Burkhardt | Erneuerung der Kirche | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 264 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm

Burkhardt Erneuerung der Kirche

Impulse von Martin Luther und John Wesley für die Gemeindeentwicklung

E-Book, Deutsch, 264 Seiten, Format (B × H): 155 mm x 230 mm

ISBN: 978-3-374-05869-3
Verlag: Evangelische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In aktuellen Kirchenreformbemühungen wird auf Luthers Konzept von Gemeinde und seine Rezeption im Pietismus verwiesen. Unbeachtet blieb bisher die angelsächsische Wirkungsgeschichte. Das Buch untersucht Luthers Vorstellung von Gemeinde, Gottesdienst und Gemeinschaft mit Wesleys Gemeinschaftsmodell und liefert neue Impulse für die Gemeindeentwicklung in der Gegenwart. Dabei kommt es zu einer zweifachen Begegnung zwischen kontinentaleuropäischem und angelsächsischem Protestantismus: zum einen in ökumenischer Hinsicht durch gemeinsame Grundsätze kirchlicher Erneuerung bei Luther und Wesley, zum anderen im Dialog zwischen Kirchentheorien der deutschsprachigen akademischen Tradition mit einer Kirchentheorie der Emerging-Church-Bewegung zu Fragen kirchlicher Reformen in der Postmoderne.

[Church Renewal. Impulses for Congregation Development from Martin Luther and John Wesley]
The current efforts towards church reform often refer to Luther’s concept of congregation and its reception in pietism. Its Anglo-Saxon history of reception has remained unnoticed so far. The book explores Luther’s concept of congregation, worship and community along with Wesley’s community model and gives new impulses for congregation development today. This leads to two encounters between continental-European and Anglo-Saxon Protestantism: one is ecumenical because of the common principles of church renewal held by Luther and Wesley, the other is a dialogue between church theories of the German-speaking academic
tradition and the church theory of the Emerging Church Movement on issues of church reform in an era of postmodernism.
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Kapitel 1: Thematischer Horizont
Martin Luther beschrieb 1526 in der Vorrede zur Deutschen Messe sein »eigentliches Gemeindeideal […] und zugleich seine nüchterne Einsicht, wie weit man davon einstweilen noch entfernt war«.1 Seine Vorstellung über die Erneuerung der Kirche bei der Umbildung katholischer Gemeinden in evangelische sah zwei aufeinander folgende Phasen vor: Die vorrangige Herausforderung lag in Maßnahmen zur Hebung der allgemeinen Volksfrömmigkeit durch eine lateinische Messe zur Sprachförderung der Schuljugend2 und durch ansprechendere Sonntagsgottesdienste mittels einer deutschen Liturgie, die es ermöglichte, das einfache Volk besser »zum glauben zu rufen und zu reytzen«.3 Wenn diese Mittel Wirkung zeigten und »die Christen, so mit ernst das Wort meynen, sich selbst finden und anhalten«,4 sollte gleichsam in einem zweiten Schritt mit der Bildung von speziellen Gemeindegruppen innerhalb der volkskirchlichen Strukturen begonnen werden, die Luther als »die dritte weyse, die rechte art der Euangelischen ordnunge« bezeichnete, und die den angefangenen Weg der kirchlichen Neugestaltung als eine innerkirchliche Revitalisierung weiterführen sollten. Auch wenn Luther damals den Zeitpunkt für die Einführung und den Aufbau einer solchen Gemeindegruppenstruktur noch nicht für gekommen hielt,5 hatte er ein recht konkretes Bild von der Gestalt einer Gemeinde für die kirchliche Erneuerung entworfen, das er auch in späteren Jahren noch aufgriff.6 wurde in der Folgezeit von verschiedener Seite aufgenommen und führte zu etlichen – auch separatistischen – Experimenten christlicher Gemeinschaftsbildung.8 Was Luther in seiner Zeit noch fraglich schien und ihn von der Verwirklichung dieser Gemeindegruppen abhielt, hatte 150 Jahre später bei Philipp Jacob Spener (1635–1705) durch die gelungene Einrichtung eines collegium pietatis in Frankfurt seine Evidenz erwiesen. 1675 griff er in seiner Reformschrift Pia Desideria Luthers Idee aus der Vorrede zur Deutschen Messe auf und entwickelte daraus einen eigenen Realisierungsvorschlag mit der Absicht, die Willigen zu sammeln und zu fördern, anstatt weiter mit der lutherischen Orthodoxie auf eine Intensivierung der Kirchenzucht gegenüber den Unwilligen zu setzen.9 Noch im selben Jahr belegte Spener diese Reformidee mit dem Begriff ecclesiola-in-ecclesia und profilierte sie damit als ein Programm innerkirchlicher Erneuerung im Gegensatz zu ecclesiola-Konzepten, die von der Kirche separierten.10 Dass Speners ecclesiola in ecclesia-Begriff als Grundprinzip des kirchlichen Pietismus lutherischer Provenienz mehr beinhaltete als Konventikelbildung, zeigt die Rezeption bei August Hermann Francke (1663–1727) mit dem von dort ausgehenden preußischen Pietismus oder die unter Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760) in Herrnhut. 1. Luthers Kirchenbegriff in seiner Vorrede zur Deutschen Messe
Die Reformation war von den Landesfürsten in ihren Herrschaftsgebieten von oben nach unten und damit entgegen Martin Luthers ursprünglicher Vorstellung eingeführt worden.1 Die Ausbildung eines evangelischen Glaubensbewusstseins im Volk war noch nicht erfolgt.2 Die Spannung zwischen einer traditionellen römisch-katholischen Volksfrömmigkeit und den religiösen Vorstellungen, die sich mit der der Reformation verbanden, äußerte sich auch in einem Reformdruck hinsichtlich der Gottesdienstgestaltung. Bereits Ende September 1521 war es bei einer Abendmahlsfeier Melanchthons zum Bruch mit der gültigen Gottesdienstordnung gekommen und zur Konstituierung einer evangelischen Liturgie für den Predigt- und Abendmahlsgottesdienst.3 In der Hoffnung, dass sich vom Evangelium berührte Menschen freiwillig zusammenführen ließen und es so zu einer Erneuerung der Kirche käme, begann Luther ab 1522 Wege zu suchen, das Abendmahl für evangelisch Gesinnte und unter Fernhaltung von Unwürdigen in beiderlei Gestalt anbieten zu können mit dem Ziel einer Bekenntnisgemeinde.4 Diesem Ziel diente auch die Herausgabe der Formula Missae Ende 1523.5 Indessen verstärkten sich die Erwartungen auf eine deutschsprachige Gottesdienstordnung und wurden an etlichen Orten bereits erfüllt.6 Weil es diese immer mehr aufkommenden deutschen Gottesdienste aber nicht vermochten, die Gemeinde tiefgründig zu erbauen und die christliche Einheit zu bewahren,7 sondern oft Ärger provozierten,8 gab Luther 1526 die Deutsche Messe heraus.9 Dabei vertrat er nicht die Auffassung, dass ganz Deutschland die wittenbergische Ordnung übernehmen müsste, allerdings sollte es in jedem Herrschaftsgebiet nur eine Ordnung geben.10 Ziel seiner Gottesdienstreform war die Einführung einer geeigneten Gottesdienstform für die, die – nach evangelischem Verständnis – noch keine Christen waren,11 dass sie »noch Christen sollen werden oder sterker werden«.12 Zum Zweiten die Deutsche Messe, die einem volksmissionarischen Anliegen diente.14 In ihr sah Luther das Hauptinstrument, um ein Volk getaufter Menschen, die nach seiner Einschätzung »noch nicht glauben odder Christen sind«,15 als gesamte Bevölkerung in den evangelischen Städten und Dörfern zum Glauben zu rufen,16 sie im Glauben zu unterrichten und im Sinn des Evangeliums zu leiten.17 Diese pädagogische und katechetische Funktion der Formula Missae und der Deutschen Messe diente in Luthers Überlegungen zur Neugestaltung des kirchlichen Lebens als Zwischenschritt auf dem Weg hin zu seinem eigentlichen Ziel evangelischer Gemeinde- und Gemeinschaftsbildung, wofür er noch einen weiteren Versammlungstyp beschrieb: »die dritte weyse, die rechte art der Euangelischen ordnunge«.18 Diese »dritte Weise« markiert in Luthers Vorstellung über den Weg der kirchlichen Erneuerung eine Strategieänderung: Hatte sich sein Bemühen bisher darauf konzentriert, Unwissende und offensichtlich unwürdige Sünder von der Abendmahlsgemeinschaft fern zu halten, beschrieb er nun ein Zielbild, wonach das Abendmahl in einer nicht öffentlichen Gemeinschaft gefeiert werden sollte unter denen, die ernsthaft als Christen leben wollen.19 weswegen Luther diese Form in seiner Charakterisierung nicht Gottesdienst, sondern »gemeyne« oder »versamlunge« nannte21 und mit einer umfassenden Aufgaben- und Zweckbestimmung in drei Richtungen versah:22 Erstens dienten diese Gemeinschaften der Weiterführung einer durch die öffentlichen Gottesdienste und den Schulunterricht begonnenen persönlichen Glaubensentwicklung.23 Es ging um die praktische Einübung des Glaubens durch Gebet und Hören auf die Lesung von Gottes Wort24 mit dem Ziel einer gemeinschaftlichen Seelsorge entsprechend Mt 1825 und orientiert an einem kleinen Glaubenskatechismus, den Zehn Geboten und dem Vaterunser.26 Zweitens sollten diese Gemeindegruppen der Volkskirche als der adäquate Rahmen für den Empfang der Sakramente dienen.27 Und schließlich sah Luther in diesen Gemeinschaften die Zentren für die praktische Organisation der Armenfürsorge durch Sammlung von Beiträgen und ihre Weiterverteilung unter den Armen nach dem Beispiel von 2 Kor 9.28 Die Kultur und das Verhalten sollten in diesen Gemeindegruppen von Gespräch,29 Gebet und Liebe30 geprägt sein31 und sich bei Tauf- und Abendmahlfeiern liturgisch ohne »viel und gros gesenges« auf das Wesentliche beschränken.32 in überschaubarer Größe,34 geleitet von Laien,35 privat36 und freiwillig37 zusammenkommt. Weil keiner dem anderen je ins Herz sehen und sich auch der Glaubende immer nur als simul iustus et peccator verstehen kann, stellt Luthers Bedingung für die »rechte Art« christlicher Gemeinschaft nicht auf die vollständige Erfüllung der Merkmale christlichen Lebens ab, sondern nennt als Voraussetzung und Kriterium für die Mitgliedschaft den ernsthaften Wunsch des einzelnen, Christ sein zu wollen,38 und die Bereitschaft, »das Euangelion mit hand und munde [zu] bekennen«.39 Offensichtlich gilt für Luther als Ausweis der Ernsthaftigkeit christlichen Lebens nicht Sünd- oder Fehlerlosigkeit, sondern das aufrichtige Verlangen und Begehren, als Christ leben zu wollen.40 Die Bedingungen für die Einrichtung einer solchen Gemeinschaft schienen Luther im Moment der Herausgabe der Deutschen Messe Mitte der 1520er Jahre noch nicht erfüllt, weswegen er die Zeit für die Realisierung seiner »dritten Weise« für noch nicht gekommen ansah,41 denn, so schrieb er, »ich habe noch nicht Leute und Personen dazu; so sehe ich auch nicht viel, die dazu dringen«.42 Was für Luther noch ausstand und was er erwartete, war das Motiv der Freiwilligkeit, ein mobilisierendes Verlangen nach christlichem Leben und Gemeinschaft, ohne dass dies durch Amtsträger angeordnet war.43 Im Gegenteil ist in seinen Augen gerade eine solche Haltung als Ketzerei zu verstehen, »weil dabei Schwache zu Unrecht ausgeschlossen werden...


Burkhardt, Friedemann
Friedemann Burkhardt, Dr. theol., Jahrgang 1961, ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche. Er absolvierte ein Musikstudium in Stuttgart und Würzburg und ein Theologiestudium in Reutlingen, Tübingen und München. Er ist Gewinner des Jesse Lee Award der Commission on Archives and History der United Methodist Church in Methodist History. Seit 2017 ist er als theologischer Fachberater zu Themen Interkultureller Kirchen- und Gemeindeentwicklung in den Einrichtungen der Liebenzeller Mission tätig, lehrt Praktische Theologie an der Internationalen Hochschule Liebenzell und ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Liebenzell Institute for Missiological, Religious, Intercultural, and Social Studies (LIMRIS).

Friedemann Burkhardt, Dr. theol., Jahrgang 1961, ist Pastor der Evangelisch-methodistischen Kirche. Er absolvierte ein Musikstudium in Stuttgart und Würzburg und ein Theologiestudium in Reutlingen, Tübingen und München. Er ist Gewinner des Jesse Lee Award der Commission on Archives and History der United Methodist Church in Methodist History. Seit 2017 ist er als theologischer Fachberater zu Themen Interkultureller Kirchen- und Gemeindeentwicklung in den Einrichtungen der Liebenzeller Mission tätig, lehrt Praktische Theologie an der Internationalen Hochschule Liebenzell und ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Liebenzell Institute for Missiological, Religious, Intercultural, and Social Studies (LIMRIS).


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