Bürger | Krieg im Wald | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 308 Seiten

Bürger Krieg im Wald

Forstfrevel, Wilddiebe und tödliche Konflikte in Südwestfalen
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-7528-0716-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Forstfrevel, Wilddiebe und tödliche Konflikte in Südwestfalen

E-Book, Deutsch, 308 Seiten

ISBN: 978-3-7528-0716-5
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieser Band vermittelt einen geschichtlichen Überblick zu Wilderei und Waldkonflikten in Südwestfalen. Mit "Heimat" verbinden manche Kreise nur wohlige Gefühle, Harmonie und Zusammenhalt. In Wirklichkeit ist aber auch die Geschichte der Kleinräume von Verteilungskämpfen durchzogen. Beim "Krieg im Wald" ging es um Brennholz und Fleisch. Wildschütz-Abenteuer blieben eher die Ausnahme. Weil bei Zusammenstößen stets eine Waffe zuhanden war, mussten immer wieder Menschen ihr Leben lassen. Es gab auf beiden Seiten der "Waldfront" gefährlichen Gruppenzwang und Akteure, die keine Skrupel kannten. Meistens jedoch waren Angst und Panik die Auslöser von tödlichen Schüssen. Zu den Opfern zählten arme Schlucker oder Forstbedienstete, die zumeist auch nicht dem Kreis der Privilegierten angehörten. Auf beiden Seiten wurden Tränen vergossen. Wer den Standort der Menschlichkeit einnimmt, wird jenseits von einseitigen Parteinahmen die Perspektive aller Beteiligten würdigen. Das Buch versammelt Beiträge von Peter Bürger, Werner Neuhaus und Otto Busdorf (1878-1957), sowie das Selbstzeugnis eines "Förstermörders" und literarische Zeugnisse über Wilddiebe des Sauerlandes. Der "Krieg im Wald" wird nicht romantisch verklärt oder moralisiert, sondern als ein Kapitel der regionalen Sozialgeschichte beleuchtet.

Peter Bürger (geb. 1961 in Eslohe) ist katholischer Theologe, freier Publizist und bekennender Weltbürger mit Liebe zu Heimat-Räumen, die den Sinn weiten. Er hat 1987 das Christine-Koch-Mundartarchiv am Museum Eslohe begründet (www.sauerlandmundart.de), erforscht die Sauerländische Mundartliteraturgeschichte - nebst "Leutekultur" - und erschließt durch umfangreiche Editionen plattdeutsche Werke aus Südwestfalen (u.a. die Reihe: Sauerländische Mundart-Anthologie, bislang sieben Bände; Werkausgaben: Anton Joseph Henke, Franz Nolte, Ferdinand Wagener). Zahlreiche Publikationen zur Regional- und Sozialgeschichte des Sauerlandes, insbesondere auch zur Verdrängung der NS-Vergangenheit. Mehrfache Auszeichnungen für 'Verdienste' um das niederdeutsche Kulturgedächtnis (Förderpreis für Westfälische Landeskunde 2010, Johannes-Saß-Preis 2014, Rottendorf-Preis für niederdeutsche Literatur 2016). Weitere Arbeitsfelder: Theologie / Friedenstheologie, Kriegspropaganda und Massenkultur (Bertha-von-Suttner-Preis 2006), Pazifismus in Geschichte und Gegenwart, Antifaschismus, regionale Kirchengeschichte. Zuletzt erschien von ihm: "Hermann Klostermann - Der populärste Wilddieb Westfalens und sein Fortleben in populären Mythen" (2018).
Bürger Krieg im Wald jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


II.
„Der Krieg um den Wald“


Wald und Jagd, Förster und Landbevölkerung
vor, während und nach der Revolution von
1848/49 im nördlichen Sauerland


Die Geschichtsschreibung der Jagd im Sauerland hat sich in der Tradition von Johann Suibert Seibertz und Karl Féaux de Lacroix212 weitgehend auf Jagdrecht und Jagdherren, jagdliches Brauchtum und Wildbestände konzentriert.213 Ohne die Berechtigung dieser Art von Geschichtsschreibung anzugreifen, soll hier ein anderer Zugriff gewählt werden: Es wird versucht, für einen relativ kurzen Zeitraum ein eng umgrenztes Gebiet – die Zeit vor, während und nach der Revolution von 1848/49 im nördlichen kölnischen Sauerland – zu untersuchen und herauszuarbeiten, was sich aus Blickwinkel im Hinblick auf Jagd, Wild und Wald, Förster und Landbevölkerung sagen lässt. Dieser Perspektivwechsel zu einer Konzentration auf Probleme der „kleinen Leute“ und ihre Vorstellungen von Waldnutzung und Jagdrecht verspricht insofern Gewinn bringende Einsichten, als einer der besten Kenner der Materie, der US-amerikanische Historiker Jonathan Sperber, der Meinung ist, die „Waldunruhen (von 1848 seien) die eigentliche Bauernbewegung der Revolution und im Grunde nur der Höhepunkt eines jahrzehntelangen Kampfes um den Wald“214 gewesen. Noch dezidierter formuliert der Agrarhistoriker Werner Rösener in seinem Standardwerk zur Jagdgeschichte: „Die Aufstandsbereitschaft der Bevölkerung wurde am Vorabend der Revolution vor allem durch die ungelöste Jagdfrage angeheizt.“215 Daher ist es notwendig, zunächst knapp die wichtigsten Entwicklungen der sauerländer Wald- und Jagdgeschichte vor dem Ausbruch der Revolution im Frühjahr 1848 zu schildern.

(Repro: Stadtarchiv Arnsberg)

1.
KONFLIKTE UM DIE WALDNUTZUNG IM SAUERLAND
VOR AUSBRUCH DER REVOLUTION VON 1848

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte der hiesige Wald ein völlig anderes Aussehen, als wir dies heute vom typischen sauerländer Wald gewohnt sind. Der Waldhistoriker Bernward Selter zeichnet folgendes Bild:216

Der Wald […] bestand aus wenigen hochstämmigen Buchen und Eichen. Der Boden zwischen ihnen war mit Gras und filzigem Heidekraut überzogen, das oft das einzige Sommerfutter für die hier anzutreffenden Rinder, Schweine, Schafe und sogar Ziegen bot. Die Kraut- und Strauchschicht der sich anschließenden, vornehmlich der Brennholzversorgung dienenden Niederwälder setzte sich in den mit Ginster und anderen Sträuchern bewachsenen Wild- oder Außenländern fort. Letztere [...] lagen nicht selten Jahrzehntelang brach, bevor sie für ein oder zwei Jahre in den Feldbau mit eingebunden wurden. […] Auf nahezu allen Flächen weideten die verschiedensten Sorten des Viehes bis in den Winter hinein und ließen in den mit Samenbäumen bestockten Hudeflächen praktisch kein Jungholz mehr emporkommen.

Dass diese eher negative Einschätzung der Qualität des sauerländer Waldes wohl realistisch ist, soll hier an einigen Beispielen aus Ortsteilen der heutigen Stadt Sundern belegt werden.217 Der in Endorf wohnende Advokat Brockhaus fertigte z.B. im Jahre 1791 einen ausführlichen Bericht über den erbärmlichen Zustand des Endorfer Waldes an, da dieser durch die Privatbesitzer, Köhler und Beilieger fast total verwüstet sei.218 Zur gleichen Zeit berichtete der kurfürstliche Förster Christoph Speckart über die unhaltbaren Zustände in den Waldungen der Seidfelder Mark, die durch häufig widerrechtliche Entnahme von Bau-, Brand- und Kohlholz entstanden waren.219 Über die Hachener Mark meldete Revierforster Dürrfeld , so dass teilweise seien, da die Dorfbewohner das Jungholz so „ruiniert“ hätten, dass könne.220 Auf ähnliche Art und Weise meldete Schultheiß Joseph Egels aus Langscheid dem Forstinspektor Harbert im Jahre 1821 „die Ruinierung der hiesigen Waldung“, da besonders bei den würde, so dass er „für die Zukunft den größten Holzmangel“ vorhersagte.221 Noch drastischer formulierte im gleichen Jahr der Arnsberger Landrat seine Einschätzung der Zustände in den Allendorfer Waldungen gegenüber dem dortigen Schultheißen Gerke:

Schwachholz wurde meistens von Frauen und Kindern gesammelt (Lithographie).

Die Hauungen in dem Gemeindewald der Stadt Allendorf sind erbärmlich, alles Holz liegt durch einander [...]. Diese Gemeinde wird, wenn sie auf ihre alte Art fortführt zu hausen, nach Ablauf einiger Dezennien wegen Holzmangel zu Auswanderungen genötigt seyn, da Marken von 500 bis 600 Morgen ihres Waldes nichts weiter wie Heide produzieren.222

Selbst der Allendorfer Bürgermeister Noelle kam Mitte der 1830er Jahre zu einem ähnlich vernichtenden Urteil, als er in seiner „Chronick der Stadt- und Pfarrgemeinde Allendorf“ festhielt: 223 Auch im Stadtwald von Arnsberg sah es nach einem Bericht des Stadtförsters Schrader aus dem Jahre 1801 wenig erfreulich aus. Die habe den ehemaligen Hochwald inzwischen in . Da Bauholz und Köhlerei ebenfalls riesige Mengen guten Holzes verschlungen hätten, sei worden.224

Zum Abschluss dieser Waldbeschreibungen sei der Bürgermeister Brilons, der waldreichsten Stadt des kölnischen Sauerlandes, zitiert, der im April 1848 festhielt: , wo hätten. Durch die und hätten sich „die Blößen auf Schrecken erregende Weise vermehrt“, da ausgeliefert worden sei.225

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten zunächst hessische, danach preußische Forstbeamte – häufig u.a. durch Anlegung von Fichtenschonungen, die zahlreichen Waldflächen für Staat und Kommunen langfristig profitabel zu machen. Bei den „Musspreußen“ im Rheinland und in Westfalen stieß diese Anpflanzung des „Preußenbaumes“ häufig auf Unverständnis oder sogar erbitterten Widerstand, da die eingehegten, jetzt mit Fichten bepflanzten Areale für die Weide des Viehs sowie Laubsammeln und Plaggenhieb als Streu für das Vieh bzw. zur Verbesserung der Düngung unwiederbringlich verloren waren.

Im Wald wurde auch Streu für das Vieh gesammelt (Zeitgenössisches Gemälde)

Wie erbittert dieser Konflikt ausgetragen wurde, zeigt der Bericht eines sauerländer Oberförsters aus dem Jahre 1821. Danach erschienen mehrere Bauern, „alle mit Hacken und Äxten bewaffnet“, und protestierten gegen die von ihm angeordnete Aufforstung mit Fichten im Sorpetal. Wütend fragten sie, 226

Natürlich ließ sich die großflächige Bepflanzung mit Fichten im Sauerland nicht durch solche Maßnahmen verhindern, und auch das Rösten des von den preußischen Behörden zur Aussaat verteilten Fichtensamens durch die einheimischen Waldbauern konnte den Siegeszug der Fichte nur kurzfristig aufhalten. So wurde z.B. im Arnsberger Stadtwald zunächst gegen den Widerstand des Stadtrates 227 Aber auch dort, wo es diese Fichtenschonungen bald in großer Zahl gab, wurde von einem neuen Phänomen...



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.