E-Book, Deutsch, 259 Seiten
Brosche Tödlicher Rosenkranz
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-86361-523-9
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 259 Seiten
ISBN: 978-3-86361-523-9
Verlag: Himmelstürmer
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Kommissar Thomas Grund trinkt zu viel, schläft kaum – und wenn hat er Alpträume. Eigentlich ist er in seine Heimatstadt Paderborn zurückgekehrt, um diese Probleme anzugehen. Doch schon der erste Mordfall, den er in Paderborn lösen muss, bringt ihn aus dem Gleichgewicht. Das Opfer war ein Schulfreund: Ein Schuss in den Hinterkopf, der Schädel gesprengt, die Füße grausam verstümmelt und daneben ein Rosenkranz vom Mörder bei der Leiche zurückgelassen.
Die Spuren führen den Kommissar zurück in seine Schulzeit auf einem katholischen Knabeninternat. Was er eigentlich vergessen wollte und was doch sein ganzes Leben geprägt hat, der Missbrauch durch einen Pater, spielt bald eine wesentliche Rolle bei der Aufklärung des Falles.
Grund war nicht das einzige Opfer des Paters. Offenbar hat der Mörder es noch auf andere ehemalige Schüler des Internates abgesehen und so wird die Aufklärung zu einem Wettlauf mit der Zeit.
Seine Untersuchungen führen den Kommissar ausgerechnet in seine alte Schule, jetzt ein Tagungshaus, in dem ein katholischer Kongress „besorgter Eltern“ stattfindet. Hier erfährt er, wie sehr Doppelmoral und Frömmelei das Leben junger Menschen zerstörte. Er begegnet ehemaligen Peinigern und einer prominenten Reihe von ewig Gestrigen, deren homophober Hass die eigentliche Ursache für die Morde und das Lebensunglück vieler Schüler des Internates waren.
Grund muss mit Erschrecken erkennen, dass die Vertuschung von Missbrauch und fanatischer Schwulenhass Mörder und Opfer in ein auswegloses Netz seelischer Verwirrung verstrickten.
Der Kommissar stellt sich nicht nur seiner eigenen Geschichte, sondern kann am Ende den Mörder und auch den Verursacher der Leiden so vieler junger Männer identifizieren!
Autoren/Hrsg.
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Finster wie die Verdammnis
Der Hinterhof ist finster wie die Verdammnis. Bloß die schmuddelige, uralte Kugelleuchte über dem Hintereingang gibt ein funzeliges Licht. Die geizigen fünfundzwanzig Watt beleuchten gerade drei Stufen und den Treppenabsatz zum Geschäft, alles andere liegt im Nachtschatten: die kümmerliche Eberesche, die schon fast ihr ganzes Laub verloren hat, und die Müllcontainer an der Brandmauer zum Nachbarhaus. Es ist fünf, erst ab sieben wird es dämmern. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis Gregor Feinschmidt mit seinem Van auf den Hof fährt, um die Blumen auszuladen, die er vom Großmarkt geholt hat. Früher lebten Feinschmidts vom Blumenschmuck für die Messen im Dom, von Beerdigungskränzen und Grabgestecken für den benachbarten Friedhof. Mooskreuze fertigte Else Feinschmidt mit ihren rauen Gärtnerhänden - Trockenblumen, Tannenzweige und Zapfen - die hielten lange; dazu Schärpen für die Kränze: Gebete, Bibelsprüche und letzte Grüße aufgedruckt. Tulpen zu Ostern und Christrosen zu Weihnachten. Das war ein anständiges Geschäft gewesen; Kirchengemeinden, Krankenhäuser und Altenheime bestellten hier ihren Blumenschmuck. Aber seit Gregor Feinschmidt nach dem Tod des Vaters das Geschäft von seinen Eltern übernommen hatte, war daraus ein affektierter Schwulenladen geworden. Vorn an der Straße hatte er den leerstehenden ehemaligen Tabakkiosk zur Blumenhandlung dazu gemietet und einen Durchbruch schlagen lassen. Aus dem Verkaufsraum war so ein langgestreckter Saal geworden mit üppigen Blumenarrangements, Palmen und Orchideen, fast eine Tropenhalle. Über drei große Schaufenster zog sich jetzt eine stylische Lichtreklame: Blumen und Deko Feinschmidt. Italienische Lampen und Vasen, Rattanmöbel, goldene Bilderrahmen und echte Wachskerzen und an den großen Festen - Weihnachten, Ostern, Pfingsten - ausgesuchter Baumschmuck aus Lauscha, handbemalte Enteneier aus Polen und Unmengen sündhaft teurer seidener Pfingstrosen und Gladiolen aus Marseille importiert. Aus dem bodenständigen Laden für Friedhofsbedarf - Erika, Begonien, Stiefmütterchen und Pflanzerde - war ein neureiches Geschäft geworden, mit Chichi-Artikeln und zwei Schwuchteln hinterm Tresen: Feinschmidt und seinem Freund. Bis der Sodomit kommt, kann er noch einmal beten, die Ave-Maria und die Vaterunser des Rosenkranzes, den er aus der Tasche zieht. Die Kette mit den Perlen aus Amethyst rinnt durch seine Finger, bis er die Hände ums silberne Kreuz schließt. Du bist gebenedeiet unter den Weibern flüstert er auf seine gefalteten Finger vor seinem Mund. Er spricht Weiber, denn nichts anderes sind Frauen, die Gefäße der Unkeuschheit: Weiber, Kebsen. So hat der Pater im Religionsunterricht die Frauen genannt und vor ihnen gewarnt. Er zeigte der Klasse ein anatomisches Klappbild: außen der schöne Körper, aber wenn man die Fenster öffnete war darinnen ein Gewalk und Gewirr von kotigen Därmen und unreinen Fortpflanzungsorganen. Es sei eine himmelschreiende Schweinerei, dass die Frauen ohne Kopftuch in die Messe kämen, ja sogar an ihren unreinen Tagen die Kommunion empfangen dürften. Konziliare Schmutzigkeiten! Das müsse sich wieder ändern, hatte ihnen der Pater erklärt, es gäbe keine reinen Töchter Evas. Durch die Frau sei doch die Sünde in die Welt gekommen. Einzig die Mutter Maria ist wirklich unbefleckt. Ein Schatten, hockt er, der große, kräftige Mann, hinter dem Papiercontainer und klopft sachte wie zur Beruhigung auf den Deckel des Plastikeimers neben sich. Sicher verwahrt darin der weiße, feine Sand mit dem Duft nach Anis - und das Bügeleisen. Damit wird er Zeugnis geben von der Größe des strafenden Herrn. Es müssen Exempel statuiert werden. Es kann nicht mehr so weitergehen mit der grassierenden Widernatürlichkeit. Es muss doch gesagt werden dürfen, dass die Sodomiten ein Leben gegen Gottes Willen führen! Und jetzt nehmen sie sich auch noch die gleichen Rechte heraus wie die normalen Menschen und wollen heiraten. Die sind nicht gleich und nicht normal. Und wenn das nicht mehr gesagt werden darf, obwohl es doch zum Glauben gehört, dann muss man eben verzweifelt dagegen ankämpfen und Zeichen setzen. Jetzt werden wieder Christen verfolgt, weil sie die Wahrheit über die Sodomiten sagen, die sich überall ausbreiten. Märtyrer haben jetzt wieder ihre Zeit! Er hatte Gregor Feinschmidt und seinen unzüchtigen Bettgespielen in den letzten beiden Wochen viele Stunden beobachtet, dieses abstoßende Paar, das sich nicht einmal schämte, offen Zärtlichkeiten auszutauschen. Die hatten sogar geheiratet, Feinschmidt und sein Bürschchen, die äfften eine Ehe nach und entweihten das Sakrament. Das bedroht doch jede normale, gesegnete Ehe. Das vernichtet jede natürliche Ordnung. Er murmelt seinen Rosenkranz, ist von den Gebeten und Anrufungen ganz eingehüllt und wärmt das Silber und die Halbedelsteine in seiner Hand. Die Jungfrau wird ihm Stärke gewähren, damit er das Werk des Herrn durchführen kann. Er tastet noch einmal in die Manteltasche, muss sich der Pistole vergewissern. Die liegt kalt in seiner Hand. Aber wenn er die Hände faltet und die Stirn darauf stützt, dann werden sie wieder warm beim Beten, seine kalten Hände. Die zittern auch nicht mehr wie beim ersten Mal. Rosenkranz und Gebet helfen. Er ist sich gewiss, er vollendet den Willen des Herrn. Es muss ein Ende sein mit der Unzucht und den widernatürlichen Kotstechern. Die sind dem Satan verfallen. Die wird keiner mehr von ihren Sünden abhalten können, Umkehr kennen die nicht, die wollen nicht gehorchen, die haben sich entschlossen, den Weg der Unzucht anstatt den Höhenweg der Liebe zu gehen und damit Gottes Liebe anzunehmen. Die ziehen alle mit hinab in den Schmutz und deshalb müssen sie vernichtet werden. Die Todesstrafe ist erlaubt, das sagt sogar der Katechismus, wenn es außerordentliche Bedrohungen für die Menschen gibt. Und die Sodomiten, die sich anschicken, die Menschheit zu verweichlichen, zu verschwulen, bedrohen mit ihrer Widernatur vor allem die Kinder. Die muss man besonders schützen. Die Homosexuellen sind Sendboten des Todes. Sie verbreiten die Kultur des Todes, wie der Heilige Vater warnt. Wenn die Schwulen den normalen Menschen gleichgestellt werden, dann ist das das Ende der christlichen Kultur. Deshalb muss man sich wehren, und darum ist es ein gutes Werk, sie zu vernichten. Dann landen sie sofort in der Hölle, noch früher als wenn sie eines natürlichen Todes sterben – aber was ist bei denen schon natürlich?! Sie sind widernatürlich! Kaum hat er mit einem neuen Vaterunser begonnen, fällt Scheinwerferlicht durch die Hofeinfahrt. Feinschmidt biegt von der Straße ein und hält vor der Treppe, so dass er die Blumeneimer aus dem Van direkt aufs Betonpodest hieven kann. Der Blumenhändler steigt aus, schiebt die Seitentür auf und greift sich zwei lange Kartons mit je zwei Dutzend weißen Lilien vom Boden des Wagens. Daneben dicht an dicht, damit sie beim Transport nicht umfallen, die Zinkeimer; in ihnen große Bünde Nelken, klassisch weiß und rot und Rosen: malvenfarben, karmesin und orange mit kupferroten Säumen. Die langstieligen, blutroten für die Verliebten ruhen wie die Lilien für die Toten umhüllt mit Seidenpapier in großen Kartons. Die Blumen haben Anmut und Unschuld; sie gefallen dem geduckten Mann in den Schatten; nicht, dass er für Schönheit unempfänglich wäre. Aber es ist der Händler, der diese Anmut und Unschuld missbraucht und verdirbt. Eine Christrose in dessen Händen müsste doch verdorren. Mit drei geschwinden Schritten steigt Feinschmidt die Stufen des Podestes hinauf und zieht den Schlüssel für die Eisentür aus der Hosentasche. Der Schriftzug auf dieser Tür ist noch immer der alte. Den hat er nicht erneuert wie den zur Straße über dem Geschäftseingang. Hier ist noch der Namenszug seines Vaters zu lesen. Wenn der wüsste, dass zwei Tunten sein Geschäft führen, denen Blumenarrangements für Schwulenhochzeiten wichtiger sind als Sträuße für die Messe, der würde sich im Grabe umdrehen. Warum lässt Gott das Unnatürliche zu, wenn er es doch so verachtet? An dieser Frage verzweifelt der Geduckte in der Dunkelheit des Hofes. Feinschmidt schiebt mit dem Fuß die Tür auf und tastet an der linken Wand nach dem Lichtschalter. „Das Licht bleibt aus!“ halblaut spuckt der Mann aus dem Schatten dem Blumenhändler seinen Befehl in den Nacken. Erschrocken will Feinschmidt sich umdrehen, aber spürt, kaum dass er sich bewegt, etwas Kaltes und Hartes im Rücken, eine Waffe. „Dreh dich bloß nicht um, sonst schieße ich dir ins Gesicht!“ „Ich hab kein Geld im Laden. Vielleicht zwei-, dreihundert Euro Wechselgeld. Das können Sie gerne haben!“ „Dein schmutziges Geld interessiert mich einen Dreck. Vorwärts, rein in dein Geschäft!“ Gregor Feinschmidt begreift nicht, was der Mann will. Der stößt ihm die Waffe nochmal hart zwischen die Schulterblätter. Feinschmidt stolpert nach vorn. Trotzdem hält er noch...