E-Book, Deutsch, 480 Seiten
Brandis Der Panthergott
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-401-81042-3
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Spannende Gestaltwandler-Fantasy von "Woodwalkers"-Bestsellerautorin Katja Brandis
E-Book, Deutsch, 480 Seiten
ISBN: 978-3-401-81042-3
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
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BEGEGNUNG IM DSCHUNGEL
Er witterte die beiden Menschen, bevor er sie sah. Unschlüssig blieb Ecco stehen und spürte, wie seine Tasthaare sich vorwölbten und seine Ohren sich unruhig bewegten. Sollte er den Leuten ausweichen? Eigentlich hatte er das nicht nötig, dieser Teil des Regenwaldes war das Revier seines Clans und in seiner Panthergestalt gab es kaum jemanden, den er zu fürchten hatte.
, schalt sich Ecco. Schon konnte er die beiden Frauen – eine mit grauen Strähnen im Haar, die andere jung, ein Äffchen hockte auf ihrer Schulter – durchs Blattwerk erkennen. Sie trugen rotbraune Stoffkleider, die ihre Schultern und Arme frei ließen, waren barfuß und balancierten geflochtene Körbe auf dem Kopf. Die jüngere, die etwas dunklere Haut hatte als ihre Begleiterin und große braune Augen, bückte sich gerade nach einer Frucht, die von einem der Bäume abgefallen und noch nicht von Ameisen beansprucht worden war.
Als die Frauen ihn bemerkten, geriet der Korb der älteren gefährlich ins Wanken und die jüngere stieß einen kleinen Laut aus.
Irritiert blickte Ecco sie an. Das war kein Laut des Schreckens gewesen. Moment mal, freute sie sich etwa, ihn zu sehen?
Die Antwort bekam er zwei Atemzüge später, als die beiden sich vor ihm auf den Boden warfen. »Du bist der Gott, nicht wahr?«, fragte die jüngere atemlos. »Du warst großartig bei dieser Audienz zusammen mit unserer Jaguargöttin! Wieso hast du die Stadt wieder verlassen?«
»Wir haben zu Euch gebetet und gehofft, dass Ihr einen eigenen Tempel in Elámon bekommt«, fügte die ältere Frau demütig hinzu.
Oh, wunderbar. Auf seinen großen nachtschwarzen Pranken ging Ecco näher heran. Kreischend flüchtete das Äffchen von der Schulter des Mädchens ins Gebüsch. Wenigstens das hatte genug Verstand, um sich vor ihm zu fürchten.
Jetzt befand er sich keine drei Menschenlängen mehr von den beiden Stadtbewohnerinnen entfernt. Sie kauerten noch immer vor ihm, sodass er nur noch ihren Scheitel sah; offenbar erwarteten sie ihr Schicksal. Wäre er kein Waldläufer und wirklich hungrig gewesen, er hätte sie töten können, ohne sich anzustrengen.
Ecco seufzte. , dachte er, doch sie waren natürlich keine Wandler und verstanden keine Gedankensprache. Also rief er sich seine Menschengestalt vor sein inneres Auge – einen muskulösen jungen Mann mit breiten Wangenknochen und schulterlangem schwarzem Haar – und wartete, bis sich unter seinem Fell Muskeln und Knochen verschoben. Schon streifte ein Windhauch seine haarlose Haut, die Verwandlung war vollendet. Eine Stechmücke hatte es bemerkt und machte sich gierig daran, ihn anzufliegen. Mit einem Klatschen zerquetschte Ecco sie auf seinem Arm und schnippte ihre Überreste ins Gebüsch.
Ganz langsam, mit großen Augen, schauten die beiden Frauen hoch … und ihre Augen wurden noch größer. Ungeduldig riss Ecco ein Riesenblatt von einem Busch ab und hielt es sich vor die Körpermitte. Die Schamgefühle der Menschen waren so lächerlich.
»Ich bin keiner eurer Götter mehr«, sagte er zu den beiden. »Vielleicht bin ich es auch nie gewesen, das war nur eine Idee eurer Jaguarfamilie.«
Die ältere Frau hob beide Handflächen und begann einen Singsang, den Ecco als Huldigung erkannte. Auch das noch.
»Es macht keinen Sinn, mich anzubeten; besser, ihr lasst den Unfug.«
Mit leuchtenden Augen betrachtete ihn das Mädchen, nickte eifrig und berührte ein aufgemaltes Symbol auf ihrem Arm. Hatte sie auch nur einen Ton von dem wahrgenommen, was er gesagt hatte?
»Vielleicht wäre es klug, jetzt zu gehen«, legte Ecco ihnen nahe und fühlte ein Knurren aus seiner Brust aufsteigen. Na also, jetzt schauten sie ein bisschen erschrocken drein, aber sie verschwanden immer noch nicht. Also drehte sich Ecco selbst um und stapfte davon, bemühte sich absichtlich nicht, leise zu gehen.
»Wir haben ein Anliegen«, rief ihm die ältere Frau hinterher. »Ihr habt die göttliche Fähigkeit, Trost zu spenden. Bitte, Panthergott.« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Mein Mann ist gestorben, wir waren so viele Jahre glücklich miteinander, die Trauer frisst mich von innen.«
Ach, verdammt. Ecco drehte sich um und diesmal fielen ihm auch die Schatten unter ihren Augen auf. Wie hager ihr Gesicht war, wie tief die Linien um ihren Mund. Unwillkürlich musste er an seine Großmutter denken und daran, was er dafür gegeben hätte, ihr einen solchen Kummer zu nehmen.
Das Mädchen lächelte hell wie die Sonne, als er zurückkam. Sie lächelte immer noch, als er grob den Unterarm ihrer Begleiterin fasste. Gleich würde sie enttäuscht sein. Er hatte keine Ahnung, ob er noch irgendwelche Fähigkeiten besaß oder ob sie in der Zwischenzeit irgendwie verflogen waren wie der Duft einer Blume oder eine kurze Verliebtheit.
Ecco konzentrierte sich, suchte die Kraft in sich und schickte sie als warmen Strom zu ihr hinüber. Und konnte es selbst kaum fassen, als er sah, wie die Linien im Gesicht der Frau sich glätteten, ihr Blick friedvoll wurde, ihre Lippen den bitteren Zug verloren.
»Wir danken dir!« Das Mädchen warf sich wieder vor ihm auf den Dschungelboden, auf dem abgefallene Blätter vor sich hin moderten.
Hastig kramte die ältere Frau in ihrem Sammelkorb. »Wir haben keine Opfergabe mitgebracht, aber nehmt diese Kakaofrucht! Wild am Fluss ist sie gewachsen, hier, Ihr müsst die Kerne nur noch rösten.«
Ecco hatte endgültig genug. »Opfergabe? Ich brauche nichts, das seht ihr doch! Geht jetzt und schaut nicht zurück!«, befahl er ihnen schroffer, als er eigentlich vorgehabt hatte. Seine Hand zerquetschte die harte Kakaofrucht, bis er die Kerne zwischen seinen Fingern hindurchglitschen fühlte.
Jetzt lächelte das Mädchen nicht mehr. Stattdessen blickte es fasziniert drein. Immerhin zogen sich die beiden nun mit einem letzten, anbetenden Blick in den Dschungel zurück. Endlich hatte er wieder seine Ruhe.
Eigentlich. Warum fühlte er sich dann so ruhelos?
Vielleicht weil die Begegnung so viele Erinnerungen in ihm hochgeschwemmt hatte. An ein Mädchen – nein, eine junge Frau – mit einem kraftvollen Körper, dreieckigem Katzengesicht und nussbraunen Augen, deren Blick ihm immer durch und durch gegangen war.
Kitana. Eine der Jaguargöttinnen von Elámon … eine Waldläuferin wie er selbst, nur mit geflecktem Fell.
Wütend auf sich selbst – –, verwandelte sich Ecco zurück und machte sich auf den Weg zu seinem Clan. Endlich war der Wald wieder dicht und grün, die Dürre war vorbei und die Brandrodungen hatten aufgehört. Die Jaguarleute hatten ein Machtwort gesprochen und verhindert, dass so etwas weiterhin passierte. Wenn er im Dschungel war, fühlte er sich gut, doch das blieb nie lange so.
Je näher er dem Lager seines Clans kam, das nur aus einem freien Platz mit festgestampfter Erde im Schutz von Bäumen bestand, desto langsamer wurden seine Schritte. Er hörte spielerisches Fauchen und lauschte auf die Stimme seiner Cousine Amai, die offensichtlich gerade mit der vier Jahre alten Chula spielte. Vernahm die gemurmelten Gespräche der Alten, die beisammensaßen und dabei Knochen spalteten, um an das Mark heranzukommen. Witterte den Lehm vom Flussufer, den sich einer der Jäger seit Jüngstem in die Haare schmierte, weil das angeblich seinen Raubkatzengeruch überdeckte. Manche entspannten sich als Panther, andere waren in Menschengestalt, damit sie ihre Hände benutzen konnten.
Nein, dazu hatte er auch keine Lust und er hatte längst gerochen, dass einer seiner Gefährten Beute gemacht hatte. Also gesellte er sich in seiner zweiten Gestalt zu den anderen. Willkommensrufe ertönten, ein paar seiner Gefährten schenkten ihm ein Lächeln oder schickten ihm einen lautloses Gruß in den Kopf.
, fragte Ecco und rieb den Katerkopf an Amais schmaler Wade. Sie hatte ihre Haare gerade erst wieder geschnitten, Fremde hielten sie gelegentlich für einen Jungen.
, informierte ihn Amai und verzog mitfühlend das Gesicht.
Izora. Sie war ausgerechnet die neue Partnerin seines Bruders, des Clanführers, geworden.
Und genau der kam gerade auf ihn zu. »Du warst lange weg«, sagte sein Bruder, wie so oft klang seine Stimme missbilligend. »Hast du nichts...