Bulwer-Lytton | Die Pilger des Rheins | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 269 Seiten

Bulwer-Lytton Die Pilger des Rheins


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-0535-3
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 269 Seiten

ISBN: 978-3-8496-0535-3
Verlag: Jazzybee Verlag
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Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten Reisen den Rhein hinauf oder hinab zum 'Must Have' der Deutschland bereisenden Engländer. Bulwer-Lytton verwebt in seinem Roman diese Reiseeindrücke mit den regionalen Liedern und Märchen.

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Rotterdam. – Charakter der Holländer. –Ihre Aehnlichkeit mit den Deutschen. – Ein Streit zwischen Vane und Trevylyan in der Weise der alten Romandichter, ob ein thätiges oder ein ruhiges Leben den Vorzug verdiene. – Trevylyan hebt die Gegensätze in der Ehrbegierde eines Schriftstellers gegen diejenigen eines Staatsmannes hervor. – Ein Kapitel, das blos diejenigen verzeihen werden, die den Rasselas unterhaltend finden.

Unsere Reisenden langten an einem hellen, sonnigen Tag in Rotterdam an. In dem Treiben einer Handelsstadt liegt etwas Aufheiterndes – ein Leben, eine Geschäftigkeit, eine Thatkraft, die beim ersten Anblick das Gemüth stets aufregen. Später ermüden sie uns; wir gerathen zu bald hinter die Scene und entdecken die niedern, unruhigen Leidenschaften, welche die Drähte bewegen und das Spiel leiten.

Gertrud jedoch, in welcher der Krankheitskeim die Empfänglichkeit für neue Eindrücke nicht geschwächt hatte, war über das lustige Schauspiel um sich her erfreut. Leicht lehnte sie sich auf Trevylyans Arm, und mit augenblicklicher Vergessung seines Kummers hörte er auf ihre Fragen, ihren Verwunderungsruf in dem regen Gewimmel der Stadt, von welcher ihre Pilgerfahrt den Rhein hinauf beginnen sollte. Und wirklich sprach der Ort ganz den Geist eines Volkes aus, das zugleich so thätig und so phlegmatisch – so verwegen zur See, so vorsichtig zu Land ist. Allenthalben lebendige Betriebsamkeit: die Schiffe im Hafen, – das Boot, das mit Menschen angehäuft ans Land stieß, – das Gedräng auf dem Kai – Alles sah geschäftig und deutete an, daß man sich in einer Handelswelt befinde. Die Stadt selbst, auf welche der Himmel durch lichte flockige Wölkchen herabschaute, bot einen heitern Anblick. Gegen sie, wie gegen das Gewässer bildeten die über die reinlichen, schmucken Häuser emporragende Lorenzkirche, und am Ufer die dichten grünen Bäume einen heitern Gegensatz.

»Es gefällt mir an diesem Ort,« bemerkte Gertruds Vater ruhig: »er hat ein Ansehen von Behaglichkeit.«

»Und einen Mangel an Großartigkeit,« entgegnete Trevylyan.

»Ein Handelsvolk bildet nach Sitten und Gemüthsart eine einzige Mittelklasse,« gab ihm Vane zurück; »Großartigkeit aber deutet immer auf Extreme, – auf ein verarmtes Volk und einen reichen Despoten.«

Sie besahen die Bildsäule des Erasmus und das Haus, wo er geboren worden. Vane empfand eine gewisse Bewunderung für Erasmus, die seine Gefährten nicht theilten; die ruhige Ironie des Weisen und seine Kenntniß der Welt gefielen ihm; überdies stand er in jenem Lebensalter, wo Philosophen Gegenstände unseres Interesses werden. Zuerst sind sie unsere Lehrer, nachher unsere Freunde, und nur Wenige langen auf dem dritten Standpunkt an, wo man sie als – Täuscher erfindet. Die Holländer sind ein seltsames Volk; ihre schöne Literatur ist vernachlässigt, aber sie hat in ihren Grundzügen etwas von deutscher Ader: die Geduld, die Gelehrsamkeit, das Hervorheben der gemeinen Wirklichkeit und selbst einige Spuren jener Mischung des Launigen mit dem Schrecklichen, aus welcher der ausgezeichnete Hang der Deutschen für das Groteske hervorgeht; – man sieht Dies an den holländischen Mährchen und Geistergeschichten. Aber die Thätigkeit der Holländer hemmt den Sinn für das Romantische wieder, den die Unthätigkeit der Deutschen nährt und pflegt.

Die Reisenden verweilten ein paar Tage in Rotterdam, und fuhren dann den Rhein hinauf nach Gorkum. Die Ufer waren flach und schal; nichts konnte die Vorstellung von der ursprünglichen Majestät des großen Stroms weniger erregen, als dieser Theil seiner Bahn.

»Nie empfand ich früher,« lispelte Gertrud zärtlich, »welcher Trost in Deiner Nähe liegt, denn hier bin ich endlich am Rhein, am blauen Rhein, und wie getäuscht würde ich mich fühlen, wärest Du nicht bei mir.«

»Du mußt warten, meine Gertrud, bis wir Köln hinter uns haben; erst dann brechen die Herrlichkeiten des Rheins über Dich herein.«

»Ein Gegensatz des Lebens, mein Kind!« bemerkte der moralisirende Vane; »anfangs fließt der Strom dumpf dahin, und spart seine Poesie unserer Beharrlichkeit auf.«

»Ich gebe Ihre Ansicht nicht zu,« erwiederte Trevylyan, in welchem sich die emporstrebende Glut seines ursprünglichen Wesens regte. – »Das Leben bietet immer Stoff zur Thätigkeit, und es ist unser eigener Fehler, wenn es je dumpf erscheint. Die Jugend hat ihren frischen unternehmungslustigen Sinn, die Mannheit ihre bedächtigen Entwürfe, und selbst wenn Gebrechlichkeit den Greis beschleicht, triumphirt der Geist noch über die sterbliche Scholle und hält in der ruhigen Einsiedelei, unter Büchern und durch Gedanken das große Rad im Innern in beständiger Bewegung. Nein, die bessern Gemüther haben stets ein Gegengift gegen die Stumpfheit einer gemeinen Laufbahn; immer steht ihnen Energie zu Gebot – –.«

»Und nie Glückseligkeit,« entgegnete Vane nach einer Pause, indem er auf Trevylyans stolzes Gesicht mit jener ruhigen, halb mitleidigen Theilnahme eines Mannes blickte, der in der Schule trauriger, auf ein leidenschaftloses Herz einwirkender Erfahrungen gebildet wurde: »und wirklich, Trevylyan, es wäre eine Befriedigung für mich, wenn ich Ihnen nachweisen könnte, wie verkehrt es ist, die Ausübung der Energie, von welcher Sie reden, der goldenen Schwelgerei der Ruhe vorzuziehen. – Welches Streben bringt je einen entsprechenden Lohn? Das Streben des Literaten – der Wunsch nach geistiger Auszeichnung einmal gewiß nicht.«

»Da haben Sie recht,« antwortete Trevylyan gelassen. »Diesem Traum hab auch ich längst entsagt: im Ruhm des Schriftstellers liegt nichts, das wahren Nachhalt hätte; kaum daß er etwa den Eiteln befriedigt, – den Stolzen widert er gewiß an. In frühern Jahren versuchte ich mich in einigen Werken, die mir eintrugen was die Welt, vielleicht nicht mit Unrecht, für einen hinreichenden Abwurf an Berühmtheit hielt; allein er reichte nicht hin, mich für die frischen Stunden, die ich verbraucht, für die Freuden, die ich geopfert, zu belohnen. Die feineren Beziehungen, die mich geleitet, wurden nicht bemerkt; die Gedanken, die mir neu und schön vorgekommen, fielen stumpf und klanglos auf die Seelen der Andern; Beifall erhielt ich oft grad um dessentwillen, was ich selbst verdammte, und ich fand, daß breit getretene Gemeinplätze und falscher Witz entzückten, während Wahrheit ermüdete und Begeisterung zurückstieß. Für Männer von einem Geist, auf welchen ich keine Ansprüche mache, die im heiligen Dunkel ihrer eigenen Gedanken lebten, und das Aug' auf Sterne richteten, welche für die dumpfen Schläfer der Welt nicht herabglänzen, muß es eine bittere Kränkung seyn, wenn sie das Erzeugniß ihrer Mühen unter die Arbeiten einer stehenden Profession geworfen, und im Urtheil der Menschen mit den Fehlern oder Verdiensten einer Zunft zusammengestellt finden. Jeder große Geist muß sich in seinen Schöpfungen für urkräftig und gefährtenlos ansehen; es ist nicht genug für ihn, daß diese Schöpfungen als gelungen ausgerufen werden; es muß auch anerkannt seyn, daß sie aus ihm selbst entsprungen sind; nimmer darf man ihn mit der Heerde verwechseln, die er flieht, und muß ihn seinem Ruhm nach eben so von Jenen trennen, wie er seinem Gemüth nach von ihnen getrennt ist. Ein Franzose, das Orakel seines Kreises, sagte vom Dichter der Phädra: »Racine und die übrigen Nachahmer Corneilles,« und in seiner Wuth darüber verschwor Racine beinah' die Tragödie auf immer. Umsonst ruft man dem Schriftsteller zu, das Publikum sey Richter über seine Werke. Der Schriftsteller glaubt sich selbst über dem Publikum, oder er würde nie geschrieben haben; und« fuhr Trevylyan mit Wärme fort, »er steht auch wirklich über dem Publikum; der Richterspruch des Publikums kann seinen Ruf, aber nie seine Selbstachtung erdrücken. Allein und stolz steht er unter den Trümmern des Tempels, den er für die Zukunft aufzuführen glaubte, und vergilt Unbeachtung durch Verachtung. Ist aber ein Leben der Verachtung ein angenehmer Zustand? eine Existenz, der man nachstreben wird? Wiegt selbst der augenblickliche Ruhm Jahre der Demüthigung auf? Und was liegt in einem literarischen Ruf Wirkliches und Nachhaltiges für den Besitzer? Sein Werk ist ein ins Meer geworfener Kiesel, die Bewegung dauert eine Minute fort, dann glättet sich das Wasser wieder, um fortan unempfänglich für jenen Eindruck zu bleiben. Mag sich auch der Kreis zu andern Ländern und in andere Zeiten hinüber ausweiten: in der unmittelbaren Umgebung bleibt er schwach und unbemerkt. Kleinigkeiten des Tags, niedere Politik, gemeine Intriken beschäftigen die Zunge und füllen die Köpfe der Zeitgenossen; von einem Marktschreier, von einem neuen Tänzer ist mehr die Rede, als von dem Schriftsteller; sein Ruhm kommt ihm nicht zu Statten, er bringt ihm keinen schnell erfolgenden, keinen beständigen Lohn wie der Beifall, der dem Schauspieler oder den schauspielermäßigen Mimen im Senat zu Theil wird. Solche Kränkung erniedrigt ihn dann; seine hohe Natur gibt sich allgemach einer unedeln Eifersucht, einer Abgeneigtheit gegen die Bewunderung fremder Vorzüge hin. Goldsmith wird in...



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