E-Book, Deutsch, Band 2, 350 Seiten
Reihe: Ein Fall für Kate Monroe
Celentano / Ferguson Trügerische Schuld
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-492-98737-0
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Thriller
E-Book, Deutsch, Band 2, 350 Seiten
Reihe: Ein Fall für Kate Monroe
ISBN: 978-3-492-98737-0
Verlag: Piper Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Nina Celentano, geboren 1983 in Nürnberg, kam über ihren Großvater zum Schreiben, dessen Geschichten in seiner Enkelin bereits in Kindertagen die Liebe zum Erzählen weckten. Namentlich Spannungstitel in der Handschrift von Karin Slaughter, Tess Gerritsen und Charlotte Link fesseln sie seit jeher, weil sie der Einblick in menschliche Abgründe stark fasziniert.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 2
Noah Miller konzentrierte sich auf die Fahrbahn, obgleich nicht sonderlich viel Verkehr auf der Sechsundsechzigsten zu verzeichnen war. Kate versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Sie schob alle Vermutungen, Miller betreffend, zur Seite. Er sollte dieselbe Chance bekommen, sich zu beweisen, wie alle anderen. Die vielen Erfolge, die er in seiner Laufbahn beim FBI bereits erzielt hatte, bewiesen immerhin, dass er ein guter Agent war. Viele Kollegen beneideten ihn. Das Problem war sein Ego. Er stand sich damit selbst im Weg. Denn was andere Menschen von ihm dachten, interessierte ihn verdammt wenig. Sie beschloss, Noah eine Weile im Auge zu behalten, um sich ein Bild von ihm zu machen. Denn auch wenn er reserviert war, konnte sie bisher nichts Negatives an ihm feststellen, außer ein paar schnippischen Bemerkungen. Und das gehörte einfach hin und wieder zum guten Ton bei ihrem Job.
Gedankenverloren sah sie die Landschaft an sich vorbeiziehen. Ihr erster Weg hätte sie eigentlich zu Mercedes’ Eltern führen müssen, aber sie wollte vorher etwas über sie in Erfahrung bringen, bevor sie dem Senator und seiner Frau gegenübertrat. Der Himmel war grau, dicke Wolken kündigten die nächsten Schneefälle an. Es dauerte nicht mehr lange, dann würden sie in Virginia ankommen. Eine knappe Stunde später standen sie vor der einer der renommiertesten Schulen des Landes, Shallow Hall. Sie war bekannt dafür, nur die Sprösslinge der Reichen und Schönen aufzunehmen, um die Wirtschaftsmoguln und Unternehmerinnen der Zukunft auszubilden. Das Gebäude an sich strahlte schon Macht und Reichtum aus. Hohe Zäune mit spitzen Zinnen umrahmten es und machten klar, dass dieser Ort war nur einem sehr eingeschränkten Personenkreis vorbehalten war.
»Wahrscheinlich wirklich eine Entführung«, schloss Noah aus dem, was er sah. Kate schüttelte langsam den Kopf. »Ohne Lösegeldforderung ist das eher unwahrscheinlich.«
Ein Blick in Noahs sonst reserviertes Gesicht, zeigte, dass er über ihre Worte nachdachte. »Dann werde ich mal sehen, was ich in Erfahrung bringen kann!«
»Wir werden sehen, was wir vorfinden, Agent Miller. Keine Alleingänge! Verstanden?«
»Ja, Mam!«
»Wie lange wohnen Sie schon in einem Zimmer mit Miss Mercedes?«, wollte Kate wissen. Das Mädchen, das vor ihnen auf einem Bett saß, sah beide argwöhnisch an.
»Susan, alles in Ordnung? Haben Sie meine Frage nicht verstanden?«, hakte Kate nach.
Susans Lippen, die mit einem knallig pinken Lippenstift bemalt waren, zuckten ein wenig, bevor sie mit der Sprache rausrückte. »Zwei Jahre, aber sonst weiß ich rein gar nichts.«
»Also, waren Sie nicht auf der Party, auf der Mercedes zuletzt gesehen worden ist?«, mischte sich Miller ein. Susan wich den Blicken der Agents aus und biss sich auf die Unterlippe. »Ich war nicht lang auf der Party, weil … ja, weil …«, sie verdrehte ihre Augen und sah an die Decke. »Ich hatte zu viel intus und bin mit Phil nach oben, ins Verbindungshaus, in eines der Zimmer«, brachte sie schließlich heraus.
Kate ahnte, wie Susans Geschichte weitergehen würde. Sie sah zu Miller, der sich zu amüsieren schien. So wie Susan Noah ansah, kam Kate zu der Überzeugung, dass es einen Versuch wert sei, Noah mit ihr alleine zu lassen, um an Informationen zu kommen. In der Vergangenheit hatte sie schon häufiger erlebt, dass weibliche Zeugen bei attraktiven männlichen Kollegen irgendwie gesprächiger waren. »Agent Miller, warum begleiten Sie Susan nicht nach draußen. Ich denke, dass sie ein wenig frische Luft gut gebrauchen kann, oder nicht?«
Susan schien nur auf diese Einladung gewartet zu haben, und Noah brauchte einen Moment, um ihre Strategie zu durchschauen. Dann führte er Susan aus dem Zimmer. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Und Sie? Was ist aus dem Leitsatz ›keine Alleingänge‹ geworden?« Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand er. Jetzt blieb Kate genug Zeit, sich im Zimmer der Mädchen umzusehen und Mercedes vielleicht besser kennenzulernen. Sie zog sich ein paar Handschuhe über, nur vorsorglich, falls sie doch Hinweise auf ein Verbrechen finden würde.
Es war genauso, wie sie es erwartet hatte. Sie fand Unmengen sündhaft teurer Kleidung, dazu Schmuck und Kosmetikartikel. Von Ordnung hielten die jungen Frauen offensichtlich nicht sehr viel. In der Schublade von Mercedes’ Nachttisch fand sie eine Packung mit Verhütungspillen und Kondomen. Außerdem eine Sofortbildkamera und einige Schnappschüsse von Mercedes und Susan. Beide waren sehr hübsch, und obwohl sie es absolut nicht nötig hatten, teilten sie die Leidenschaft für zu viel grelles Make-up und blondierte Haare. Beinahe bekam man das Gefühl, man hätte Zwillinge vor sich. Hoffentlich kam Noah an Susan heran, denn so flüchtig wie Susan behauptet hatte, schien die Freundschaft der beiden nicht gewesen zu sein. Kate sah sich den Streifen der Antibabypillen genauer an. Die Letzte hatte sie an einem Samstag genommen. Der Tag, an dem sie verschwand. Kate wunderte sich. Wenn sie geplant hatte, eine Weile fortzugehen, warum hatte sie dann ihre Pillen nicht mitgenommen? Sie bezweifelte, dass es sich bei ihrem Verschwinden um einen Selbstfindungstrip für junge Frauen handelte.
An der Wand neben Mercedes’ Bett hingen Bilder. Ihr Leben schien eine Aneinanderreihung von Partys, Shopping-Events und noch mehr Partys gewesen zu sein. Vermutlich war es das immer noch. Kate nahm die Fotografien von der Wand, auf denen weitere Personen zu sehen waren, die sie noch nicht kannte. Sie beschloss, Susan nach ihrem Spaziergang danach zu fragen. Das Zimmer war groß genug, sodass beide Mädchen einen begehbaren Kleiderschrank hatten, zwar sicherlich nicht annähernd in der Größe wie bei sich zu Hause, doch mit genügend Platz für eine Auswahl an erlesenen Kleidungstücken, die im Wert ihr Jahresgehalt überstiegen. Sie knipste das Deckenlicht an und betrachtete den kleinen Raum mit dem rosafarbenen Teppichboden. Der Duft von teurem Parfum lag in der Luft, und Kate wurde das Gefühl nicht los, dass sich hier etwas verbergen könnte. Sie ging auf die Knie, betrachtete die unzähligen Schuhkartons bekannter Designer und begann, einen nach dem anderen zu öffnen. So chaotisch Mercedes auf den ersten Blick wirkte, so penibel achtete sie auf Ordnung bei ihren Kleidern und Schuhen. Jedes Paar war sorgsam in Seidenpapier eingeschlagen. Ein Karton in der hinteren Ecke ließ sie kurz innehalten. Er passte nicht zwischen die anderen, denn er war zerdrückt, grau und wirkte alles andere als wertvoll. Auf ihm standen alte Sportschuhe, und einige Schals waren so drapiert, dass man ihn nur entdeckte, wenn man auf dem Boden saß und nach etwas suchte. Sonst wäre er unbemerkt geblieben. Er war sehr leicht, und fast schon fürchtete Kate, dass er leer wäre, aber im Innern fanden sich noch weitere Fotografien sowie ein Tütchen mit bunten Pillen, die Kate nicht erst analysieren lassen musste, um zu wissen, wofür sie waren. Weiterhin lagen in dem Karton ein USB-Stick und ein kaputtes Prepaid-Handy. Sie lehnte sich gegen die Wand und betrachtete das erste Foto, auf dem Mercedes leicht bekleidet, nur in Unterwäsche, für jemanden zu posieren schien. Auf dem zweiten Bild waren ihre Pupillen stark geweitet, was darauf schließen ließ, dass sie unter Drogen gestanden hat. Ihre Wimperntusche war etwas verlaufen, und ihr BH-Träger war ihr von der Schulter gerutscht. Es lag etwas in Mercedes’ Blick, das einfach nicht zu dem passte, was die anderen Bilder über sie erzählt hatten. Sie sah so verloren aus, und das Lächeln wirkte angestrengt. Das nächste Foto offenbarte, was Kate befürchtet hatte, denn darauf rekelte sie sich vollkommen unbekleidet und mit wirrem Blick auf einem Bett, das nicht ihres war. Zumindest handelte es sich nicht um das Zimmer im Wohnheim. Sie musste herausfinden, wer die Fotos gemacht hatte, denn hier stimmte etwas nicht. Ein Teenager war unter Drogen gesetzt worden, und das an einer renommierten Eliteschule. Der Dekan wäre bestimmt hocherfreut, wenn das an die Öffentlichkeit gelangen würde. Vielleicht war Mercedes erpresst worden, immerhin hätte der Skandal auch der politischen Karriere ihres Vaters schaden können. Aber warum war bis heute noch kein Erpresserbrief eingegangen und auch keine Lösegeldforderung? Das Mädchen war bereits seit einer Woche verschwunden, und laut der Akte war ihr Verschwinden erst gestern von ihren Eltern gemeldet worden. Welche Eltern merken erst nach sieben langen Tagen, dass die eigene Tochter nicht mehr da ist? Kate spürte Zorn in sich aufsteigen, doch jetzt war sie sich sicher, dass Mercedes ein Leben hatte, das fernab ihrer perfekten Welt womöglich in ihr Verderben geführt haben könnte. Sie rief Hutch im Büro an: »Hutch, ich brauche ein Team der Spurensicherung hier in Shallow Hall. Sie sollen das Zimmer nach Sperma und Blutspuren untersuchen, außerdem brauche ich einen Drogenhund. Ich vermute, dass das ganze Wohnheim infiziert sein könnte.«
»Agent, brauchen wir dafür nicht erst einen richterlichen Beschluss?«
»Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe freie Hand in dem Fall, und was den Dekan angeht, darum kümmere ich mich.«
»In Ordnung, wird erledigt. Glauben Sie, dass wir es jetzt doch mit einem Verbrechen zu tun haben? Ich meine, ich habe das nicht bezweifelt, aber es stand ja trotzdem die Möglichkeit im Raum, dass die Kleine irgendwo lässig am Strand liegt und einen Cocktail genießt, während alle nach ihr suchen, oder?« Hutch wirkte unsicher, weil er nicht wusste, wie Kate auf sein Eingeständnis reagieren würde, dass er den Fall insgeheim zunächst genau wie Kate betrachtet hatte. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber ich habe Drogen gefunden und Fotos, die den Fall in einem anderen...




