E-Book, Deutsch, Band 15, 360 Seiten
Reihe: Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik. Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung
Buchberger Historisches Lernen mit schriftlichen Quellen
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7065-6094-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Eine kategoriale Schulbuchanalyse österreichischer Lehrwerke der Primar- und Sekundarstufe
E-Book, Deutsch, Band 15, 360 Seiten
Reihe: Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik. Geschichte - Sozialkunde - Politische Bildung
ISBN: 978-3-7065-6094-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ziel historischen Lernens ist es, die Entwicklung eines reflektierten und (selbst-)reflexiven Geschichtsbewusstseins zu ermöglichen. Schulbücher sind dabei nach wie vor zentral. Als Lehr-Lern-Medien sollten sie bestimmte Merkmale aufweisen, die den Erwerb und die Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten historischen Denkens unterstützen.
Um zu klären, wie Schulbücher dies umsetzen, stellt der Band den Umgang mit schriftlichen Quellen in den Mittelpunkt. Dabei ist entgegen eines Methodenlernens fern von der Grammatik historischen Denkens mehr nötig als die alleinige Kenntnis des regelgeleiteten methodischen Umgangs mit unterschiedlichen Textquellenarten. Es soll nämlich auch deutlich werden, inwiefern Interpretationsprozesse zur Bearbeitung historischer Fragen eingesetzt werden und welche Bedeutung diese für historische Orientierung haben können.
Die im Band präsentierte kategoriale Schulbuchanalyse zeigt damit auf, inwieweit approbierte österreichische Schulbücher (n=100) von der Primarstufe bis zum Ende der Sekundarstufe II im Umgang mit schriftlichen Quellen den Anforderungen eines modernen Geschichtsunterrichtes gerecht werden (können). Dabei spielt auch eine für die Ausprägung historischen Denkens förderliche fachspezifische Lernprogression in der Gestaltung von bzw. im Umgang mit schriftlichen Quellen in den Schulbüchern eine Rolle, die dazu rekonstruktiv offengelegt wird.
Aus der Studie können Anregungen für Quellenarbeit im Unterricht, für die Gestaltung von Schulbüchern sowie Implikationen für die geschichtsdidaktische Forschung abgeleitet werden.
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II. Forschungsstand und Forschungsfragen
II.1 Untersuchungsleitende Forschungsfragen
Trotz eines Aufschwungs der Schulbuchforschung in jüngerer Zeit vor allem in den Bereichen der historischen, geschichtswissenschaftlichen, kulturwissenschaftlichen und international-vergleichenden Schulbuchforschung ist die geschichtsdidaktische Schulbuchforschung noch immer relativ schwach ausgeprägt.21 Dieses Promotionsprojekt steht daher im Zeichen einer fachdidaktischen Schulbuchforschung. Auch wenn es in diesem Feld bereits Arbeiten zur kompetenzorientierten Herangehensweise in der Erforschung von Schulgeschichtsbüchern gibt,22 so besteht nach wie vor ein unzweifelhaftes Desiderat an empirischer Forschung in der fachdidaktischen Schulbuchforschung,23 vor allem für den österreichischen Raum.24 Dies mag erstaunen, da das Geschichtsschulbuch nach wie vor das unumstrittene Leitmedium des Geschichtsunterrichts ist und folglich entscheidenden Einfluss auf die Planung und Gestaltung von Unterricht bzw. insbesondere auf historische Bildung im Klassenzimmer hat. Trotz der Konkurrenz durch neue, digitale Medien – darunter auch Geschichtsschulbücher – finden sich in Österreich 15 unterschiedliche Schulbuchreihen in der Sekundarstufe I, die im Zuge der kostenlosen Bestellung über die sogenannte „Schulbuchaktion“25 intensiv genutzt werden.26 Dabei rückt im Rahmen der vorliegenden Untersuchung mit Blick auf die weite Verbreitung und häufige Nutzung von Geschichtsschulbüchern im Unterricht ihre Relevanz für historische Lehr-Lern-Prozesse in den Mittelpunkt. Dies erscheint auch vor dem Hintergrund geboten, dass den Schulbüchern oft mehr Aufmerksamkeit zuteil wird als geschichtsdidaktischen Empfehlungen und Forderungen bzw. den für ihre Approbation als staatliche Lehrmittel zugrundeliegenden normativen Vorgaben in Form der Lehrpläne und weiterer ministerieller Richtlinien.27 Einerseits ist das Schulbuch in der schulischen Unterrichtspraxis ein Lehrbuch für Lehrer*innen und somit das „Drehbuch“ für Unterricht mit Anleitungen für konkrete Unterrichtsumsetzungen, andererseits jedoch auch Lernbuch für Schüler*innen, das durch bestimmte Handlungsaufforderungen Aktivitäten von Lernenden verlangt, die im besten Fall historische Denk- und Lernprozesse initiieren können.28 Lohnend ist es daher zum einen, die Inhalte und Materialien von Geschichtsschulbüchern zu untersuchen, aber auch die Aufgabenstellungen, in denen spezifische Lernmöglichkeiten grundgelegt sind.29 Das Besondere an der geplanten Untersuchung ist, dass es sich nicht um eine exemplarische Analyse einzelner Geschichtsbücher handelt, sondern dass systematisch alle mit dem Schuljahr 2014/15 in Österreich approbierten Schulbücher für die Fächer „Sachunterricht“ (Primarstufe) und „Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“ (sowohl Sekundarstufe I als auch Sekundarstufe II) hinsichtlich ihres Einsatzes von schriftlichen Quellen analysiert werden. Zudem wird abseits der allgemeinen fachdidaktischen Anforderungen an Schulgeschichtsbücher – Untersuchungen dazu liegen zumindest für Deutschland mehrfach vor – auch die Berücksichtigung eines fortschreitenden Lernprozesses im Umgang mit Textquellen untersucht. Derartige umfangreiche Untersuchungen, die sich dem Verlauf innerhalb eines Schulsystems in einer auf fachspezifischen Lernlogiken ausgerichteten Herangehensweise widmen (Querschnittsstudie zur fachspezifischen Progression oder Elementarisierung), liegen derzeit im deutschsprachigen Raum nicht vor. Das Forschungsprojekt nahm sich daher im Rahmen einer quantitativen und qualitativen Analyse folgender Fragen an: 1. Inwiefern hat die curricular verankerte fachspezifische Kompetenzorientierung bzw. der aktuelle Stand geschichtsdidaktischer Forschung in Bezug auf den Umgang mit schriftlichen Quellen Eingang in aktuelle österreichische Schulbücher gefunden? 2. Inwiefern findet sich eine für die Entwicklung historischen Denkens förderliche fachspezifische Lernprogression in der Gestaltung von bzw. im Umgang mit schriftlichen Quellen? Es ist unzweifelhaft, dass die Praxis des Geschichtsunterrichts maßgeblich auch durch die Schulbücher bestimmt wird, und dies nicht nur in den Neuen Mittelschulen, wo teilweise auch ungeprüfte Lehrer*innen unterrichten.30 Dies bedarf letztlich einer empirischen Kontrolle, will die Geschichtsdidaktik nicht im Dunkeln tappen. Empirische Forschung ist somit „konstitutiv für die fachdidaktische Konstruktion schulischer Bildungsprozesse, für ihren konzeptuellen Rahmen wie für ihre adäquate Implementation und Evaluation“31. Die zu erwartenden Ergebnisse der Untersuchung liefern nicht nur ein erstes Maß die Umsetzung fachspezifischer Kompetenzorientierung in österreichischen Schulbüchern betreffend, sondern besitzen darüber hinaus Relevanz für Lehre und Forschung von der Primarstufe bis zum Ende der Sekundarstufe II in Bezug auf eine domänenspezifische Kompetenzorientierung im Sachunterricht bzw. im Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung sowohl in der Praxis als auch in der Aus- bzw. Fort- und Weiterbildung: In der Arbeit geht es um eine Verbesserung der kompetenzorientierten Quellenarbeit in unterschiedlichsten Bereichen, welche Auswirkungen auf theoretischer und praktischer Ebene haben kann. Außerdem können die Arbeitsergebnisse als Grundlage für weitere Forschungsprojekte im Bereich kompetenzorientierten historischen Lernens respektive für eine weitere Verbesserung von Schulbüchern bzw. den reflektierten Umgang mit ihnen dienen. II.2 Forschungsstand zu Textquellen in Schulbüchern
Der für die vorliegende Arbeit relevante Forschungsstand zum Umgang mit Textquellen in Schulbüchern, v. a. Geschichtsschulbüchern, ist überschaubar. Es lassen sich zwar insgesamt einige geschichtsdidaktische Schulbuchanalysen ausmachen, die sich allgemeinen Aspekten von Schulbüchern widmen oder inhaltsbezogen ausgerichtet sind,32 allerdings soll an dieser Stelle kein umfassender Überblick über allgemeine geschichtsdidaktische Schulbuchanalysen gegeben werden – hier sind jedenfalls die Arbeiten von Bodo von Borries und Waltraud Schreiber et al. zu nennen33 –, sondern diejenigen näher beleuchtet werden, die exklusiv auf den Umgang mit Textquellen abzielen. In einer 2013 entstandenen Arbeit an der Universidade do Minho in Braga beschäftigte sich Isabel Afonso u. a. mit Aufgaben zu historischen Quellen aus Geschichtsschulbüchern und den bei 112 Schüler*innen der 10. Schulstufe auftretenden Performanzen historischen Denkens im Rahmen von Quellenanalyse und -auswertung von Quellen zur Bildung im antiken Athen.34 Der Fokus liegt damit also auf der Anbahnung von fachspezifischen Kompetenzen durch Geschichtsschulbücher. In ihrer Untersuchung stellt Afonso fest, dass 15 % der Schüler*innen bei der Interpretation einer Quelle und 16 % bei der Interpretation mehrerer Quellen dazu in der Lage waren, ein umfassendes Verständnis der Quellenbotschaft zu vermitteln und dafür auch fachspezifische Konzepte heranzogen. 27 der 112 Schüler*innen bei Einsatz einer Quelle bzw. 22 Schüler*innen bei Einsatz mehrerer Quellen konnten nur ein anfängliches Verständnis der Quellenbotschaft zeigen und verwendeten kaum historische Konzepte; 13 der 112 Schüler*innen bzw. 22 Schüler*innen im Umgang mit mehreren Quellen gaben gar keine Antwort. 49 % der Schüler*innen bei Einsatz von nur einer Quelle bzw. 45 % der Schüler*innen bei Einsatz mehrerer Quellen zeigten ein angemessenes Verständnis der Quellenbotschaft unter angemessener Verwendung historischer Konzepte.35 Afonso verweist darauf, dass sowohl im Primar- als auch im Sekundarbereich durch Lernaufgaben Fähigkeiten geschult werden müssen, die über die einfache Reproduktion von Informationen hinausgehen, und dass darüber hinaus in diesem Zusammenhang Differenzierungsmöglichkeiten entscheidend sind bzw. dass die multiperspektivische Arbeit mit Quellen eine wesentliche Grundlage historischen Lernens darstellt.36 Speziell zum Umgang mit Textquellen im Rahmen einer explizit geschichtsdidaktisch ausgerichteten kategorialen Geschichtsschulbuchanalyse lassen sich außerdem die Veröffentlichungen von Teilergebnissen der vorliegenden Untersuchung durch den Autor dieser Arbeit nennen. So wurden bereits erste Ergebnisse zum Einsatz von Textquellen in österreichischen Lehrwerken für die Primarstufe vorgestellt, in denen deutlich wurde, dass Textquellen in Sachunterrichtsbüchern im Rahmen des historischen Lernens in der Primarstufe nach wie vor sehr rar sind und diese grosso modo illustrativ eingesetzt werden.37 Mit Fokus auf Perspektivität konnte in einem ausgewählten Untersuchungssample aus dem Korpus der vorliegenden Untersuchung für die Sekundarstufe – zwölf österreichische Geschichtsschulbücher aus drei Reihen, die von der 6. bis zur 12. Schulstufe durchgehend vertreten sind, zu den Untersuchungsabschnitten „Industrialisierung“ und „Zweite Republik Österreich“ – festgestellt werden, dass bei vielen Textquellen essentielle Informationen zu den Quellen, welche eine quellenkritische Herangehensweise erst möglich machen, nur bedingt oder gar nicht mitgeliefert werden,...