Bulwer-Lytton | Godolphin | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 399 Seiten

Bulwer-Lytton Godolphin


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-0534-6
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 399 Seiten

ISBN: 978-3-8496-0534-6
Verlag: Jazzybee Verlag
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Godolphin war die erste in einer Reihe von exzellenten Novellen mit okkulten Themen und entstand im Jahr 1833.

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Siebenzehntes Kapitel.



Konstanze in der Toilette. – Ihre Gefühle. – Beschreibung ihrer Schönheit. – Der Ball. – Die Herzogin von Winstoun und ihre Tochter. – Eine Folgerung aus der Natur weiblicher Nebenbuhlerschaft. – Eifersucht eines Liebhabers. – Aristokratische Anmaßung zurückgewiesen. – Das Lauschen an der Wand. – Bemerkungen über das Vergnügen einer öffentlichen Versammlung. – Das Abendessen. – Die Falschheit scheinbarer Munterkeit. – Verschiedene neue und wahre Bemerkungen. – Was zwischen Godolphin und Konstanze vorgeht.

Es war am Abend des Balles, der Lord Erpingham's Ankunft zu Ehren gegeben wurde. Konstanze, geschmückt zu Eroberungen, saß allein in ihrem Ankleidezimmer. Ihr Kammermädchen hatte sie so eben verlassen. Eine Menge Lichter warfen ein verschwenderisches Licht auf das antike Zimmer (es war in dem ältesten Theile des Schlosses gelegen), und erleuchteten die hohe Stirn und die vollendeten Züge der Miß Vernon. Als sie sich in ihren Sessel zurücklehnte, ihr Elfenfüßchen auf das niedrige, Gothische Tabouret gestützt, die Arme nachlässig herabhängend, verrieth ihr Gesicht ein tiefes, obwohl nicht heiteres Sinnen, und einen Ausdruck von Unentschlossenheit und wahrer Trauer.

Man muß, wie ich bereits angedeutet habe, nicht glauben, daß Konstanzens Loos, ob sie gleich für die bewundertste Schönheit ihrer Zeit galt, ein glückliches war. Sie lebte allerdings mit den Edlen und Mächtigen des Landes, und wurde von ihnen hofirt, trotzdem aber entgingen ihrem durch Stolz und Eifersucht geschärften Ohre die Worte nicht, welche oft mitten aus der glänzenden Menge, die sie an sich zog, den Becher ihres Vergnügens und ihrer Eitelkeit mit Schaam und Ärger verbitterten. Wie! des Vernon's Tochter? Das arme Ding! Sie hängt ganz von Lady Erpingham ab! O! Ich denke, sie wird irgend einen reichen Bürger erschnappen.

Solche von übellaunigen Müttern und verwelkten Schönheiten hingeworfene Worte unterbrachen nicht selten ihre kurzen und ermüdenden Triumphe. Sie hörte intrigante Mütter ihre pinselhaften Söhne, die Konstanze in den Staub geblitzt hätte, hätten sie nur ihre Hand zu berühren gewagt, gegen ihre titel- und mittellosen Reize warnen. Sie sah, wie vorsichtige Earls, die heute ganz Zuvorkommenheit und morgen ganz Kälte waren, je nachdem sie irgend etwas vernommen hatten, ihren Herzen vorwarfen, daß sie sich zu sehr von ihrem Zauber hinreißen ließen; wie sie sich selbst zum erstenmal zweifelhaft fragten, ob ein Herz wirklich etwas mehr, als ein Wort für eine poetische Faktion sey, und wie sie sich wunderten, daß ein Blick auf eine so herrliche Schönheit sie zu dem Glauben an die Möglichkeit einer Gemüthsbewegung bringen könnte. Sie war tief verletzt worden von dem herablassenden Patronisiren der Herzoginnen und Chaperons, von den verstockten Winken, wie von den anmuthigen Unterscheidungen, welche in den feinen Zirkeln einen Rang von dem andern sondern und einen erbitterten, ohne daß man das Vergnügen hat, sich davon beleidigt halten zu dürfen.

Alles dies, was in der Blüthe, Lust und Fröhlichkeit der Jugend bei jedem andern Weibe unbeachtet vorübergegangen wäre, nagte tief an dem Herzen von Konstanze Vernon. Das Bild ihres sterbenden Vaters, seine Beschwerden, seine Anklagen, deren Gerechtigkeit sie nicht einen Augenblick bezweifelte, stiegen mitten in den glänzendsten Stunden des Tages und des Weltlebens in ihrer Seele auf. Sie gehörte nicht zu den Frauen, deren weiche, sanfte Natur flieht, was sie verwundet: Konstanze war entschlossen zu siegen. Voll Geringschätzung gegen Glanz, Schein und Fröhlichkeit, durstete, schmachtete sie nach nichts, als nach Macht, nach einer Macht, durch die sie für die Kränkungen, von welchen sie getroffen zu seyn glaubte, sich rächen und die Herablassung der Großen zu Huldigungen verkehren konnte. Dieser Zweck, den jedes zufällige Wort, jeder arglose Blick eines Fremden tiefer und tiefer in ihr Herz brannte, erhielt eine Art von heiliger Weihe durch die Beziehung, in welche sie ihn brachte, durch ihres Vaters Andenken und seinen Todeshauch.

In diesem Augenblick arbeiteten alle diese bittern, stolzen Gefühle in ihrer Brust, aber sie wurden bekämpft durch Einen süßen und zarten Gedanken, durch das Bild Godolphin's, des verschwenderischen Erben eines zertrümmerten Vermögens und eines gesunkenen Hauses. Sie fühlte es nur zu tief, daß sie ihn liebte, und glaubte, unbekannt mit seinen weltlicheren Eigenschaften, daß er sie mit aller der schwärmerischen Hingebung und der Glut des Genius liebe, welche ihr als das Wesen seines Karakters erschien. Aber diese Überzeugung erregte trotzdem jetzt in ihr keine freudige Stimmung. In der Überzeugung, daß sie ihn zurückweisen müsse, gab sein Bild den Gegenständen und dem Ehrgeize, auf welche sie bis jetzt mit stolzer Lust geblickt hatte, nur eine trübe Färbung. Sie war darum nicht weniger an die großen Träume ihres Geschicks gefesselt, aber der Ruhm und die Täuschung waren erloschen. Sie hatte einen Blick in die Zukunft gethan, und fühlte, daß der Genuß der Macht der Verlust des Glückes sey. Und doch, trotz dieser Überzeugung, gab sie das Glück auf, und klammerte sich an die Macht. Ach, was sind unsere besten und weisesten Theorien, unsere Probleme, unsere Systeme, unsere Philosophie! Die Menschen werden nie aufhören, die Mittel mit dem Zweck zu verwechseln, und, trotz der Lehren der Weisen, ihr Benehmen nicht nach ihrer Überzeugung bestimmen.

Wagen auf Wagen rollten unter den Fenstern des Zimmers vorüber, in welchem Konstanze saß, und noch immer rührte sie sich nicht, bis sich endlich eine gewisse Ruhe, wie das Resultat eines plötzlichen Entschlusses, über ihr Gesicht legte. Ihre Wangen rötheten sich wieder, und als sie sich erhob und aufrecht stand mit einer gewissen Ruhe und Energie auf Stirn und Lippe, glänzte ihre Schönheit in einer vielleicht noch nie erreichten Erhabenheit. Indem sie durch das Zimmer schritt, stand sie einen Augenblick vor dem Spiegel still, der ihre herrliche Gestalt in voller Größe zurückstrahlte. Schönheit ist so ganz die Waffe der Frauen, daß sie, selbst im Kummer, ihre Wirkung nicht ganz übersehen können, so wenig wie der sterbende Krieger das Schwert mit Gleichgültigkeit betrachten kann, das ihm Ruhm und Trophäen errungen hat. Auch war Konstanze an diesem Abend gar nicht geneigt, gegen den Effekt, den sie hervorbringen konnte, gleichgültig zu seyn. Sie blickte auf ihr Bild mit einem Triumph, der nicht bloß aus Eitelkeit entsprang.

Und welches Glas hat je eine Gestalt zurückgespiegelt, die würdiger gewesen wäre, von einem Perikles verehrt, von einem Apelles gemalt zu werden? Konstanze schien größer, als sie wirklich war. Eine gewisse majesthätische Haltung des Kopfes, der Fall der Schultern, die Breite der Stirn und die außerordentliche Ruhe der Züge gaben ihr ein Aussehen, welche niemand außer ihr erreicht hat, und welches nur die Pasta, wäre sie eine Schönheit gewesen, hätte erlangen können. In dieser Majestät lag nichts Hartes oder Sprödes. Wie viel Männlichkeit auch Konstanze in ihrem Karakter ererbt haben mochte, in ihrem Äußern zeigte sich nichts, was nicht durchaus weiblich war. Ihr Bau war von der Fülle, welche durch jene Frische, die eine müßige Vollkommenheit der Verhältnisse immer den Frauen verleiht, die Erhaltung der Schönheit noch für ein späteres Alter verspricht. Ihre Arme und Hände waren und sind bis heute, eben der Seltenheit wegen, von einer um so auffallendern Schönheit. Nichts ist in Europa ungewöhnlicher, als ein durch Form und Farbe wahrhaft schöner Arm. Man gehe in eine noch so aristokratische Gesellschaft, und man wird nichts als vorstehende Knochen, eckige Ellenbogen, oder eine rothe Haut unter der Hülle jener bauschigen Ärmel sehen, die fast eben so garstig sind. Zur Zeit, von der hier die Rede ist, trug man jene Ärmel noch nicht, und der weiße, runde, blendende, fast bis zur Schulter nackte Arm war von glänzenden Edelsteinen umschlossen, die durch die natürliche Schönheit noch gehoben wurden. Ihr Haar war vom üppigsten, dunkelsten Schwarz, und nach einer damals ungewöhnlichen, obgleich nicht bizarren Weise geordnet, die jetzt von den gemeinsten Gesichtern angenommen ist, obgleich sie sich doch nur für die höchste Schönheit eignet, ich meine jene einfache und klassische Mode, welcher die Franzosen den Namen der Calypso gegeben haben, welcher aber nach meiner Ansicht eben sowohl für eine Göttin der Weisheit, als der Wollust paßt. Ihre langen Augenlieder, die dunklen, und doch zart gezeichneten Brauen erhöhten die Beredsamkeit der blauen Augen und den Ausdruck des Griechischen Profils. Fügen wir den gewölbten Mund hinzu, den hohen Hals, den schlanken Wuchs, einen Fuß, dessen geringste Schönheit seine Kleinheit war, so steht Konstanze Vernon vor uns.

Sie ging in ihrer ruhigen, stolzen Weise aus diesem Zimmer in ein anderes, wo sie sich gewöhnlich aufhielt, wenn sie nicht bei Lady Erpingham war. Dort hatte Godolphin mit der Ungezwungenheit der fremden Sitte, und mit der ehrfurchtsvollen, ritterlichen Freiheit seines Benehmens sie oft aufgesucht und sie manche Augenblicke von andern Gesellschaften zurückgehalten, bald einen Vorwand in den Büchern, welche auf dem Tische umherlagen, bald in der Musik, bald in der waldigen Gegend suchend, welche man aus jenen Fenstern im herbstlichen Mondenlichte schwimmen sah. Als diese Erinnerung sie überkam, schwankten ihre Füße, und ihr Gesicht erbleichte; sie blieb einen Augenblick stehen, warf einen schmerzlichen Blick umher, aber riß...



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