Braun / Sydow / Schreyögg | Projektmanagement und temporäres Organisieren | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 205 Seiten

Braun / Sydow / Schreyögg Projektmanagement und temporäres Organisieren

E-Book, Deutsch, 205 Seiten

ISBN: 978-3-17-032597-5
Verlag: Kohlhammer
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Projektarbeit bestimmt in der arbeitsteilig organisierten, digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt zunehmend das Tagesgeschäft. Die Konstituierung und Führung von Projekten sowie die Beherrschung der hierzu erforderlichen Werkzeuge wird damit als Managementaufgabe unverzichtbar. Das Lehrbuch ist auf die Bedürfnisse einer Grundlagenveranstaltung im Hochschulstudium zugeschnitten und verbindet in prägnanter Weise die theoretischen und strategischen Teile mit den praktischen und operativen Aspekten der Thematik. Darüber hinaus werden auch andere Formen temporärer Organisation wie zum Beispiel das Krisen- und Eventmanagement behandelt.
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1          Projektifizierung: Auf dem Wege zur Projektgesellschaft?
      Große Intrastrukturmaßnahmen wie der Flughafen BER in Berlin oder das Terminal 5 in London Heathrow, aber auch kleine Design-, Film- und Fernsehproduktionen werden üblicherweise als Projekte organisiert. Ohne hier einer genauen Definition vorzugreifen ( Kap. 2.1) zeichnen sich Projekte vor allem durch zeitliche Befristung aus, auch wenn sie – wie gerade das Beispiel BER oder auch die Elbphilharmonie in Hamburg zeigt – allzu oft nicht fristgerecht fertiggestellt werden. Projekte, aber auch ganze andere Formen temporären Organisierens wie etwa die nur vorübergehende Teilnahme von Gründungswilligen an einem Akzelerator-Programm oder die zeitlich begrenzte Mitarbeiterüberlassung in der Leih- und Zeitarbeit, auf Managementebene auch als »Interim Management« (Bloemer 2008) bekannt, sind heute weit verbreitet. Vor mehr als zwei Jahrzehnten wurde für diese Entwicklung, vor allem damals natürlich noch mit dem Blick auf die Verbreitung von Projekten in Organisationen, der Begriff »Projektifizierung« (Midler 1995) geprägt. Heute ist gar die Rede von einer noch weiterreichenden Entwicklung des projektbasierten Organisierens in die meisten, durchaus auch privaten Lebensbereiche hinein (Lundin et al. 2015). Mündet diese Entwicklung etwa in eine Gesellschaftsformation, in der das Temporäre überwiegt? Hat die langfristige, im Zweifel gar lebenslange Beschäftigung in einer Organisation genauso wie kontinuierliches, jahrelanges Engagement für eine gute Sache ausgedient? Solchen Fragen wollen wir in diesem Kapitel nachgehen. Zuvor allerdings geht es um Begriff und Konzept der Projektifizierung. Ist es tragfähig genug, eine solche Entwicklung nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu erfassen? Muss das Konzept dafür spezifiziert werden? 1.1       Der Beginn: Projektifizierung von Renault
Interessanterweise wurde der Begriff der Projektifizierung bei der Untersuchung eines sehr traditionellen Unternehmens geprägt: des damals noch rein französischen Automobilherstellers Renault. Solche Original Equipment Manufacturers (OEMs) standen bis dahin eigentlich nicht in dem Verdacht, in einem ähnlichen Maße wie Anlagenbauer, Hoch- und Tiefbauunternehmen, Filmproduktionsgesellschaften, Werbe-, Design- und Eventagenturen oder Beratungsunternehmen von Projekten als temporärer Organisationsform Gebrauch zu machen. Diese letztgenannten Unternehmen werden als »project-based organizations« (Hobday 2000) bzw. projektbasierte Organisationen (PBO) bezeichnet, weil sie ihren Hauptzweck in Form von Projekten verfolgen. Ein OEM, zumal ein Automobilhersteller wie Renault, weist demgegenüber eine eher klassische, permanente Organisation auf, die allenfalls durch Projekte unterstützt wird. Lundin et al. (2015) unterscheiden solche »project-supported organizations« (PSO) denn auch scharf von PBO wie Anlagenbauer oder Filmproduktionsfirmen; darauf wird zurückzukommen sein ( Kap. 2.2). Midler (1995) untersuchte vor allem den Forschungs- und Entwicklungsbereich von Renault. Während dieser in der Regel seit jeher projektförmig organisiert sein dürfte – auch und gerade bei den forschungsintensiven OEMs der Automobilindustrie –, sieht der Forscher die zunehmende Innovationsgeschwindigkeit sowie Produktdifferenzierung als die treibenden Kräfte der Projektifizierung, verstanden als einen Prozess organisationaler bzw. organisationsweiter Verbreitung der Projektform. Während in den 1960er Jahren Projekte bei Renault nur informell die permanente Organisation ergänzten, waren die 1970er und 1980er Jahre durch zunehmende Formalität und Zentralität der Projektorganisation gekennzeichnet. Die ersten formell ausgebildeten Projektmanager rekrutierte Renault bereits Anfang der 1970er Jahre in den USA, wo sich das Projektmanagement in Folge ausgiebiger Erfahrungen mit Großprojekten während des Zweiten Weltkriegs (z. B. Manhattan Project; vgl. dazu Lenfle/Loch 2010) rascher und stärker professionalisiert hatte als in Europa. In etwa zeitgleich kamen bei Renault vermehrt auch Instrumente zur Planung und Steuerung von Projekten zum Einsatz ( Kap. 7). Erst Ende der 1980er Jahre setzte bei Renault eine darüber deutlich hinausgehende, organisatorische Entwicklung ein; erst diese veranlasst Midler von Projektifizierung zu sprechen. Genauer führte Renault 1989 mit der Entwicklung des Twingo eine Projektorganisation ein, in der Projektleitern (Midler spricht von »project directors«) eine signifikant größere Autonomie eingeräumt wird. Zusätzlich werden Funktionen projektifiziert, die von Mitgliedern derjenigen Abteilungen eingenommen wurden, die ebenfalls an der Produktentwicklung beteiligt sind (z. B. Einkaufsabteilung). Auch wird deutlich mehr Wert auf horizontale Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Projektteams gelegt. Insgesamt lässt sich für diese Phase festhalten: »The Twingo project was a spectacular experiment to demonstrate how such autonomy could be used to create an organizational context which could drive all the energies and concerns towards the key problems of a specific project« (Midler 1995, S. 367). Diese organisationale Entwicklung, die bei Renault mit dem Twingo angestoßen worden ist und aufgrund der Einbeziehung von Lieferanten in dessen Entwicklung schon damals deutlich über die Organisationsgrenzen des Unternehmens hinausstrahlte, erfasste nicht nur den Forschungs- und Entwicklungsbereich. Vielmehr dehnte sich die Projektifizierung bzw. Temporalisierung nach und nach auch auf andere Bereiche der (noch permanenten) Organisation aus. Mit seiner Renault-Studie hat Midler nicht nur den Begriff der Projektifizierung eingeführt und eine Debatte über Art und Ausmaß der Projektifizierung angestoßen (vgl. Maylor et al. 2006; Aubry/Lenfle 2012; Lundin et al. 2015; Baur et al. 2016; Jensen et al. 2016). Vielmehr hat er auch die Schnittstelle von temporärer und permanenter Organisation problematisiert. Jenseits dieser Schnittstelle geht die heutige Forschung noch einen Schritt weiter und beleuchtet auch den Zusammenhang von temporären Organisationen und Netzwerken ( Teil III). 1.2       Projektifizierung als Konzept
Projektifizierung könnte man vor dem Hintergrund der Entwicklung bei Renault definieren als den Trend zur Organisation von Wertschöpfung durch Arbeit in Projekten, einer temporären Form der Organisation (Lundin/Söderholm 1995; Turner/Müller 2003; Bakker et al. 2016; Jensen et al. 2016). Werden Projekte innerhalb einer Organisation abgewickelt, entsteht eine »projectified organization«; ein Typ von Organisation, in dem in letzter Konsequenz – wie in PBO – das Projektgeschäft dominiert und die permanenten Strukturen auf ein Minimum reduziert sind. Die PSO wäre allenfalls eine Etappe in diesem Trend, gleichwohl kommt ohne Projekte, die die permanente Organisation unterstützen, schon heute kaum noch ein Unternehmen und auch keine öffentliche Verwaltung aus. Midler (1995) hat mit seiner Studie bei Renault die Projektifizierung genau genommen auf zwei Ebenen untersucht: für den Teilbereich der Forschung und Entwicklung und, mit Einschränkungen, auch für die Organisation von Renault als Ganzes. Für den Teilbereich der Forschung und Entwicklung konnte schon damals – wenig überraschend – eine weitgehende Projektifizierung festgestellt werden, obwohl sich die Art im Laufe der Zeit – wie angesprochen – deutlich gewandelt hat. Wichtig allerdings ist, dass neben dem Forschungs- und Entwicklungsbereich auch andere Bereiche der permanenten Organisation projektifiziert, zumindest stärker auf Projektorganisation ausgerichtet wurden: »The novelty was not in the trend to organising work through projects but in the organizational changes that accompanied this trend« (Maylor et al. 2006, S. 663). Generalisiert man diese Einsicht in den Prozess bei Renault stellt sich die Frage, ob sich nicht viele Industrieunternehmen, also nicht nur OEMs der Automobilindustrie, in den letzten Jahrzehnten auf den Weg zu einer Projektifizierung begeben haben. Während diese genauere Frage in gewisser Weise offenbleiben muss, gibt es viele Hinweise auf die zunehmende Bedeutung von Projekten bei der Organisation von Wertschöpfung (Schoper et al. 2018). Mit heute als überholt geltenden Daten haben vor zwei Jahrzehnten schon Andrew Pettigrew und Silvia Massini (2003) in einer konzeptionell ausgereiften und breit angelegten, international vergleichenden Studie den Wandel von Organisation in den Triade-Regionen Europa, Japan und USA untersucht. In den drei Regionen haben sie insgesamt über 700 Unternehmen u. a. auch nach der Verbreitung der Projektform gefragt und dabei festgestellt, dass diese in der Zeit von 1992/92 bis 1996/97 dramatisch zugenommen hat. Eine Fortsetzung dieses Trends konstatieren zehn...


Dr. Timo Braun ist Juniorprofessor für Projektmanagement, Dr. Jörg Sydow ist Professor für Unternehmenskooperation am Management-Department der Freien Universität Berlin.


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