Bork / Gehrlein | Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 82, 316 Seiten

Reihe: RWS-Skript

Bork / Gehrlein Aktuelle Probleme der Insolvenzanfechtung

E-Book, Deutsch, Band 82, 316 Seiten

Reihe: RWS-Skript

ISBN: 978-3-8145-5432-7
Verlag: De Gruyter
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Auch in der Neuauflage behandelt dieses RWS-Skript wieder die vielschichtigen Probleme des Anfechtungsrechts anhand von Fällen aus der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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III.  Gläubigerbenachteiligung
1.  Allgemeines
74  Voraussetzung jedes anfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs ist das Vorliegen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Darauf, ob jemand bereits bei Vornahme der Rechtshandlung Gläubiger des Schuldners war, kommt es allerdings nicht entscheidend an. Es genügt, wenn er später durch die Rechtshandlung benachteiligt wird. BGH, Urt. v. 7.5.1987 – IX ZR 51/86, WM 1987, 881; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 Rn. 24 = WM 2012, 1131 = NZI 2012, 562, dazu Mohr, EWiR 2012, 565. 75  Die Insolvenzordnung versteht den Begriff der Gläubigerbenachteiligung nicht anders als das früher geltende Recht. BGH, Urt. v. 11.4.2002 – IX ZR 211/01, ZIP 2002, 1159 = WM 2002, 1193 = NJW 2002, 2568 = NZI 2002, 378 = ZInsO 2002, 581; BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75 = ZIP 2003, 1506 = WM 2003, 1690 = NJW 2003, 3347 = NZI 2003, 533 = ZInsO 2003, 764, dazu Hölzle, EWiR 2003, 1097. 76  Die Insolvenzgläubiger werden benachteiligt, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger (mit Einschluss der nachrangigen Insolvenzgläubiger des § 39 InsO) ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 Rn. 25 = WM 2009, 1750 = NZI 2009, 644 = ZInsO 2009, 1585; BGH, Urt. v. 17.3.2011 – IX ZR 166/08, ZIP 2011, 824 Rn. 8 = ZVI 2011, 250 = WM 2011, 803 = NZI 2011, 400 = ZInsO 2011, 782, dazu M. Hofmann, EWiR 2011, 341; BGH, Urt. v. 29.9.2011 – IX ZR 74/09, WM 2011, 2293 = NZI 2011, 855 Rn. 6 = ZInsO 2011, 1979; BGH, Urt. v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, ZIP 2012, 333 Rn. 14 = WM 2012, 276 = NZI 2012, 135 = ZInsO 2012, 241; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 Rn. 21 = WM 2012, 1131 = NZI 2012, 562; BGH, Urt. v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 Rn. 16 = WM 2013, 1044 = NZI 2013, 583 = ZInsO 2013, 1077, dazu Rußwurm, EWiR 2013, 491; BGH, Urt. v. 19.9.2013 – IX ZR 4/13, ZIP 2013, 2113 Rn. 12 = DB 2013, 2496 = WM 2013, 2074, dazu Lau, EWiR 2014, 153; BGH, Urt. v. 19.12.2013 – IX ZR 127/11, ZIP 2014, 231 Rn. 7 = WM 2014, 226 = ZInsO 2014, 195, dazu Habereder, EWiR 2014, 219. 77  In den Fällen der §§ 132 Abs. 1, 133 Abs. 2 InsO bedarf es einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung. Sie ist durch einen Vergleich zwischen den Vor- und Nachteilen des Rechtsgeschäfts zu ermitteln und tritt mit diesem selbst im Vermögen des Schuldners ein, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssen. BGH, Urt. v. 15.12.1994 – IX ZR 153/93, BGHZ 128, 184 = ZIP 1995, 134 = WM 1995, 450 = NJW 1995, 659; dazu Gerhardt, EWiR 1995, 109; BGH, Urt. v. 11.7.1996 – IX ZR 226/94, ZIP 1996, 1516 = WM 1996, 1649 = NJW 1996, 3147; dazu M. Huber, EWiR 1996, 771; BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 Rn. 27 = ZInsO 2013, 337, dazu Dahl/D. Schmitz, EWiR 2013, 421. Beispielsweise benachteiligt die kompensationslose Sicherungszession von Ruhegehaltsansprüchen den Gläubiger auch dann unmittelbar, wenn die Voraussetzungen für den Ruhegehaltsbezug noch nicht vorliegen, weil die aus dem Rentenanwartschaftsrecht resultierenden künftigen Ansprüche pfändbar sind. BGH, Urt. v. 20.12.2012 – IX ZR 130/10, ZIP 2013, 374 Rn. 28 = ZInsO 2013, 337. 78  Hingegen fehlt die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung, wenn eine Verminderung der Aktiva durch eine Verminderung der Passiva kompensiert wird oder wenn ein reiner Aktiventausch vorliegt, wie etwa beim Bargeschäft, insbesondere oder bei der Besicherung eines Neukredits. BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 Rn. 28 ff = WM 2012, 1131 = NZI 2012, 562. 79  Bei der Anwendung aller übrigen Anfechtungsnormen genügt eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung. Bei dieser kann sich der Nachteil erst nach Abschluss der Rechtshandlung durch das Hinzutreten weiterer Umstände bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung verwirklichen, BGH, Urt. v. 23.11.2006 – IX ZR 126/03, ZIP 2007, 588 Rn. 19 = ZVI 2007, 192 = WM 2007, 367 = NZI 2007, 169 = ZInsO 2007, 101; BGH, Urt. v. 3.5.2007 – IX ZR 16/06, ZIP 2007, 1326 Rn. 17 = WM 2007, 1377 = NJW 2008, 292 = NZI 2007, 457 = ZInsO 2007, 778, dazu EWiR 2007, 579 (Wazlawik); BGH, Urt. v. 19.5.2009 – IX ZR 129/06, ZIP 2009, 1285 Rn. 29 = WM 2009, 1333 = NZI 2009, 512; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 Rn. 22 ff = WM 2012, 1131 = NZI 2012, 562, etwa dadurch, dass der gezahlte Kaufpreis im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz nicht mehr zur Verfügung steht, BGH, Urt. v. 3.3.1988 – IX ZR 11/87, WM 1988, 799, oder dadurch, dass infolge einer Vertragsänderung (Ersetzung einer Mietgarantie durch Eintritt in den Mietvertrag) die Forderung des Gläubigers nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr einfache Insolvenzforderung, sondern Masseverbindlichkeit ist. BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 Rn. 25 ff = WM 2012, 1131 = NZI 2012, 562. 80  Dabei ist der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung isoliert mit Bezug auf die konkret bewirkte Minderung des Aktivvermögens oder Vermehrung der Passiva des Schuldners zu beurteilen. Eine Saldierung mit sonstigen aus der Rechtshandlung entstandenen Vorteilen (Vorteilsausgleich) findet im Anfechtungsrecht nicht statt. BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 Rn. 26 ff = WM 2009, 1750 = NZI 2009, 644 = ZInsO 2009, 1585; BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 146/11, ZIP 2012, 1183 Rn. 30 ff = WM 2012, 1131 = NZI 2012, 562; BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 99/11, ZIP 2012, 636 Rn. 12 = WM 2012, 517 = NZI 2012, 661, dazu M. Huber, EWiR 2012, 229. 81  Für die Frage der Gläubigerbenachteiligung kommt es nur auf die Beurteilung des tatsächlichen Geschehens an. Ein hypothetischer Kausalverlauf wird grundsätzlich nicht berücksichtigt. BGH, Urt. v. 7.6.1988 – IX ZR 144/87, BGHZ 104, 355, 360 = ZIP 1988, 1060 = WM 1988, 1244 = NJW 1988, 3265, dazu Brehm, EWiR 1988, 847; BGH, Urt. v. 30.9.1993 – IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 326 = ZIP 1993, 1653 = WM 1993, 2099 = NJW 1993, 3267, dazu Henckel, EWiR 1994, 373; BGH, Urt. v. 2.6.2005 – IX ZR 263/03, ZIP 2005, 1521 = ZVI 2005, 431 = WM 2005, 1712 = NZI 2005, 553 = ZInsO 2005, 884, dazu Beutler/Weissenfels, EWiR 2006, 21; BGH, Urt. v. 19.4.2007 – IX ZR 199/03, ZIP 2007, 1164 = ZVI 2007, 371 = WM 2007, 1133 = NZI 2007, 404 = ZInsO 2007, 596; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, BGHZ 182, 264 = ZIP 2010, 38 Rn. 17 = ZVI 2010, 58 = WM 2010, 87 = NJW 2010, 444 = NZI 2010, 58, dazu Eckardt, EWiR 2010, 191; BGH, Urt. v. 3.2.2011 – IX ZR 213/09, ZIP 2011, 531 Rn. 9 = WM 2011, 501 = NZI 2011, 249 = ZInsO 2011, 574, dazu M. Huber, EWiR 2011, 289; BGH, Urt. v. 25.4.2013 – IX ZR 235/12, ZIP 2013, 1127 Rn. 40 = WM 2013, 1044 = NZI 2013, 583 = ZInsO 2013, 1077. 82  Nach einer von manchen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung kann nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit (§ 208 Abs. 1 InsO) von einer Gläubigerbenachteiligung dann nicht mehr die Rede sein, wenn diese auch durch Rückgewähr des durch eine an sich anfechtbare Rechtshandlung Erlangten nicht ganz oder teilweise beseitigt werden kann, weil in einem solchen Fall die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger durch die Rechtshandlung nicht verschlechtert worden seien. Dem ist der BGH entgegengetreten. BGH, Urt. v. 19.7.2001 – IX ZR 36/99, ZIP 2001, 1641 = WM 2001, 1777 = NZI 2001, 585 = ZInsO 2001, 904, dazu Pape, EWiR 2001, 959. 83  Danach bedeutet das für die Anfechtbarkeit notwendige Merkmal der Gläubigerbenachteiligung nur, dass die angefochtene Rechtshandlung die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger im Allgemeinen verkürzt hat. Es setzt aber nicht voraus, dass jede einzelne Anfechtung im Ergebnis nur Insolvenzgläubigern, nicht jedoch Massegläubigern zugutekommt. Die Abwicklung des Insolvenzverfahrens mit Einschluss von Anfechtungsklagen nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit dient im Grundsatz sämtlichen Gläubigern. Fallen die Insolvenzgläubiger vollständig aus, werden sie erst recht benachteiligt. Es widerspreche dem Gebot der Gleichbehandlung sämtlicher...


Prof. Dr. R. Bork, geschäftsf. Dir., Seminar Zivilprozess- u. allgemeines Prozessrecht, Hamburg, Prof. Dr. M. Gehrlein, Richter BGH.


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