Chamberlain | Sommerkind | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: MIRA Taschenbuch

Chamberlain Sommerkind


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-152-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 192 Seiten

Reihe: MIRA Taschenbuch

ISBN: 978-3-95576-152-3
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Früh am Morgen ihres elften Geburtstages findet Daria am Stand neben dem Sommerhaus ihrer Eltern ein neugeborenes Baby. Das sich die Mutter der Kleinen nicht ausfindig machen lässt, wird sie von Darias liebevoller Familie adoptiert. Zwanzig Jahre später ist aus Shelly eine anmutige Schönheit geworden, die zurückgezogen mit Daria in dem Sommerhaus ihrer Kindheit wohnt. Doch das Rätsel um ihre Herkunft lässt sie nicht los, und so wendet sie sich an Rory Taylor, ein Freund Darias aus Kindertagen und nun erfolgreicher Fernsehproduzent. Sie bittet ihn, nach Kill Devil Hills zurückzukehren und zu versuchen, das Geheimnis um ihre Herkunft zu lüften. Je mehr Fragen Rory stellt, desto unruhiger wird die kleine Gemeinde in den Outer Banks, und dunkle Sünden und wohlgehütete Geheimnisse kommen an die Oberfläche. Stück für Stück wird die Geschichte des Sommerkinds entblättert: Ein Rätsel, auf dessen Lösung niemand der Beteiligten vorbereitet ist..



Diane Chamberlain ist in Plainfield, New Jersey, geboren und aufgewachsen. Vor ihrer Karriere als Schriftstellerin arbeitete sie als medizinische Sozialarbeiterin und Psychotherapeutin. Bisher sind 16 Romane von ihr erschienen. Diane Chamberlain hat drei erwachsene Stieftöchter, einen Enkelsohn und zwei Shelties, die immer dann mit ihr spielen wollen, wenn ihr gerade eine großartige Idee für ein neues Buch gekommen ist.

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PROLOG

An ihrem elften Geburtstag wurde Daria Cato zur Heldin.

Nach einem schweren Unwetter in der vergangenen Nacht hatte sich eine bleierne Stille über das Sea Shanty gelegt. Wie üblich erwachte Daria schon früh. Am Himmel vor ihrem Zimmerfenster zeigten sich die ersten zaghaften Boten der Morgendämmerung. Sie öffnete das Fenster über der Frisierkommode und ließ die laue Morgenbrise herein. Vom Ozean drang ein ruhiges rhythmisches Rauschen herüber, kein aggressives Peitschen wie in der Nacht zuvor. Daria sog den Geruch von Salz und Tang in tiefen Zügen ein. Der Sonnenaufgang würde an diesem Morgen gigantisch sein.

Schnell zog sie ihren Schlafanzug aus und schlüpfte in Shorts und Top. Dann öffnete sie leise die Zimmertür und trat auf die Diele hinaus. Auf Zehenspitzen schlich sie an den Zimmern ihrer Schwester Chloe und ihrer Cousine Ellen vorbei. Ellens Mutter schlief unten im Hochparterre, das Schlafzimmer von Darias Eltern lag im zweiten Stock. Ihr Vater würde bald aufstehen, um die Frühmesse zu besuchen, aber ihre Mutter, Tante Josie, Ellen und Chloe würden mindestens noch eine Stunde schlafen. Sie konnten nicht nachvollziehen, warum der Strand in den frühen Morgenstunden eine solche Faszination auf Daria ausübte. Aber das war ihr auch ganz recht. Sie war lieber allein, wenn Sand und Himmel Morgen für Morgen ihre Farbe und Struktur änderten. Dieser Morgen würde etwas Besonderes werden; nicht nur wegen des Sturms, sondern weil es ihr Geburtstag war. Elf. Irgendwie eine stumpfsinnige Zahl, und immer noch zwei Jahre, ehe sie sich einen Teenager würde nennen können. Aber ohne Frage besser als zehn.

Barfuß tappte Daria die Treppe hinunter, wobei sie sich bemühte, nicht auf die Stufe zu treten, die immer knarrte. Ob irgendwer an ihren Geburtstag denken würde? In diesem Jahr würde bestimmt alles anders sein als im letzten, als ihre Mutter für sie und die anderen Kinder, die in der Sackgasse wohnten, eine Party veranstaltet hatte. Ja, dieses Jahr war zum Anderssein geradezu prädestiniert. Weil ihre Mutter anders war. Sie hatte sich in den letzten Monaten verändert, und diese erste düstere und wolkenverhangene Woche in Kill Devil Hills in North Carolina hatte nicht gerade zur Besserung ihrer mürrischen Laune beigetragen. Sue Cato schlief fast jeden Tag lange, und war sie dann endlich auf den Beinen, schlich sie griesgrämig durchs Haus. Nur mit Mühe schien sie sich an die Namen ihrer Töchter zu erinnern, von den Geburtstagen gar nicht zu reden. Chloe würde das natürlich egal sein. Sie war diesen Sommer siebzehn geworden; die Schlaue in der Familie, die gerade ihr erstes Jahr am College hinter sich gebracht hatte und sich nur für Jungs interessierte und dafür, mit welchem Nagellack sie sich die Fußnägel anmalen könnte. Das war der Zeitpunkt, als sich unsere Mutter verändert hat, dachte Daria, als Chloe ans College ging. “Allmählich verliere ich meine kleinen Mädchen”, hatte Daria ihre Mutter am Vortag zu Tante Josie sagen hören.

Und außerdem würden sich die Jungen und Mädchen aus der Straße auch nicht gerade darum reißen, auf die Geburtstagsfeier einer Elfjährigen zu gehen. Jetzt, wo sie alle Teenager waren. Alle außer ihr! Gut, dass mir das Alleinsein nicht so viel ausmacht, dachte sie, als sie die Haustür öffnete und auf die große, mit Fliegengittern gesäumte Veranda des Sea Shanty trat. Denn allem Anschein nach würde sie diesen Sommer die meiste Zeit für sich sein.

Von der Veranda aus konnte Daria auf der anderen Straßenseite das Poll-Rory sehen, das Cottage von Rory Taylor. Selbst Rory, mit dem sie die Sommer verbracht hatte, seit sie denken konnte, war nun vierzehn und ignorierte sie völlig. Es war, als hätte er all die Stunden vergessen, in denen sie zusammen geangelt und Krebse gefangen oder in der Bucht Wettschwimmen veranstaltet hatten.

Im Poll-Rory brannte kein Licht. Und als sie zu dem Fenster im Obergeschoss hinaufsah, wo Rorys Zimmer lag, spürte sie im Herzen einen stechenden Schmerz.

“Wer braucht dich schon”, murmelte sie, stieß die Fliegengittertür auf und stieg die Stufen hinunter in den kühlen Sand. Sie schlenderte zum Strand, über dem der Himmel gerade sein allmorgendliches kupferrotes Schauspiel begann.

Alle sechs Häuser in der Straße waren auf Stelzen gebaut, wie die meisten meerwärts liegenden Gebäude auf den Outer Banks. Darias Vater und Onkel hatten das Sea Shanty in ihrem Geburtsjahr fertiggestellt. Da nur ein weiteres Cottage zwischen ihrem Haus und dem Meer lag, gelangte Daria schnell zu der niedrigen, von Strandhafer bewachsenen Düne, die über den Strand wachte. Von dort warf sie einen Blick zu dem Cottage, in dem Cindy Trump lebte. Es war das einzige Haus in der Sackgasse, das unmittelbar ans Meer grenzte, und Daria wollte sich vergewissern, dass der Sturm es nicht beschädigt hatte. Es war in bestem Zustand. Sie beneidete Cindy und ihren Bruder um die exklusive Lage ihres Häuschens, aber ihr Vater hatte gesagt, der Strand in Kill Devil Hills werde schmaler und Cindys Cottage würde eines Tages vom Ozean verschluckt. Dennoch stellte sie es sich schön vor, vom eigenen Zimmer aus nichts als das türkisblaue Meer zu sehen.

Der Strand war herrlich! Der Sturm hatte den Sand rein gewaschen, und die Flut hatte ein breites dunkles Muschelband zurückgelassen, das nur darauf wartete, von ihr verlesen zu werden. Die Sonne zeigte sich bereits als schmaler Kupfersplitter am Horizont über dem Ozean, der so ruhig war, dass er eher einem See als dem offenen Meer glich. Keine wilden, schaumigen Wellen wie in der Nacht zuvor. Sie setzte sich auf die Düne, grub ihre Füße tief in den feuchten Sand und sah der Sonne bei ihrem raschen Aufstieg in den changierenden Himmel zu.

Übersät mit den großen braunen Panzern der Pfeilschwanzkrebse, erweckte der Strand im rötlichen Morgenlicht den Eindruck, man befände sich auf einem anderen Stern. Irgendwie unheimlich. Zwar war Daria von dieser Vielzahl an Muscheln fasziniert, doch nach wenigen Momenten war sie mit ihren Gedanken schon wieder bei dem sozialen Dilemma, vor dem sie diesen Sommer stand. Obwohl die Catos erst vor knapp einer Woche im Sea Shanty angekommen waren, konnte Daria sich ausmalen, wie der Sommer ablaufen würde – und dieses Bild war alles andere als farbenfroh. Im Geiste ging sie die Kinder aus ihrer Straße durch und hoffte, sich beim Alter des einen oder anderen vertan zu haben. Chloe war siebzehn und Ellen, die fast den ganzen Sommer mit ihnen verbringen würde, fünfzehn. Cindy Trump war sechzehn, ihr Bruder Todd dreizehn. Dann gab es noch die siebzehnjährigen Zwillinge Jill und Brian Fletcher, die im Cottage neben dem Poll-Rory wohnten. Neben ihnen wiederum wohnte dieses stille Mädchen Linda; sie war vierzehn und steckte ihre Nase stets in irgendein Buch. Das Haus zur Rechten des Sea Shanty gehörte den Wheelers, einem älteren Ehepaar, dessen drei Kinder schon aus dem Haus waren. Im letzten Jahr hatte Daria einmal mit Rorys Schwester Polly gespielt. Sie war fünfzehn, aber geistig zurückgeblieben, sodass sie wesentlich jünger wirkte. Doch selbst Polly war in diesem Sommer in ihrer Entwicklung weit an Daria vorbeigezogen – und wenn auch nicht hinsichtlich ihrer Interessen, dann doch zumindest, was das Körperliche betraf. Sie hatte Brüste, um die Chloe und Ellen sie heiß beneideten.

Als die Sonne wie ein Ball am Horizont stand, lief Daria auf das einladende Muschelband zu. Die Taschen ihrer Shorts waren tief, sie würde also jeden Schatz nach Hause tragen können. Auch wenn das ihre Mutter verärgern würde, die sich neuerdings darüber beschwerte, dass sie jeden Sommer eimerweise “nutzloses Zeug” mit nach Hause brachte.

Daria folgte dem Muschelband ein Stückchen, und als sie auf Höhe des Trump-Hauses angelangt war, entdeckte sie inmitten der Muscheln plötzlich den größten Pfeilschwanzkrebs-Panzer, den sie je gesehen hatte. Er kam ihr eigenartig vor, denn er stand irgendwie hoch, ganz so, als läge der Krebs noch darunter. Neugierig stupste sie die braune Kugel mit ihrem sandbeschmutzten Zeh an, bis sie auf den Rücken kullerte. Daria blinzelte ungläubig. Ein blutverschmiertes Baby! Ehe sie sich's versah, rannte sie auch schon kreischend und mit wedelnden Armen durch den Sand davon. Jetzt wünschte sie sich, nicht mutterseelenallein am Strand zu sein.

Sie war bereits ein ganzes Stück gerannt, als sie abrupt stehen blieb. Hatte da wirklich ein Baby gelegen? Konnte es nicht auch eine Puppe gewesen sein? Bestimmt war nur die Fantasie mit ihr durchgegangen. Sie warf einen Blick über die Schulter. Nein, sie war sicher, dass es ein echtes Menschenbaby war. Sie meinte sogar, sich an die kleine, fast unmerkliche Bewegung eines winzigen Fußes erinnern zu können. Reglos stand sie am Strand und drehte sich erneut zu dem Krebspanzer um. Na gut, vielleicht war es ja ein Baby, aber dann war es wohl kaum am Leben. Zögernd ging sie zurück. Das Meer war so leise, dass sie ihr Herz laut in den Ohren pochen hörte. Als sie vor dem Panzer stand, zwang sie sich, nach unten zu sehen.

Es ein Baby, ein nacktes Baby. Es war nicht nur blutbefleckt, sondern lag auch noch neben einem Haufen, der wie ein matschiger Blutberg aussah. Und es war am Leben. Daran gab es keinen Zweifel: Das Baby drehte sein Köpfchen zum Meer und stieß zwischen seinen puppenhaften Lippen ein leises Wimmern aus.

Obwohl ihr schwarz vor Augen wurde, zog Daria ihr Top aus und kniete sich in den Sand. Vorsichtig wickelte sie den Stoff um das Kind, um dann erschrocken zurückzuweichen. Der Blutberg war mit dem Baby verbunden! Man konnte ihn nicht einfach dort liegen lassen. Sie biss die Zähne zusammen, wickelte alles in ihr Top ein – Baby, Blutberg und ein halbes Dutzend Muscheln – und stand...



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