Chateaubriand / Ott | Kindheit in der Bretagne | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 288 Seiten

Chateaubriand / Ott Kindheit in der Bretagne


1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-455-00295-9
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 288 Seiten

ISBN: 978-3-455-00295-9
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
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Neuauflage des Klassikers zum 250.Geburtstag von Francois René de Chateaubriand am 04. September 2018, in bibliophiler Ausstattung, neu übersetzt und mit einem Nachwort von Karl-Heinz Ott. In überwältigenden Landschaftsschilderungen schildert François-René Chateaubriand (1768-1848) seine Kindheit in der Bretagne. Wir erleben das Meer, die Weite, die Heide wie mit eigenen Augen, als sei dort die Natur seit zweihundert Jahren die gleiche geblieben, während alles um sie herum sich radikal ändert. In Chateaubriands Leben spiegeln sich ganze Epochen. Die Neuübersetzung von Karl-Heinz Ott setzt mit Chateaubriands Geburt in Saint-Malo ein und reicht über den Sturm der Bastille, den er mit eigenen Augen erlebt hat, bis zu seinem Aufbruch nach Amerika. Chateaubriand gilt als der größte Stilist französischer Sprache. Wer ihn liest, vergisst nie wieder die Bilder, mit denen er vom Kleinsten bis ins Größte ganze Welten erstehen lässt. Allen voran aber sind sie eine Liebeserklärung an die Bretagne.

François-René Vicomte de Chateaubriand, 1768 in Saint-Malo geboren, war Katholik und Royalist. Er entstammte einem alten bretonischen Adelsgeschlecht. Wie viele andere französische Adlige verließ er in der Folge der Französischen Revolution Frankreich, lebte mehrere Jahre lang in den USA und London, bevor er nach Frankreich zurückkehrte. Sein Nachruhm als Hauptvertreter der literarischen Romantik in Frankreich stützt sich vor allem auf die Novelle Atala und die Erinnerungen von jenseits des Grabes. Chateaubriand starb 1848 in Paris.
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Cover
Verlagslogo
Titelseite
Kindheit in der Bretagne
Nachwort
Anhang
Endnoten
Impressum


La Vallée-aux-Loups, bei Aulnay, 4. Oktober 1811


Vor vier Jahren, nach meiner Rückkehr aus dem Heiligen Land, kaufte ich mir bei dem Weiler Aulnay, in der Nachbarschaft von Sceaux und Chatenay, ein Gärtnerhaus, das sich zwischen waldigen Hügeln verbirgt. Das wellige, sandige, zum Haus gehörende Grundstück bestand bloß aus einem verwilderten Obstgarten, an dessen Ende sich eine Senke befand mit einem Kastanienwäldchen.

Die Bäume, die ich hier gepflanzt habe, gedeihen. Sie sind noch so klein, dass ich ihnen Schatten spende, wenn ich mich zwischen sie und die Sonne stelle. Wenn sie mir eines Tages diesen Schatten zurückgeben, werden sie meine alten Tage beschützen, wie ich ihre Jugend beschützt habe. Ich habe sie mir, soweit es möglich war, in den verschiedenen Ländern ausgesucht, in denen ich umhergeirrt bin. Sie erinnern mich an meine Reisen und nähren in der Tiefe meines Herzens weiterhin Wunschträume.

Auch wenn ich ein irrender Ritter bin, finde ich Gefallen an mönchischer Sesshaftigkeit. Seit ich an diesem abgelegenen Ort lebe, glaube ich, keine drei Mal den Fuß über die Grenze meines Geheges gesetzt zu haben. Sofern meine Kiefern, Fichten, Lärchen und Zedern weiterhin halten, was sie versprechen, werden sie Vallée-aux-Loups eines Tages in eine wahre Kartause verwandeln.

Ich mag diesen Ort. Er hat mir meine heimatlichen Gefilde ersetzt. Ich habe ihn mir mit dem Erlös meiner Träume und meiner schlaflosen Nächte erkauft.

Ich hänge an meinen Bäumen und habe Elegien, Sonette und Oden auf sie geschrieben. Es gibt keinen einzigen, um den ich mich nicht mit eigenen Händen gekümmert und den ich nicht von seinem um die Wurzeln gewundenen Wurm und der an seinen Blättern klebenden Raupe befreit hätte. Ich kenne sie alle mit Namen wie meine Kinder. Sie sind meine Familie, ich habe keine andere und hoffe, in ihrer Mitte zu sterben. Hier schrieb ich die , die , die und . Was sollte ich jetzt an diesen Herbstabenden tun? Am heutigen 4. Oktober 1811, meinem Namensfest sowie Jahrestag meiner Ankunft in Jerusalem, will ich anfangen, die Geschichte meines Lebens niederzuschreiben. Jener Mann, der Frankreich heutzutage nur deshalb Macht über die Welt verschafft, um sie mit seinen Füßen zu zerstampfen, jener Mann, dessen Genius ich bewundere und dessen Despotismus ich verabscheue, dieser Mann umfängt mich mit seiner Tyrannei wie mit zusätzlicher Einsamkeit. Doch selbst wenn er die Gegenwart zermalmt, trotzt ihm die Vergangenheit, ich aber bleibe in allem frei, was seinem Ruhm vorausgegangen ist.[4]

Die meisten meiner Gefühle sind am Grund meiner Seele verborgen geblieben oder haben sich nur in Gestalt fiktiver Wesen in meinen Werken gezeigt. Jetzt, wo ich mich nach meinen Schimären zurücksehne, ohne sie noch weiterzuspinnen, will ich wieder die Höhen meiner schönen Jahre erklimmen: Diese werden mir als Todestempel dienen, der im Licht meiner Erinnerungen errichtet worden ist.

Schon von Geburt, aber auch wegen der Härten seiner frühen Jahre hatte sich in meinem Vater eines der düstersten Gemüter herangebildet, die es je gab. Sein Gemüt hat auch meine seelische Welt beeinflusst, indem es mir in der Kindheit Angst eingejagt, mich in meiner Jugend traurig gestimmt und die Art meiner Erziehung geprägt hat.

Ich bin adlig geboren. In meinen Augen hat mir das Geschick dieser Herkunft Vorteile gebracht. Ich besitze jene feste Freiheitsliebe, die dem Adel, dessen letzte Stunde geschlagen hat, zutiefst eigen ist. Der Adel hat drei aufeinanderfolgende Epochen durchlebt: die Zeit seiner Übermacht, die Zeit der Privilegien, die Zeit eitler Einbildung. Seit es mit der ersten vorbei ist, degeneriert er in der zweiten und erlischt in der dritten.

Gemäß dem Wandel der französischen Orthographie wurde mein Name zuerst , dann und schließlich Briand geschrieben. Bei Guillaume dem Bretonen ist noch vom [5] die Rede. Es gibt in Frankreich keinen einzigen Namen, der nicht solche Buchstabenvarianten aufweist.

Gegen Anfang des 11. Jahrhunderts verliehen die ihren Namen einer stattlichen Burg in der Bretagne, die zum Stammsitz der Baronie de Chateaubriand wurde. Anfangs bestand ihr Wappen aus einem Tannenzapfen mit der Devise: . Der Baron Geoffroy von Chateaubriand zog mit dem Heiligen Ludwig ins Heilige Land. Nachdem er in der Schlacht von Mansura[6] gefangen genommen worden war, starb seine Frau Sibylle bei seiner Rückkehr aus heller Freude und ganz fassungslos, ihn wiederzusehen. Um sich für dessen Verdienste erkenntlich zu zeigen, verlieh der Heilige Ludwig ihm anstelle des alten Wappens ein rotes, mit goldenen Lilien bestücktes.

Seit ihren Anfängen teilten sich die Chateaubriands in drei Zweige: Der erste namens bildet den Stamm für die beiden andern und setzt im Jahr 1000 in Gestalt von Thiern ein, dem Sohn von Brien und Enkel von Alain III., Comte beziehungsweise Vorsteher der Bretagne. Der zweite trägt den Beinamen , auch genannt. Den dritten kennt man unter dem Titel .

Als die Linie der Sires de Beaufort in Gestalt von Dame Renée erlosch, erhielt ein gewisser Christophe II. aus einem Nebenzweig dieser Linie einen Anteil an den Ländereien von Guérande en Morbihan. Zu dieser Zeit, also um die Mitte des 17. Jahrhunderts, entstand unter den Adligen reichlich Verwirrung, da man sich mir nichts, dir nichts Titel zusprach und Namen. Ludwig XIV. ordnete eine Untersuchung an, um jedermann wieder in sein Recht zu setzen. Auf Anordnung der in Rennes ansässigen Kammer für die Reformierung der bretonischen Adelsstände behielt Christophe aufgrund alter Registerauszüge, die ihm seinen Adel nachwiesen, sowohl seinen Rang als auch sein Wappen.

Das daraus hervorgegangene Dekret hält fest, dass Christophe de Chateaubriand de la Guérande unmittelbar von jenen Chateaubriands abstammt, zu denen die Sires de Beaufort gehören. Nachdem ich Ludwig XVI. vorgestellt worden war, wollte mein Bruder das Vermögen von mir Jüngerem mit Hilfe einiger kirchlicher Pfründe vergrößern. Da ich dem Laienstand und Militär angehörte, blieb dafür nur ein einziger Weg: Man musste mich in den Malteserorden aufnehmen. Mein Bruder schickte meine Adelsnachweise nach Malta und reichte gleich darauf in meinem Namen ein Gesuch beim in Poitiers ansässigen Kapitel des aquitanischen Großpriorats ein, mit der Bitte, Kommissäre zu ernennen, die so schnell wie möglich einen Beschluss fassen sollten.

Das Gesuch wurde am 9., 10. und 11. September 1789 angenommen. Im Wortlaut des Zulassungsdokuments heißt es, ich sei der ersuchten Gunst teilhaftig, zumal mich des von mir beanspruchten Verlangens als würdig erwiesen.

All das fand nach dem Sturm auf die Bastille statt, am Vorabend der Ereignisse vom 6. Oktober 1789 und der Überführung der königlichen Familie nach Paris![7] Dabei hatte die Nationalversammlung in der Sitzung vom 7. August 1789 alle Adelstitel abgeschafft! Wie konnten diese Chevaliers und Adelsprüfer nur zu dem Schluss gelangen, dass ich etc. verdiente, ich, der ich nur ein winziger, unbekannter Unterleutnant der Infanterie war, ohne jedes Ansehen, ohne jede Gunst, ohne jede Fortune?

Der älteste Sohn meines Bruders, Comte Louis de Chateaubriand, heiratete Mademoiselle d’Orlandes, mit der er fünf Töchter und einen Jungen hatte, dem man den Namen Geoffroy gab. Christian, Louis’ jüngerer Bruder sowie Urenkel und Patenkind jenes Monsieur de Malesherbes[8], dem er erstaunlich ähnlich sah, diente 1823 mit Tapferkeitsauszeichnung als Kommandant der Dragonergarde in Spanien. In Rom wurde er dann Jesuit. Die Jesuiten wiegen die Einsamkeit in gleichem Maß auf, wie sie von der Erde verschwindet. Christian ist jüngst in Chieri bei Turin gestorben. Alt und krank, wie ich bin, hätte ich ihm zuvorkommen sollen, doch seine Tugenden ließen ihn vor mir, der ich noch so viele Sünden zu beklagen habe, in den Himmel kommen.

Bei der Aufteilung des Familienerbes wurde Christian das Gut von Malesherbes zugesprochen und Louis das Gut von Combourg. Da Christian den gleich großen Anteil nicht für gerechtfertigt hielt, wollte er sich bei seinem Abschied von der Welt jener Güter entledigen, die ihm nicht gehörten, und sie seinem älteren Bruder zurückgeben.

Hätte ich die Aufschneiderei meines Vaters und meines Bruders geerbt, läge es beim Blick in die Urkunden einzig an mir, mich für den allerjüngsten jener Herzöge der Bretagne zu halten, die von Thiern, dem Enkel Alains III., abstammen. Inzwischen treibt man es allerdings in anderer Richtung ein wenig zu weit, denn es ist Mode geworden, sich zur Klasse der Knechte zu bekennen und die Ehre zu besitzen, der Sohn eines Leibeigenen zu sein. Tönen diese Bekenntnisse nicht genauso stolz und sophistisch? Bedeutet es nicht ebenso, sich der Partei der Stärkeren anzuschließen? All die jetzigen Marquis, Grafen und Barone,...


Chateaubriand, Francois-René
François-René Vicomte de Chateaubriand, 1768 in Saint-Malo geboren, war Katholik und Royalist. Er entstammte einem alten bretonischen Adelsgeschlecht. Wie viele andere französische Adlige verließ er in der Folge der Französischen Revolution Frankreich, lebte mehrere Jahre lang in den USA und London, bevor er nach Frankreich zurückkehrte. Sein Nachruhm als Hauptvertreter der literarischen Romantik in Frankreich stützt sich vor allem auf die Novelle Atala und die Erinnerungen von jenseits des Grabes. Chateaubriand starb 1848 in Paris.

François-René Vicomte de Chateaubriand, 1768 in Saint-Malo geboren, war Katholik und Royalist. Er entstammte einem alten bretonischen Adelsgeschlecht. Wie viele andere französische Adlige verließ er in der Folge der Französischen Revolution Frankreich, lebte mehrere Jahre lang in den USA und London, bevor er nach Frankreich zurückkehrte. Sein Nachruhm als Hauptvertreter der literarischen Romantik in Frankreich stützt sich vor allem auf die Novelle Atala und die Erinnerungen von jenseits des Grabes. Chateaubriand starb 1848 in Paris.



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