Cain | Der Postbote klingelt immer zweimal | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 180 Seiten

Cain Der Postbote klingelt immer zweimal


1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-311-70006-7
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 180 Seiten

ISBN: 978-3-311-70006-7
Verlag: Kampa Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Frank Chambers ist ein Rumtreiber, und er ist abgebrannt. Eines Tages landet er vor einem Diner irgendwo imkalifornischen Nichts, betrieben vom Griechen Papadakis und seiner schönen jungen Frau Cora. Ihren Ehemann kann Cora nicht leiden, den Rumtreiber Frank dafür umso mehr. Ein Problem, das nur eine Lösung kennt, eine Lösung, die viele Probleme nach sich zieht. Solche, für die es keine Lösung gibt.Schwärzer als bei James M. Cain war die Welt selten. In diesem No Man's Land regieren die Skrupellosigkeit, die Gier nach Sex und nach Geld. Jeder ist sich selbst am nächsten. Erlösung gibt es keine. Unerbittlich und in unvergleichlich pointierter Prosa treibt Cain seine Antihelden ins Verderben.

James M. Cain (1892-1977) gilt als einer der Begründer des roman noir. Er war zunächst als Journalist und Drehbuchautor tätig, bevor 1934 sein erster Roman Der Postbote klingelt immer zweimal erschien, der weltweit gefeiert und mehrfach verfilmt wurde, unter anderem 1946 mit Lana Turner und John Garfield und 1981 mit Jack Nicholson und Jessica Lange. 1970 wurde Cain von den Mystery Writers of America der Grand Master Award für sein Lebenswerk verliehen. Der Postbote klingelt immer zweimal, aber auch Romane wie Mildred Pierce und Double Indemnity zählen heute zu den Klassikern der Kriminalliteratur.
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2


Gegen drei kam ein Kerl vorbei, der vollkommen von der Rolle war, weil ihm jemand einen Aufkleber ans Seitenfenster gepappt hatte. Ich nahm das Fenster ab und trug es in die Küche, um den Kleber wegzudampfen.

»Ihr Leute habt’s wirklich raus, wie man Enchiladas macht.«

»Ihr Leute? Was heißt das?«

»Na, Sie und Mr. Papadakis. Du und Nick. Die Enchiladas, die ich vorhin hatte. Großartig.«

»So.«

»Hast du einen Lappen für mich, damit ich das Ding hier sauber kriege?«

»Du hast was anderes gemeint.«

»Wüsste nicht, was.«

»Du denkst, ich bin Mexikanerin.«

»Überhaupt nicht.«

»Oh doch. Und du bist nicht der Erste. Damit das klar ist, ich bin genauso weiß wie du, kapiert? Ich hab zwar dunkle Haare und sehe ein bisschen so aus, aber ich bin genauso weiß wie du. Vergiss das nicht, wenn du hier klarkommen willst.«

»Aber du siehst nicht mexikanisch aus.«

»Sag ich ja. Ich bin genauso weiß wie du.«

»Ich meine, du siehst kein bisschen mexikanisch aus. Mexikanerinnen haben breite Hüften und dicke Beine und den Busen gleich unter dem Kinn, und ihre Haut ist gelb, und ihr Haar sieht aus, als hätten sie Schweinefett reingeschmiert. So siehst du nicht aus. Du bist schlank und hast schöne weiße Haut. Deine Haare sind zwar schwarz, aber weich und lockig. Das einzige Mexikanische an dir sind deine Zähne. Mexikanerinnen haben sehr weiße Zähne, das muss man ihnen lassen.«

»Vor meiner Heirat hieß ich Smith. Nicht besonders mexikanisch, oder?«

»Nicht besonders.«

»Ich komme nicht mal von hier. Ich bin aus Iowa.«

»Smith, aha. Und dein Vorname?«

»Cora. Du kannst mich Cora nennen, wenn du willst.«

Jetzt war mir alles klar. Ich hatte mit meiner Bemerkung ins Blaue gezielt und voll ins Schwarze getroffen. Es lag nicht an den Enchiladas, die sie machen musste, und nicht an ihren schwarzen Haaren. Es war die Ehe mit diesem Griechen, die ihr das Gefühl gab, nicht richtig weiß zu sein. Darum wollte sie nicht, dass ich sie mit Mrs. Papadakis ansprach.

»Cora, gern. Wie wär’s, wenn du mich Frank nennst?«

Sie half mir, das Seitenfenster zu putzen, und stand so dicht neben mir, dass ich sie riechen konnte. Ich sprach ihr direkt ins Ohr, ich flüsterte fast. »Warum hast du diesen Griechen geheiratet?«

Sie zuckte zusammen, als hätte ich sie mit einer Peitsche geschlagen. »Geht dich das was an?«

»Und wie.«

»Hier hast du dein Fenster.«

»Danke.«

Ich ging raus. Ich hatte mein Ziel erreicht. Ich hatte ihre Deckung unterlaufen und ihr so richtig eine reingehauen, dass es ihr weh tat. Jetzt war alles klar zwischen uns. Sie würde vielleicht nicht Ja sagen, aber sie würde mich auch nicht abweisen. Sie wusste, was ich wollte. Und ich wusste, was mit ihr los war.

Beim Abendessen regte sich der Grieche auf, weil Cora mir nicht genügend Bratkartoffeln auftat. Ich sollte mich wohlfühlen, damit ich nicht weglief wie die anderen.

»Gib dem Mann zu essen.«

»Die Kartoffeln stehen drüben auf dem Herd. Kann er sich nicht selbst welche holen?«

»Schon gut. Ich hab noch welche.«

Der Grieche ließ nicht locker. Mit ein bisschen Grips hätte er gemerkt, dass da was im Busch war. Denn eigentlich war Cora nicht der Typ Frau, bei der ein Kerl sich die Kartoffeln selbst holen muss. Das muss man ihr lassen. Aber der Grieche war ein Idiot, er meckerte immer weiter, er am einen Ende des Tischs und sie am anderen, und ich dazwischen. Ich schaute Cora nicht an, aber ich sah ihr Kleid. Es war einer von diesen weißen Schwesternkitteln, wie ihn alle tragen, die bei einem Zahnarzt, in einer Bäckerei oder sonst wo arbeiten. Am Mittag war er noch sauber gewesen, jetzt war er etwas zerknittert und verschwitzt. Ich konnte sie riechen.

»Wird’s bald, verdammte noch mal!«

Da stand sie auf und holte die Kartoffeln. Ihr Kittel fiel auseinander, für eine Sekunde konnte ich ihr Bein sehen. Sie tat mir Kartoffeln auf, aber ich brachte keinen Bissen mehr runter.

»Na großartig«, sagte sie. »Erst so ein Theater, und jetzt isst er nichts.«

»Hokay. Aber er hat, wenn er will.«

»Ich habe keinen Hunger mehr. Hab mittags schon viel gegessen.«

Der Grieche führte sich auf, als hätte er einen großen Sieg errungen. Jetzt konnte er ihr verzeihen, der Pfundskerl.

»Sie ist schon in Ordnung, meine Cora. Sie ist meine weiße Vögelchen. Meine kleine weiße Taube.«

Er zwinkerte und ging die Treppe hoch. Cora und ich saßen da und sagten kein Wort. Als er wieder runterkam, hatte er eine große Flasche und eine Gitarre dabei. Er schenkte uns ein. Es war süßer griechischer Wein, von dem mir schlecht wurde. Dann fing er an zu singen. Er hatte eine Tenorstimme, nicht eine dieser kleinen Tenorstimmen, die man im Radio hört, sondern eine richtig große, und bei den hohen Tönen hängte er ein Schluchzen an wie auf den Schallplatten von Caruso. Aber ich konnte ihm nicht lange zuhören, ich fühlte mich von Minute zu Minute schlechter.

Der Grieche sah, dass ich blass war, und ging mit mir nach draußen. »Frische Luft. Du fühlst sofort besser.«

»Schon gut. Geht gleich wieder.«

»Hinsetzen. Nicht reden.«

»Geh du ruhig wieder rein, ich komme schon klar. Hab nur zu viel gegessen. Geht gleich wieder.«

Er ging zurück ins Haus, und ich ließ alles raus. Ich wusste, dass es nicht am Mittagessen lag, auch nicht an den Kartoffeln oder am Wein. Es war die Frau. Ich war so scharf auf sie, dass ich nicht mal was im Magen behalten konnte.

Am nächsten Morgen hatte ein Sturm das große Reklameschild an der Straße runtergerissen. Um Mitternacht hatte es angefangen zu winden, und am Morgen war aus dem Wind ein Sturm geworden.

»Furchtbar. Schau dir das an.«

»Mächtiger Wind. Konnte nicht schlafen. Kein Schlaf ganze Nacht.«

»Jetzt ist es ja vorbei. Aber schau dir das Schild an.«

»Ist kaputt.«

Er ging rein, und ich machte mich an dem Schild zu schaffen. Er kam wieder raus und schaute mir zu.

»Wo hast du das Schild überhaupt her?«

»War schon da, als ich Haus gekauft. Warum?«

»Es ist mies. Ein Wunder, dass du überhaupt Gäste hast.«

Ich ging einen Wagen volltanken. Das gab ihm Zeit, darüber nachzudenken. Als ich wiederkam, blinzelte er das Schild noch immer an. Es lehnte ziemlich ramponiert an der Hauswand. Drei Glühbirnen waren zerplatzt. Ich schaltete den Strom ein. Von den übrigen brannte die Hälfte auch nicht.

»Neue Glühbirnen reinschrauben. Aufhängen. Alles gut.«

»Du bist der Boss.«

»Was nicht gut dran?«

»Es ist furchtbar altmodisch. Kein Mensch hat heute noch Schilder mit Glühbirnen. Heute hat man Neonschilder, die leuchten heller und brauchen nicht so viel Saft. Außerdem, was steht denn da drauf? , das ist alles. Das ist nicht mal beleuchtet. Und überhaupt – Twin Oaks, was soll das heißen? Zwillingseichen machen mir keinen Appetit. Da halte ich doch nicht an, um was zu essen. Das Schild kostet dich Geld, glaub mir. Du weißt es nur nicht.«

»Mach’s wieder ganz, dann ist hokay.«

»Warum besorgst du dir nicht ein neues Schild?«

»Keine Zeit.«

Aber wenig später kam er mit einem Stück Papier zurück, auf das er mit rotem, weißem und blauem Stift ein Schild gezeichnet hatte. Darauf stand , darunter , , und .

»Großartig. Ist doch ’n Knaller.«

Ich korrigierte die Schreibfehler, und Nick verschnörkelte die Buchstaben noch ein bisschen.

»Nick, wieso hängen wir das alte Schild überhaupt wieder auf? Du solltest gleich in die Stadt fahren und dieses Schild hier machen lassen. Es ist großartig, glaub mir. Eine Kneipe ist immer nur so gut wie ihr Schild, hab ich nicht recht?«

»Ich mache. Menschenskind, ich gehe.«

Bis nach Los Angeles waren es bloß zwanzig Meilen, aber er putzte sich raus, als ginge es nach Paris. Gleich nach dem Mittagessen fuhr er los. Als er weg war, schloss ich die Tür ab und brachte einen Teller, den irgendein Typ stehenlassen hatte, in die Küche. Sie war da.

»Hier, ein Teller, der noch vorn stand.«

»Oh, danke.«

Ich stellte ihn hin. Die Gabel rasselte wie ein Tamburin.

»Ich wollte eigentlich mitfahren. Aber ich muss noch ein paar Sachen fertigkochen, und da hab ich mir gedacht, ich bleibe besser hier.«

»Ich habe auch eine Menge zu tun.«

»Geht’s dir wieder besser?«

»Mir geht’s gut, alles in Ordnung.«

»Manchmal reicht schon ’ne Kleinigkeit. Wenn man das Wasser nicht gewöhnt ist zum Beispiel, irgend so was.«

»Wahrscheinlich habe ich nur zu viel gegessen.«

»Was ist denn da los?«

Jemand rüttelte an der Tür.

»Klingt, als will wer reinkommen.«

»Ist abgeschlossen, Frank?«

»Scheint so. Hab wohl abgeschlossen.«

Sie sah mich an und wurde blass. Sie ging zur Schwingtür und guckte durch, dann ging sie ins Lokal. Nach einer Minute war sie zurück.

»Niemand mehr da.«

»Keine Ahnung, warum ich abgeschlossen habe.«

»Und ich hab vergessen, wieder aufzusperren.«

Sie wollte ins Lokal, aber ich hielt sie zurück. »Lassen wir … die Tür doch zu.«

»Wenn sie zu ist, kann keiner rein. Ich muss jetzt kochen. Und den Teller abwaschen.«

Ich nahm sie in die Arme und presste meinen Mund auf ihre Lippen …

»Beiß mich! Beiß mich!«

Ich biss sie. Ich...


Cain, James M.
James M. Cain (1892–1977) gilt als einer der Begründer des roman noir. Er war zunächst als Journalist und Drehbuchautor tätig, bevor 1934 sein erster Roman Der Postbote klingelt immer zweimal erschien, der weltweit gefeiert und mehrfach verfilmt wurde, unter anderem 1946 mit Lana Turner und John Garfield und 1981 mit Jack Nicholson und Jessica Lange. 1970 wurde Cain von den Mystery Writers of America der Grand Master Award für sein Lebenswerk verliehen. Der Postbote klingelt immer zweimal, aber auch Romane wie Mildred Pierce und Double Indemnity zählen heute zu den Klassikern der Kriminalliteratur.



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