Brinkmeier / Teipen / Bode Handbuch Schlaganfall-Lotsen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-86216-882-8
Verlag: medhochzwei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Leitfaden für die Einführung von Schlaganfall-Lotsen auf Basis des STROKE OWL-Projekts
E-Book, Deutsch, 70 Seiten
Reihe: Case Management in der Praxis
ISBN: 978-3-86216-882-8
Verlag: medhochzwei Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In Deutschland und in den westlichen Industrienationen zählt der Schlaganfall zu den häufigsten Erkrankungen und steht an dritter Stelle der Todesursachen. Bis heute fehlen im Gesundheitswesen fallbezogene Ansprechpartner, die Patienten und Angehörige nach dem Schlaganfall begleiten sowie beratend und koordinierend zur Seite stehen.
In dem vom Innovationsfonds geförderten großen Schlaganfall-Lotsen-Projekt STROKE OWL hat die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ein neues Versorgungsmodell für Schlaganfall-Patienten entwickelt. Die Schlaganfall-Lotsen arbeiten nach einem strukturierten Care und Case Management-Prozess und sind verlässliche Ansprechpersonen für die Betroffenen.
Das „Handbuch Schlaganfall-Lotsen“ fasst erstmals die vielfältigen Erfahrungen, die in der vierjährigen Laufzeit des STROKE OWL-Projekts gesammelt wurden, in kompakter Form zusammen. Die Arbeitsweise der Lotsen, ihre Aufgaben und Qualifikation werden darin ausführlich beschrieben.
Zielgruppe
Führungs- und Fachkräfte in Organisationen, die an der Versorgung von Schlaganfall-Patienten beteiligt sind (wie z.B. Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Heil- und Hilfsmittelerbringer, Pflegeheime etc.), Case Manager, Ärzte- und Praxisnetze, Haus- und Fachärzte, (Neuro-) Psychologen, Fachgesellschaften und Verbände, Gesundheitspolitiker und Kommunen, Apotheken, Kranken-/ Pflegekassen, Patientenorganisationen/ -verbände, Sozialverbände, die Gesundheitsindustrie sowie Hochschulen und Studierende/Auszubildende
Autoren/Hrsg.
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4 Umsetzung des Care und Case Management-Prozesses
Im Rahmen des Projekts STROKE OWL wurden Prozessschritte für die Umsetzung der Schlaganfall-Lotsen-Intervention entwickelt, welche sich am Case Management-Regelkreis orientieren und in Prozessbeschreibungen zusammengefasst wurden. Darüber hinaus beschäftigt sich das nachfolgende Kapitel mit den Anforderungen an ein Qualitätsmanagement, im Speziellen mit dem Aufbau von Qualitätszirkeln, der Fallsupervision sowie der Überwachung der Dateneingabe. Des Weiteren wird auf das Curriculum für die Weiterbildung zum Schlaganfall-Lotsen sowie die Rahmenbedingungen für die Implementierung dieser eingegangen. Abschließend wird die Entwicklung der Netzwerkarbeit sowie der Evaluation im Kontext der Schlaganfall-Lotsen-Intervention dargelegt. 4.1 Prozessschritte anhand des CM-Regelkreises
Die Prozessschritte orientieren sich am Case Management-Regelkreis, insbesondere an den Auswahl- und Ausführempfehlungen (DGCC, 2020). Der Integrated Care Pathway (ICP) für die Indikation Schlaganfall ist so dargestellt, dass jedem Prozessschritt eine zeitliche Komponente, Akteure, Erläuterungen der Tätigkeit, gewünschte Ergebnisse und zu verwendende Dokumente/Hilfsmittel zugeordnet werden können. Tab. 1: Aufnahme des Patienten in die CM-Begleitung Klärungsphase/ Intake Aufnahme in die CM-Begleitung Wann? Tag 1–3 nach der Aufnahme Wo? Auf der Stroke Unit oder peripheren Station Wer? Schlaganfall-Lotse, Patient, ggf. Angehörige Was? (Prozessschritte) SL-1 Sichtung der Patienten anhand von definierten Ein- und Ausschlusskriterien SL-2 Zusammenstellung eines Informationspakets für den Patienten SL-3 Patientenaufklärung SL-4 Aushändigung des Informationspakets an den Patienten + Bedenkzeit geben (ca. 24 Stunden) SL-5 Erneute Kontaktaufnahme zum Patienten, um zu erfragen, ob eine Teilnahme gewünscht ist SL-6 Patient willigt in die Begleitung ein; Rückgabe der unterzeichneten Einschreibedokumente an den Schlaganfall-Lotsen Wie? Ad 1) Die Ein- und Ausschlusskriterien werden im interdisziplinären Team bewertet. Patienten mit keiner gesicherten Diagnose (Schlaganfall/TIA), die z. B. aufgrund von Schwindel, Sehstörung etc. auf der Stroke Unit liegen, werden weiterhin ärztlich beobachtet und bei einer gesicherten Schlaganfall-/TIA-Diagnose auf eine potenzielle Teilnahme angesprochen. Besonderheit: Sofern der Schlaganfall-Lotse bei keiner Akutklinik angestellt ist, erfolgt das Screening und die Einholung des Einverständnisses zur Kontaktaufnahme separat (meist durch den Klinik-Neurologen). Ad 2) Das Informationspaket wird für den Patienten zusammengestellt. Ad 3 und 4) Mithilfe des Informationspakets wird der Patient über die Lotsenbegleitung aufgeklärt. Bei TIA-Patienten sollte der Argumentationsleitfaden berücksichtigt werden. Die Anwesenheit eines An- oder Zugehörigen wird grundsätzlich empfohlen. Dem Patienten wird eine Bedenkzeit von ca. 24 Stunden gegeben. Ad 5) Nach der Bedenkzeit wird erneut Kontakt zum Patienten aufgenommen, um die Teilnahme zu erfragen. Ad 6) Sollte der Patient eine Teilnahme wünschen, muss der Patient oder sein Betreuer/ Bevollmächtigter die Einschreibedokumente unterschreiben. Ist der Patient kognitiv nicht in der Lage, eine Einwilligung vorzunehmen und besteht zu diesem Zeitpunkt kein Bevollmächtigter/Betreuer für die Gesundheitsfürsorge, ist eine Teilnahme des Patienten nicht möglich. Es muss sich bei der Zustimmung des Patienten oder des Betreuers immer um eine informierte Einwilligung handeln. Die unterschriebenen Einschreibedokumente werden dem Schlaganfall-Lotsen ausgehändigt. Darüber hinaus wird dem Patienten das Formular zur weiteren Datenspeicherung ausgehändigt, welches ihm die Möglichkeit gibt, über die Angebote der Stiftung informiert zu werden und mit dieser in Kontakt zu bleiben. Dies ist unabhängig von der Lotsenbegleitung. Zu diesem Kontaktzeitpunkt wird dem Patienten ebenso die ergänzende Teilnahmeerklärung ausgehändigt. Diese ermöglicht eine Auswertung der Daten zu wissenschaftlichen Zwecken. Womit? Informationspaket bestehend aus: – Patienteninformation – Schweigepflichtentbindung – Teilnahmeerklärung – Ergänzende Teilnahmeerklärung: Einwilligung zur wissenschaftlichen Begleitung und Qualitätssicherung – Formular zur weiteren Datenspeicherung – Kontaktdaten Lotsen – Optional: TIA-Argumentationsleitfaden und Fallzahldokumentation Wozu? Die Klärungsphase und mögliche Aufnahme des Patienten in die CM-Begleitung dienen der Feststellung, ob ein Lotsenbedarf vorliegt. Unter welcher Voraussetzung? Über das Konzept zur Begleitung eines Schlaganfall-Lotsen ist festgelegt, wie der Zugang zum Patienten erfolgen sollte. Hieraus geht ebenso hervor, welche Ein- und Ausschlusskriterien für die Begleitung eines Lotsen bindend sind. Mit welcher Dauer? Die Dauer der Klärungsphase sollte ca. 45 Minuten umfassen. Je nach Einbeziehung weiterer Professionen und Vorliegen endgültiger Diagnosen kann dies variieren. Mit welcher Frequenz? Die Klärungsphase wird zu Beginn des Lotsenbedarfes einmalig durchgeführt. Mit welchem Ergebnis? Alle für das Erstgespräch zwischen Lotsen und Patient nötigen Unterlagen sind vorbereitet. Der Patient ist für eine mögliche Einwilligung vollumfänglich über das Projekt informiert und hat somit eine gute Entscheidungsgrundlage. Der Patient hält alle erläuterten Unterlagen in Händen und kann diese nachlesen. Der Patient ist über die Angebote und das Netzwerk der Stiftung informiert. Der Patient oder dessen Betreuer hat die Einschreibedokumente unterzeichnet. Der Patient ist in die Begleitung eines Schlaganfall-Lotsen aufgenommen. Quelle: Eigene Darstellung. Das Handlungskonzept des Case Managements (CM) basiert auf fünf wesentlichen Schritten, die in einem Regelkreis dargestellt werden und miteinander verbunden sind bzw. ineinandergreifen (Ehlers, 2019). Der CM-Regelkreis beginnt mit der Klärungsphase (Access, Case Finding und Intake) (DGCC, 2015). In diesem Rahmen wird eruiert, ob eine CM-Begleitung indiziert ist. In den Schlaganfall-Lotsen-Projekten dienen hierzu definierte Ein- und Ausschlusskriterien. Diese sollten den Indikationskriterien eines Case Management-Falls (Vorliegen einer komplexen Bedarfslage) entsprechen und zu Beginn mit dem Projektgeber festgelegt werden. Im weiteren Vorgehen wird dann überprüft, ob eine Vereinbarung bzw. Überleitung in das CM erfolgen kann bzw. gewünscht ist (DGCC, 2015). Die Voraussetzung für diesen ersten Schritt ist der ausreichende Bekanntheitsgrad des CM-Angebots auf Organisations- und Systemebene. Da die Intake-Entscheidung oftmals auf einer Prognose des Krankheits- bzw. Genesungsverlaufes des Patienten beruht, ist es umso wichtiger, die vorliegenden Informationen sorgfältig zu sichten und anhand von Screening-Kriterien zu bewerten (Lichtenberg et al., 2017). Die Rahmenempfehlungen zum Handlungskonzept vom CM sehen für die Klärungsphase fünf wesentliche Kriterien als Indikation für eine CM-Begleitung vor (Mennemann, 2013). „Auf der Einzelfallebene ist Case Management indiziert bei Vorliegen einer komplexen Bedarfslage, bei der Beteiligung von mehreren Leistungsanbietern, die im Einzelfall aufeinander abgestimmt werden müssen, um Versorgungsintegration zu gewährleisten (hohe Akteursdichte, Welfare Mix), bei Nicht-Greifen von Regelversorgungspfaden in dem besonderen Einzelfall, bei fehlenden Ressourcen des Adressaten-/Klientensystems, sodass professionelle Hilfe...