Boos Kognitive Verhaltenstherapie nach chronischer Traumatisierung
2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2014
ISBN: 978-3-8409-2316-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Ein Therapiemanual
E-Book, Deutsch, Band Band 26, 243 Seiten
Reihe: Therapeutische Praxis
ISBN: 978-3-8409-2316-6
Verlag: Hogrefe Publishing
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Die Therapie der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTB) nach chronischen Traumatisierungen stellt eine Herausforderung dar. Dies liegt zum einen an der Schwere der psychischen Spätfolgen und assoziierter Probleme, zum anderen an konkreten Schwierigkeiten und Hürden, die bei der konsequenten Umsetzung empirisch begründeten Behandlungswissens auftreten. Der Band beschreibt ausführlich und praxisnah das kognitiv-verhaltenstherapeutische Vorgehen bei PTB unter Berücksichtigung komorbider Störungen und Symptome.
Das Manual bietet Hilfestellungen bei der einzelfallbezogenen Erfassung und Therapie dominanter automatischer Gedanken und Überzeugungen und damit assoziierter Emotionen, die eine Integration des Traumas für die Patienten bisher verhinderten. Detailliert wird die therapeutische Arbeit mit dominanten posttraumatischen kognitiv-affektiven Reaktionen wie Scham- und Schuldgefühlen mit Methoden der kognitiven und imaginativen Disputation dargestellt. Zudem werden Besonderheiten und Schwierigkeiten bei der Therapie mit traumatisierten Migrantinnen und Migranten erörtert. Zahlreiche Fallbeispiele machen das therapeutische Vorgehen Schritt für Schritt nachvollziehbar. Die Neubearbeitung berücksichtigt eine Vielzahl aktueller Ergebnisse zur Wirksamkeitsforschung, gibt praxisorientierte Hinweise zum Umgang mit dissoziativen Symptomen sowie mit Ekel- und Kontaminationsgefühlen, geht ausführlich auf imaginative Techniken ein und enthält zusätzliche Arbeitsmaterialien.
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1;Inhalt;9
2;Einleitung;15
3;I. Theoretischer Hintergrund Kapitel 1: Beschreibung Posttraumatischer Störungen;17
3.1;1.1 Erscheinungsbild und Definitionskriterien der Posttraumatischen Belastungsstörung;19
3.2;1.2 Umgang mit Achse-I-Komorbidität;29
3.3;1.3 Weitere Belastungsstörungen nach ICD-10 und DSM-IV;32
4;Kapitel 2: Ätiologiemodelle;37
4.1;2.1 Die behaviorale Perspektive: Das Modell der pathologischen Furchtstruktur;37
4.2;2.2 Die kognitive Perspektive: Das kognitiv-behaviorale Modell der chronischen PTB von Ehlers und Clark;38
5;Kapitel 3: Therapieerfolgsforschung;44
5.1;3.1 Untersuchte Traumapopulationen;44
5.2;3.2 Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapien der PTB;44
5.3;3.3 Traumafokussierte Interventionsverfahren im Überblick;48
5.4;3.4 Dialektisch behaviorale Traumatherapie/Zwei-Phasen-Modelle;53
5.5;3.5 Eye Movement Desensitisation and Reprocessing Therapy (EMDR);57
5.6;3.6 Pharmakotherapie;58
5.7;3.7 Komorbidität und Therapieerfolg;59
5.8;3.8 Therapieabbru¨che;59
5.9;3.9 Welches sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Verlängerten Konfrontationstherapie und der kognitiven Verhaltenstherapie der chronischen PTB?;60
5.10;3.10 Mythen bezogen auf die Konfrontation traumatischer Erfahrungen;61
5.11;3.11 Welche Methode soll die Therapeutin wählen?;63
6;Kapitel 4: Therapiehu¨rden: Was erschwert den konfrontativen Umgang mit den Symptomen der PTB?;65
6.1;4.1 Therapiehu¨rde nicht angstbezogene kognitiv-affektive Posttraumatische Reaktionen und Überzeugungen;65
6.2;4.2 Wieso komplizieren diese kognitiv-affektiven Reaktionen die Modifikation des Furchtgedächtnisses?;67
6.3;4.3 Therapiehu¨rde: Exzessive Übererregung;68
6.4;4.4 Therapiehu¨rde: Dissoziation;69
7;Kapitel 5: Kognitive Verhaltenstherapie der PTB;70
7.1;5.1 Vom Hier und Jetzt zum Damals und Dort: „Was muss das Traumagedächtnis lernen?“;70
7.2;5.2 Traumatherapie ist eine Therapie der schlimmsten Momente;74
7.3;5.3 „Trampelpfade im Kopf“: prätraumatisch vorbestehende Grundu¨berzeugungen oder Schemata;76
8;II. Rahmenbedingungen kognitiv-verhaltenstherapeutischer Traumatherapie Kapitel 6: Rahmenbedingungen der Therapie chronisch traumatisierter Menschen;81
8.1;6.1 Aspekte einer angemessenen therapeutischen Haltung gegenu¨ber Opfern;83
8.2;6.2 Aspekte wenig förderlichen therapeutischen Handelns: Das Bedu¨rfnis, aktuelle Traumatisierungen zu beenden;84
8.3;6.3 Relative Sicherheit und Täterkontakte;84
8.4;6.4 Der schwierige Umgang mit schwierigen Erinnerungen;87
9;Kapitel 7: Beziehungsgestaltung;92
9.1;7.1 „Optimale“ Differenz;92
9.2;7.2 „Optimales“ Setting;93
9.3;7.3 „Optimales“ Therapeutenverhalten;94
10;III. Therapie Kapitel 8: Erklärungs- und Veränderungsmodell;95
10.1;8.1 Mögliche Schwierigkeiten zu Beginn der Therapie;97
10.2;8.2 Über die Spätfolgen reden, ohne u¨ber das Trauma zu reden;97
10.3;8.3 Vermittlung eines plausiblen Erklärungsmodells;98
10.4;8.4 Vermittlung eines plausiblen Veränderungsmodells: „Vom Hier und Jetzt zum Damals und Dort“;100
10.5;8.5 Psychoedukation u¨ber relevante Aspekte der impliziten bzw. expliziten Informationsverarbeitung;102
10.6;8.6 Wahrgenommene Bedrohung: Symptom oder Problem?;104
11;Kapitel 9: Traumagrafiken;105
11.1;9.1 Problembezogene Informationserfassung;105
11.2;9.2 Klassifikatorische Diagnostik;105
11.3;9.3 Traumagrafik oder „das Traumagedächtnis unter ein Mikroskoplegen“;105
11.4;9.4 Mikroanalyse der schlimmsten Momente;106
11.5;9.5 Die Anwendung der Traumagrafiken bei verschiedenen traumarelevanten Konstellationen;107
11.6;9.6 Therapieplanung auf der Grundlage der klassifikatorischen Diagnostik und der Traumagrafiken;108
11.7;9.7 Typische Traumagrafiken und deren therapeutische Implikationen;109
12;Kapitel 10: Schuldgefu¨hle;124
12.1;10.1 Pathologische Schuldgefu¨hle und Schuldgedanken;124
12.2;10.2 Theoretische Einordnungvon Schuldgefu¨hlen in das kognitive Modell;124
12.3;10.3 Ein multidimensionales Modell der Entstehung von Schuldgefühlen;125
12.4;10.4 Überblick u¨ber häufige Kontextfaktoren während einer Traumatisierung;127
12.5;10.5 Modifikation von Schuldgefu¨hlen;131
12.6;10.6 Unschuld;136
12.7;10.7 Teilschuld;136
12.8;10.8 Realschuld traumatisierter Täter;138
12.9;10.9 Fallbeispiel: Modifikation eines Schuldgedankens während der Konfrontation;138
13;Kapitel 11: Schamgefu¨hle;143
13.1;11.1 Zur Unterscheidung von Schuld und Schamgefu¨hlen;143
13.2;11.2 Theoretische Einordnung von Schamgefu¨hlen in das kognitive Modell;143
13.3;11.3 Ein multidimensionales Modell der Entstehung von Schamgefu¨hlen;143
13.4;11.4 Modifikation von Schamgefu¨hlen;147
13.5;11.5 Traumatisierungen in Schamkulturen;150
13.6;11.6 Kulturspezifische Besonderheiten;153
13.7;11.7 Psychotherapie mit Migrantinnen und Migranten;155
14;Kapitel 12: Befu¨rchtungen der Kontamination und Ekelgefu¨hle;158
14.1;12.1 Theoretische Einordnung von Ekel in das kognitive Modell;159
14.2;12.2 Modifikation von, mit sexuellen Aktivitäten assoziierten, Ekelgefu¨hlen;160
14.3;12.3 Traumatische Sexualisierung;162
14.4;12.4 Behandlung von Kontaminationsbefu¨rchtungen und -gefu¨hlen nach Steil und Jung;165
15;Kapitel 13: Imaginative Methoden im Rahmen der Traumakonfrontation;167
15.1;13.1 Die Bedeutung imaginativer Techniken innerhalb der kognitiven Theorie und Therapie;167
15.2;13.2 Vorstellungsbilder in der kognitiven Therapie;167
15.3;13.3 Theoretische Einordnung imaginativer Techniken in das kognitive Modell;167
15.4;13.4 Überblick u¨ber einige imaginative Methoden;172
15.5;13.5 Bewältigungsbilder zur Modifikation von Grundannahmen oder Schemata, die durch die Traumatisierung reaktiviert wurden;174
15.6;13.6 Imaginatives Umschreiben von Kindheitserinnerungen nach Arntz und Weertmann;176
15.7;13.7 Konfrontationsdosis bei fru¨her Traumatisierung und instabilen Patienten verändern?;176
15.8;13.8 Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy (IRRT);177
16;Kapitel 14: Psychologische und somatoforme Dissoziation;185
16.1;14.1 Peritraumatische und Posttraumatische Dissoziation;185
16.2;14.2 Dissoziative Symptome – eine Hu¨rde bei der emotionalen Verarbeitung?;186
16.3;14.3 Psychologische Dissoziation;188
16.4;14.4 Somatoforme Dissoziation;189
16.5;14.5 Kampf, Flucht und Einfrieren;191
17;Kapitel 15: Modifikation von Sicherheits- und Vermeidungsverhalten;205
17.1;15.1 Theoretische Einordnung von Sicherheits- und Vermeidungsverhalten in das kognitive Modell;205
17.2;15.2 Verhaltensexperimente;205
17.3;15.3 Konfrontationen in vivo;208
17.4;15.4 Triggerdiskrimination und Tatortbesichtigung;212
17.5;15.5 Tatortbesichtigungen;213
17.6;15.6 Zusammenfassung: Ablaufschema der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Traumatherapie;214
18;Anhang;227
19;Literatur;215
1.1.2 DSM-5: Die „neue“ Posttraumatische Belastungsstörung
Eine heftige Diskussion tobte um die Frage, ob das Stressorkriterium A1 vollkommen aus dem Klassifikationssystem herausgenommen werden sollte . Es ist interessant zu wissen, dass sich die Prävalenz der Symptomcluster (B bis D) nur geringfügig ändert, wenn das Traumakriterium nicht berücksichtigt wird (Friedmann et al ., 2011) . Im DSM-5 bleibt das Traumakriterium A mit deutlichen Modifikationen erhalten, wobei das Kriterium A2 (die subjektiven emotionalen Reaktionen) herausgenommen wurde . Dies geschah, da es keinen sonderlich hohen Voraussagewert für die spätere Störung hat und meist retrospektiver Natur ist . Das Hauptargument, warum das Stressorkriterium A1 im DSM-5 erhalten bleibt, besteht darin, dass es eine enge Verbindung zwischen dem Trauma und der späteren Störung (also der Posttraumatischen Belastungsstörung) gibt . Diese Störung entsteht nur, wenn eine Person mit einem außergewöhnlich belastenden bzw . traumatischen Ereignis konfrontiert war . Das Trauma stellt bei den Betroffenen meist einen bedeutsamen Bruch im Lebenskontext dar . Weiterhin wird betont, dass das Herzstück der Posttraumatischen Belastungsstörung weiterhin die unwillentlich Erinnerung an das Trauma und seiner Konsequenzen ist . Ohne diese könnten die anderen Symptome – damit sind die Symptome B bis D bzw . E gemeint – nicht verstanden werden . Insbesondere Intrusionen und Vermeidungssymptome können nur im Rahmen der vorherigen Konfrontation mit einem Ereignis verstanden werden . Das DSM-5 betont weiterhin die direkte Konfrontation mit einem traumatisierenden Ereignis, trägt aber auch den Befunden Rechnung, wonach die Kenntnisnahme vom Hörensagen, also die indirekte Konfrontation mit einem Trauma – insbesondere bei Familienmitgliedern, deren Angehörige z . B . ermordet oder missbraucht wurden – eine Posttraumatische Belastungsstörung auslösen kann . Zudem werden die traumatisierenden Wirkungen bestimmter Erfahrungen in etlichen Berufsgruppen einbezogen . So dass nun die Belastungen von Ersthelfern, militärischem Personal oder auch Ärzten besser gewürdigt werden . Beachtenswert ist zudem, dass das Erfahren von traumatischen Ereignissen über Medien explizit als traumatisierender Stressor herausgenommen worden ist (es sei denn der Medienkonsum ist Bestandteil eines Berufes .) . Kasten 1: Traumaund Stressbezogene Störungen nach DSM-5 mit entsprechender ICD-10-Kodierung
1.1.3 Bisherige diagnostische Kriterien nach DSM-IV und ICD-10
Bis zum Erscheinen des DSM-5 im Frühjar 2013 hatte das DSM-IV Gültigkeit . Zudem sind die aktuelle Forschungsliteratur und bestehende Messinstrumente DSM-basiert . Daher empfiehlt sich, in Deutschland insbesondere bis zur Veröffentlichung der für deutschsprachige Länder gültige Version des ICD-11, die Kenntnis der bisherigen diagnostischen Kriterien nach DSM-IV und ICD-10 . Seit 1980 werden die psychischen Kardinalsymptome nach traumatischen Erfahrungen erstmals in einer Störung, der Posttraumatischen Belastungs störung, für alle Gruppen traumatisierter Menschen zusammengefasst und im Diagnostischen und Statistischen Manual psychischer Störungen klassifiziert (DSM-III, American Psychiatric Association (APA), 1980) . Später wurde dann noch die Akute Belastungsstörung im DSM-IV (APA, 1994) in das Kapitel der Angsstörungen aufgenommen . Die Diagnostik der PTB erfordert zwei Entscheidungen: Zunächst muss geprüft werden, ob überhaupt ein traumatischer Stressor in der Vergangenheit bei den Betroffenen vorlag . Dazu müssen sowohl das sog . Ereigniskriterium A1 als auch das subjektive Kriterium A2 erfüllt sein . Im DSMIV (APA, 1994; Saß et al ., 1996) werden folgende Ereignisse als Ereigniskriterium (A1-Kriterium) genannt, die zur Ausbildung einer Posttraumatischen Belastungsstörung führen können: Folter, Gefangenschaft als Kriegsgefangener oder KZHäftling, gewalttätige Überfälle und Vergewaltigung (vgl . Kasten 2) . Daneben können Naturkatastrophen oder schwere Unfälle eine PTB auslösen . Bei Kindern sind ihrem Entwicklungsstand unangemessene sexuelle Erfahrungen ohne angedrohte oder tatsächliche Gewalt oder Verletzung als traumatische Erfahrungen zu werten . Das subjektive Kriterium (A2), welches die subjektiven Reaktionen der Betroffenen auf den Stressor beschreibt, fordert das Erleben intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen als emotionale Reaktion auf das Trauma .
Die Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt erst in der derzeit gültigen Fassung, ICD-10 (Dilling, Mombour & Schmidt, 1991), die PTB als psychische Störung auf (vgl . Kasten 3) . Die Definition der PTB nach ICD-10 ähnelt der nach DSM-IV, ist jedoch weniger präzise in der Operationalisierung . Im Unterschied zum DSM-IV wird die PTB nicht den Angststörungen, sondern den Belastungsstörungen zugeordnet . Die geforderten Kriterien werden zudem weniger genau beschrieben als im DSM-IV . Für Forschungsund Testzwecke hat sich die Definition nach dem DSM-IV durchgesetzt .