Bürger | Oscar Romero, die synodale Kirche und Abgründe des Klerikalismus | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 112 Seiten

Bürger Oscar Romero, die synodale Kirche und Abgründe des Klerikalismus

Zum 40. Todestag des Lebenszeugen aus El Salvador
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-7519-6154-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Zum 40. Todestag des Lebenszeugen aus El Salvador

E-Book, Deutsch, 112 Seiten

ISBN: 978-3-7519-6154-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Aufgeweckte Leute sollten der bürgerlichen Papstschelte dieser Tage nicht allzu leichtfertig folgen und so ungewollt der klerikalen Rechten assistieren. Denn die "Kirche der Armen", die sich mit Franziskus global gegen ein todbringendes Wirtschaftssystem und die Zerstörung der Lebensgrundlagen unserer Gattung wendet, hat den Machtkult der Priesterselbstanbetung schon verabschiedet. Ihr Vorbild heißt: Oscar Romero. Der österliche Aufstand wider die Strukturen des Todes kann ohne durchgreifenden Strukturwandel in der Kirche nicht gelingen. Irrwege sind gleichermaßen: eine "Kirchenreformdebatte ohne Botschaft" und eine Befreiungstheologie für das Leben auf dem Planten ohne radikale Transformationen des kirchlichen Gefüges. Romeros Weg zeugt von erstaunlichen Lernprozessen in kürzester Zeit. Eine vergleichbare Umkehr hin zur "Option wegen der Verzweifelten" und zum Weg der gemeinschaftlichen Beratung müsste sich ereignen in unseren Tagen. Ein wirklicher Heiliger, so heißt es, kann weiterhelfen. Dieses Buch lädt Kirchenreformer*innen, dazu ein, San Oscar Romero zu entdecken als einen Nothelfer und Türöffner ...

Peter Bürger, geb. 1961 in Eslohe (Sauerland), ist Theologe (Studienorte Bonn, Paderborn, Tübingen), examinierter Krankenpfleger und freier Publizist. Er gehört zu den Initiatoren des "Ökumenischen Aufrufs San Oscar Romero 2011". Publik Forum-Bücher: Das Lied der Liebe kennt viele Melodien. Eine befreite Sicht der homosexuellen Liebe (2001/ 2005); Die fromme Revolte - Katholiken brechen auf (2009); zuletzt im Düsseldorfer Verlag onomato: Hörbuch "Oscar Romero" (2018). Mitgliedschaften: Internationale katholische Friedensbewegung pax christi; Solidarische Kirche im Rheinland; dt. Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes (IFOR); Ökumenisches Institut für Friedenstheologie.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


I.


»Das Votum der Armen und die Amtsgnade«

Ein Beitrag zum 40. Todestag Oscar Romeros – auch im Licht der Kirchenreformdiskurse 20201

»Das Volk sprach ihn noch in seiner Todesnacht heilig. Fünf Stunden nach dem Mord ging ich auf die Straße, es war die einsamste Nacht, die ich je erlebt habe. Plötzlich hörte ich einen Ruf. ›Ist es wahr, dass sie den Heiligen getötet haben?‹ Es waren Obdachlose. Es war das erste Mal, dass ich von Romero als Heiligem sprechen hörte. Sie baten, den Leichnam berühren zu dürfen. Der Vikar erlaubte es, und ein paar berührten seine Füße und gingen glücklich wieder.«2

(

Die Kirche der Reichen, die es aus dogmatischer Sicht natürlich gar nicht geben darf, ist eine sehr weltliche – historische und soziologische – Realität. In diesem Gefüge sind »Heilige« seit jeher sakrale . Ihre Kanonisation dient im Modus des Habens zur Absicherung der Priesterselbstanbetung und zur Zähmung von frommen Revolten. Die Hierarchie erhob Franz von Assisi 1228, kaum zwei Jahre nach seinem Tod, zur »Ehre der Altäre«, um das Charisma seiner Bewegung zu kontrollieren und die durch den »Poverello« aufgedeckten Strukturen der Entfremdung vom Evangelium zu verschleiern.

Das »Santo subito« direkt nach der Ermordung des Märtyrers Oscar Romero am 24. März 1980 wurde indessen ausgerufen durch die Armen Lateinamerikas und eine universale Kirche von unten. Das Lebenszeugnis des salvadorianischen Bischofs erwies sich als Quelle von Ermutigung, Inspiration und Dankbarkeit auf dem ganzen Erdkreis. (Diese grenzüberschreitende »Wirkungsgeschichte« Romeros ist gewiss eher als Wunder der Beglaubigung zu verstehen als etwa jene medizinischen Heilungsvorgänge, die in Dekreten des Vatikans als Durchbrechung von sogenannten Naturgesetzen gedeutet werden.) Gerade auch in den »reichen Ländern« beriefen sich ab 1980 Initiativen und Netzwerke im Widerstand gegen die Religion des Neoliberalismus auf den neuen Heiligen.3 Dieses globale Geschehen einer Kanonisation von unten ist einzigartig in der gesamten neueren Kirchengeschichte.

2008, als der Name Oscar Romeros längst Eingang gefunden hatte in den Festkalender von Anglikanern, Altkatholikinnen, Lutheranern und Basisgemeinden, ließ der Vatikan noch immer verlauten, es bestünden gravierende Zweifel, ob ein Martyrium vorliegt. Die Kreise der Mächtigen der kirchlichen Hierarchie, die Romero schon zu Lebzeiten bedrängt hatten, blockierten anhaltend das amtliche Kanonisationsverfahren und ließen sich hierfür immer wieder neue Gründe einfallen. Dieser Vorgang ist Teil eines größeren Komplexes: Jahrzehnte lang blieben bedeutsame Früchte des letzten Konzils, wie sie sich im lateinamerikanischen Aufbruch hin zu einer Kirche der Armen zeigten, in der Leitungsebene der Weltkirche ausgeblendet.4

Johannes Paul II. hat gleichwohl jene Marktmechanismen, die den Egoismus prämieren und der Profitgier immer neue Nahrung geben, in Anlehnung an die unter seinem Pontifikat besonders durch Joseph Ratzinger gemaßregelte Theologie der Befreiung als »« bezeichnet; hinter den entsprechenden Entscheidungen in Ökonomie und Politik würden sich »« verbergen (Sollicitudo rei socialis, 1987). In der Enzyklika ›Centesimus annus‹ (1991) konstatierte er, »dass sich eine radikale kapitalistische Ideologie breit macht, die [...] ihre Lösung in einem blinden Glauben der freien Entfaltung der Marktkräfte überlässt«. 1999 verurteilte dieser Papst in seiner Neujahrsbotschaft eine »bösartige« Ideologie, bei der »Nationen und Völker das Recht auf eine Beteiligung an den Entscheidungen, die ihre Lebensweise oft so grundlegend verändern«, verlieren. Ihre Hoffnungen würden »grausam zerstört« durch eine Marktordnung, in der »politische und finanzielle Macht konzentriert sind«, während die Finanzmärkte unberechenbar fluktuieren.

Ein Zusammenbruch der Finanzmärkte folgte im Jahr 2008. Doch in seiner Sozialenzyklika »« (2009) erreichte der deutsche Papst Benedikt XVI. (J. Ratzinger) wenig später noch nicht einmal ansatzweise das Niveau der eher moderaten Kapitalismus-Kritik seines Vorgängers. Die Prioritäten des letzten Pontifikates 2005 – 2013 ließen gar keinen Raum mehr für die Hoffnung, die römische Weltkirche könne einen gewichtigen Beitrag leisten zur Demaskierung der »Strukturen des Todes«, die die gesamte menschliche Zivilisation bedrohen. Die im Eilverfahren angesetzte Seligsprechung von Johannes Paul II. erweckte 2011 den Eindruck, es solle im Zuge einer kirchenpolitischen Strategie nicht zuletzt auch eine Ära des autoritären Zentralismus verherrlicht werden.5 In diesem Fall wurden – ganz anders als bei Oscar Romero – Bedenken schnell vom Tisch gewischt, obwohl sie einen Bereich betrafen, der in einigen Ländern förmlich eine Pulverisierung der Kirche in Gang gesetzt hat: Die Seligsprechung von Karol Wojtila passte in den Augen vieler Kritiker nicht zur bekanntgewordenen päpstlichen Protektion des mexikanischen Ordensgründers Marcial Maciel (1920-2008), dessen finanzstarke »Legionäre Christi« ab 1941 zu den schlimmsten Orten der seelischen und sexuellen Gewalt in der Kirche gehörten.

Genau zu diesem Zeitpunkt baten von Deutschland aus die 1981 gegründete ›Christliche Initiative Oscar Romero (CIR)‹, die Ökumenische ›Initiative Kirche von unten‹ (IKvu), die Bewegung ›Wir sind Kirche‹ und weitere Netzwerke um internationale Unterstützung für folgenden Aufruf6:

»Liebe Schwestern und Brüder in der Ökumene, mit diesem Aufruf bitten wir Euch, am 1. Mai 2011 der Heiligsprechung des Märtyrers San Oscar Romero durch die Armen Lateinamerikas und durch Freundinnen und Freunde Jesu auf dem ganzen Erdkreis zu gedenken. Dieses Gedenken soll uns Ermutigung auf dem Weg des Evangeliums sein und zugleich als Umkehrruf in den Kirchen der Reichen gehört werden. Sehr bald nach seiner Ernennung zum Erzbischof von San Salvador wurde der konservative Seelsorger Oscar Arnulfo Romero 1977 mit der blutigen Christenverfolgung in El Salvador konfrontiert. Die Tränen an den Särgen von ermordeten Katechetinnen, Messdienern und Priestern ließen ihn zum unerschrockenen Bischof an der Seite der Kleinen, Geschundenen und Verfolgten werden. Seit dieser Zeit hatte er das Regime seines Landes, den Sicherheitsberater des US-Präsidenten und mächtige Kardinäle der römischen Kurie gegen sich. Im Frühjahr 1979 fand Bischof Romero bei Papst Johannes Paul II. weder Gehör noch Unterstützung in seinen Bedrängnissen. Mit tiefer Enttäuschung sagte er: Johannes Paul II. hatte das Foto eines kurz zuvor ermordeten indigenen Priesters sowie andere Dokumente zur Christenverfolgung durch die Handlanger der Reichen gar nicht beachtet und stattdessen nur zur Harmonie mit der salvadorianischen Regierung ermahnt. Im Wissen um die eigene Gefährdung hat San Romero de América seine Stimme gegen das Unrecht erhoben, Politiker des Regimes exkommuniziert und den Widerstand an die Gewaltlosigkeit Jesu von Nazareth erinnert. Nach einem der zahllosen Morde an Christen predigte er: Da jeder Mensch ein Kind und lebendiges Gleichnis Gottes ist, war für San Oscar Romero Gottesdienst untrennbar verknüpft mit der unerschrockenen Verteidigung der menschlichen Würde. An die Auftragsmörder und Handlanger der Junta richtete er die Worte: Einen Tag vor seiner eigenen Ermordung am 24. März 1980 forderte er die Soldaten öffentlich zur Befehlsverweigerung auf: Die Kugel eines Auftragsmörders traf ihn während der Feier der Danksagung am Altar. Die von unten erfolgte Heiligsprechung von San Oscar Romero ist keine Anmaßung. Wir wissen, dass nur Gott in das Herz eines Menschen schauen kann und es uns nur bruchstückhaft möglich ist, mit Gottes Augen neu sehen zu lernen. Doch diese ›Beatifikation‹ ohne ein teures Verfahren von Kirchenbehörden verbreitet eine frohe Kunde unter dem Wehen des Gottesgeistes: Das Beispiel unseres Bruders San Oscar Romero zeigt uns, wie schön und mutig wir Menschen werden können, wenn wir beginnen,...



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