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E-Book, Deutsch, 234 Seiten, E-Book
Bornschein / Cleemann Real World Impact
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-68951-034-3
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wie sich mit den Mitteln des Kapitalismus und des technologischen Fortschritts die katastrophalen Folgen von Kapitalismus und technologischem Fortschritt lindern lassen.
E-Book, Deutsch, 234 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-68951-034-3
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Christoph Bornschein ist President of Digital Strategy, Business Development & Growth der Omnicom-Gruppe in Deutschland, Gründer der Unternehmensgruppe TLGG und im Verwaltungsrat des Hamburger Ökostrom-Anbieters LichtBlick. Er berät internationale Unternehmen, Marken und staatliche Institutionen zu allen Aspekten der Digitalisierung und des wirtschaftlichen Wandels und ist als Young Global Leader beim Weltwirtschaftsforum aktiv. Christoph Bornschein ist ein überzeugter Verfechter der positiven Kräfte unternehmerischen Handelns.
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Ins Tal der Tränen und zurück
Von zweien, die auszogen, ein launiges ESG-Handbuch zu schreiben, und sich auf einer epochalen Lernreise wiederfanden
»Das Nachhaltige muss in der gesamten Wirtschaft das neue Normal werden«, so sagte es Jörg Eigendorf, Chief Sustainability Officer der Deutsche Bank AG, im November 2023 in Christophs Podcast Bornschein. »In weniger als drei Jahrzehnten wollen wir klimaneutral sein«, verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung des Green Industrial Deal im Europäischen Parlament am 18. Januar 2023. »Die Transformation der Industrie hin zur Klimaneutralität ist von entscheidender Bedeutung für Deutschland als Wirtschaftsstandort der Zukunft«, hieß es am 10. Januar 2024 in einem gemeinsamen Papier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V. (BDI), des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), des Naturschutzbundes Deutschland e. V. (NABU) und des WWF Deutschland. Mit dem Beginn des Geschäftsjahres 2024 begann für zahlreiche europäische Unternehmen außerdem die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD). Die vom Parlament verabschiedete CSRD änderte die Anforderungen und den Umfang von Unternehmensberichten tiefgreifend. Sie schaffte damit wesentliche Voraussetzungen dafür, »das Nachhaltige« zum neuen Normal in der Wirtschaft zu machen: Nachhaltigkeit wurde zur Berichtspflicht unter den Gesichtspunkten Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – oder auf Englisch Environmental, Social, Governance, kurz: ESG. Die CSRD war damit der nächste logisch erscheinende Schritt in der seit Jahren voranschreitenden Entwicklung der einstigen Investment-Risikobewertungskategorie ESG zum übergreifenden Maßstab für Unternehmensbilanzen, nachhaltiges Investment und Wirtschaftspolitik.
»ESG is the devil«, schrieb der reichste Mann der Welt, Elon Musk, in den Jahren 2022 und 2023 mehrfach auf dem damals noch als Twitter bekannten Netzwerk X, nachdem sein Unternehmen Tesla in ESG-Ranglisten wiederholt schlechter abschnitt als Öl- oder Tabakkonzerne. Als »ideological joyrides« – »ideologische Vergnügungsfahrten« – beschimpfte der Gouverneur von Florida, Ron De-Santis, im Mai 2023 die ESG-Orientierung staatlicher Investoren – und verbot sie per Gesetz. »Akin to fraud« – »quasi Betrug« – sei ESG, erklärte Mike Belcher, ein republikanischer Abgeordneter im Repräsentantenhaus von New Hampshire, der im Januar 2024 eine Gesetzesvorlage unterstützte, die Investment nach ESG-Prinzipien unter Strafe stellte. Derweil hoffte, ja flehte Wirtschaftswissenschaftler und Reporting-Koryphäe Robert G. Eccles in der Harvard Business Review, ESG möge doch endlich wieder zu dem werden, was es einmal war: ein unspektakuläres Bewertungs- und Identifikationswerkzeug für Risikofaktoren, die für die Rentabilität eines Unternehmens und für seinen langfristigen Shareholder-Value von Bedeutung sind. »Make ESG boring again.«1
Zwischen all diesen Impulsen halten wir, der Berater, Unternehmer und Investor Christoph Bornschein und der Texter, Autor und Büroangestellte Sebastian Cleemann, es für ratsam, einmal einen genaueren Blick auf das Thema ESG zu werfen, auf seine Geschichte, Karriere und Umsetzung, vor allem aber auf die Ursachen für seine polarisierende Wirkung. Schon bald wird uns klar, dass es hier um mehr geht als um Risikobewertung, Finanzmärkte, Richtlinien und Definitionsfragen. Es geht um den Zustand der Welt und den der Wirtschaft, um die Bemühungen staatlicher Institutionen, Welt und Wirtschaft in Einklang zu bringen, und um die Beharrungskräfte eines Kapitalismus, der sich partout nicht von fossilen Erfolgsrezepten lösen möchte.
Steigen Sie ein, lernen Sie mit
Die intensive Beschäftigung mit der gleichzeitig spröde-bürokratischen und disruptiv-polarisierenden Thematik entwickelt sich schließlich zu dem, was Christoph in den Wochen und Monaten der Arbeit an diesem Buch wiederholt »eine Lernreise« nennen wird. In zahlreichen Gesprächen mit Experten und Expertinnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und allerlei Grauzonen dazwischen lernen wir viel darüber, wie ESG-Grundsätze und Nachhaltigkeit in unserer Zeit und in unseren Breiten umgesetzt und vorangetrieben werden sollen – und wie gut das funktioniert. Das von der Europäischen Kommission im Dezember 2019 vorgestellte Ziel, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen, wird durch viele Richtlinien und regulatorische Maßnahmen, durch Forderungen und Förderungen und durch etliche Pflichten in die europäische Wirtschaft getragen. Darüber, wie diese Zielsetzung dort wirkt und wie sehr diese Wirkung wiederum den formulierten Zielen dient, gibt es allerlei geteilte Meinungen. Sie werden auch in unseren Gesprächen laut.
Wir machen uns Notizen und schnell auch ein Bild: Der Kapitalismus und der technologische Fortschritt, die einander seit Jahrzehnten und Jahrhunderten vorantreiben, haben uns in eine für das menschliche Überleben nicht eben ideale Lage gebracht. Die katastrophalen Folgen des Weltwirtschaftens haben in der Regel, aber nicht ausschließlich mit der Verfeuerung fossiler Brennstoffe zur Energie- und Materialgewinnung zu tun. Es wäre ratsam, dafür bald Alternativen und Lösungen zu finden. Der aktuell vor allem politisch verfolgte Ansatz, mit dem diese Alternativen und Lösungen zur Nutzungsreife entwickelt und zum Standard gemacht werden sollen, ist jedoch nicht besonders effektiv –er besteht zu einem sehr großen Teil darin, einerseits die minutiöse Dokumentation unternehmerischen Handelns zur Pflicht zu machen und andererseits die Bewertung dieser Dokumentationen dem Finanzsektor zu überlassen. Für wohldokumentierte Nachhaltigkeitsmaßnahmen gibt es Geld, für alles andere nicht.
Wir erfahren, warum dieser Ansatz irgendwann einmal vielleicht gut gedacht war. Wir lernen, warum er problematisch ist. Wir stellen fest, dass die intendierte Wirkung nicht eintritt. Wir sprechen mit Nachhaltigkeits-, Regulierungs-, Investitions- und Unternehmensführungsverantwortlichen, wir registrieren viel Unmut und Unverständnis, aber durchaus auch Hoffnung und Einverständnis: Es wäre schon ganz gut, den Planeten nicht einfach weiter zu verbrennen. Und so ergeben sich für uns zwangsläufig Fragen. Was gibt es denn für andere Ansätze? Welche Maßnahmen hätten denn –um es mit den Worten des CEOs eines globalen Versicherungsunternehmens zu sagen – »Real World Impact«? Was könnte also wirklich etwas verändern und was macht nur Arbeit?
Die Suche nach Antworten auf diese Fragen ist oft frustrierend, nicht zuletzt deshalb, weil wir feststellen: Aktuell wird wirklich viel getan, das vor allem Arbeit macht und wenig Impact verursacht. Mit einem enormen bürokratischen Aufwand werden Geschäftigkeit und Datenmengen erzeugt, die Europa zwar bis 2050 klimaneutral machen sollen, aber durch die nicht ein Tropfen Kerosin weniger in ein Flugzeug gepackt, nicht ein Kilometer weniger im Verbrenner gefahren und nicht ein Krümel Mikroplastik aus der Nahrungskette gefischt wird.
Zugleich sehen wir vielversprechende Ansätze, Lösungen, Technologien, die das Zeug hätten, einen Großteil dieser Tätigkeit entweder völlig überflüssig zu machen oder sie doch zumindest in wesentlich wirksamere Bahnen zu lenken. Der Kapitalismus und der technologische Fortschritt haben die Welt nämlich auch an einen Punkt gebracht, an dem ihre Fähigkeiten zu Innovation und Problemlösung auf enorme intellektuelle Ressourcen und produktive Netzwerke treffen. Das Powercouple, das der Welt die Katastrophe eingebrockt hat, könnte ihr auch helfen, sie zu überwinden.
Die Realität holt uns ein
Schon zwischen den ersten Gesprächen zu diesem Buch und der Abgabe des ersten Manuskripts sehen wir die Gefahr, dass all unsere Recherchen, Gesprächsauswertungen, Erkenntnisse und Aufbereitungsaufwände bald obsolet werden könnten. Zum einen erringen die Treiber des seit Jahren tobenden Kulturkampfs gegen das Feindbild einer »woken« Gesellschaft mit der Wiederwahl Donald Trumps einen wichtigen Sieg. Da zu diesem von Trump, seiner Administration und zahlreichen Wählern vehement abgelehnten Paket aus »woken« Überzeugungen auch die Idee gehört, man müsste mit der Welt, auf der man lebt, behutsamer und schonender umgehen, wirft diese Wahl die Bemühungen um Nachhaltigkeit und Klimaneutralität zurück. Die USA steigen zum zweiten Mal aus den Pariser Verträgen aus, und kurz nach seinem Amtsantritt beginnt der neue Präsident die Nachhaltigkeits- und Klimaschutzpolitik der Vorgängeradministration rückabzuwickeln.
Parallel...