ihn an, sondern Marcin Staron, den Blonden mit dem verträumten Blick und der Gitarre.

»Sie ist erst sechzehn! Wenn ich dich noch ein einziges Mal bei den Duschen sehe, Mann, dann bist du tot! Komm ihr nicht zu nahe, sonst …«

Er hielt inne, als Marcin zurück in Richtung Turnhalle wies. Auf ihrem Geheimposten, auf dem Mauervorsprung, stand Nadel und beobachtete die Mädchen.

»Verdammt!«, brüllte Przemek. »Der sollte doch bloß Schmiere stehen!«

Sie sahen einander für einen Moment an, dann sprinteten sie zurück, kletterten über den Zaun und liefen direkt auf das Kabuff der Hausmeisterin zu. Beim Anblick der beiden griff die Frau nach ihrem Besen, wetzte dann aber, nachdem die Jungs sie auf den Spanner hingewiesen hatten, sofort erbost in Nadels Richtung. Er klebte immer noch am Fenster der Turnhalle. In Erwartung eines größeren Spektakels ließen Marcin und Przemek sich auf einem Haufen alter Holzbretter nieder.

Nadel versuchte noch wegzulaufen, doch die Hausmeisterin war schneller. Sie packte ihn am Kragen und schleifte ihn davon. Garantiert zum Direktor. Sie wollten lieber gar nicht wissen, in was sie ihn hineingeritten hatten.

»Armes Schwein«, brummte Marcin und kramte seine Blättchen aus der Jackentasche, drehte sich einen Joint und reichte ihn einen Augenblick später an Przemek weiter, doch der Kumpel lehnte ab.

»Wir wären dort sowieso nicht noch mal hingegangen«, meinte Przemek. Dann zog er seine Walther – eine Holzattrappe, an der er seit geraumer Zeit schnitzte. Marcin fand, dass das Ding längst wie eine echte Pistole aussah, aber Przemek arbeitete wie besessen an immer weiteren Details. Gerade brachte er irgendwelche Zahlen an, bestimmt die Modellnummer.

»Wie heißt sie überhaupt?«, fragte Marcin bemüht gleichgültig.

Przemek sah für einen Moment verwirrt von seiner Schnitzarbeit auf.

»Wer?«

»Deine Mutter! Na, wer schon?«

»He, lass meine Mutter aus dem Spiel!«, zischte Przemek, hielt Marcin die Holzpistole an die Schläfe, und Marcin hob gespielt entsetzt die Hände. Dann ließ er die Rechte wieder sinken und tippte auf die Waffe.

»Mein Alter hat in seiner Werkstatt alle möglichen Farben. Wenn du willst, bearbeite ich die Knarre mit der Spritzpistole, dann kannst du damit die Bullen ärgern.«

Przemek dachte kurz darüber nach. Dann stand er auf und sagte nüchtern: »Monika. Ich hab meinem Vater versprochen, dass ich auf sie aufpasse. Diese Idioten sind doch alle scharf auf sie …«

»Ich helf dir«, bot Marcin ihm an. »Ich lass nicht zu, dass einem solchen Engel was passiert.«

»Jepp. Und jetzt komm, du Penner.«

Przemek warf ihm die Walther zu.

»Schwarz oder Chrom?«,...


Bonda, Katarzyna
Katarzyna Bonda, 1977 in Bialystok geboren, arbeitete nach ihrem Studium der Publizistik an der Universität Warschau mehrere Jahre als Journalistin und Dokumentarfilmerin, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. 2007 debütierte sie mit dem Roman Sprawa Niny Frank (Der Fall Nina Frank), für den sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Weitere Romane sowie zwei Sachbücher folgten. Katarzyna Bonda zählt heute zu den meist verkauften Autorinnen Polens. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Warschau. Nach Das Mädchen aus dem Norden legt sie mit Der Rat der Gerechten den zweiten Roman um Profilerin Sasza Zaluska vor.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.