Chesterfield | Über die Kunst, ein Gentleman zu sein | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 16, 320 Seiten

Reihe: Manesse Bibliothek

Chesterfield Über die Kunst, ein Gentleman zu sein

Briefe an seinen Sohn
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-641-23522-2
Verlag: Manesse
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Briefe an seinen Sohn

E-Book, Deutsch, Band 16, 320 Seiten

Reihe: Manesse Bibliothek

ISBN: 978-3-641-23522-2
Verlag: Manesse
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Dieses Buch ist ein Einspruch gegen die überhandnehmende Verpöbelung der Welt.
Die Prinzipien des Earl of Chesterfield, ein Herr habe auf Anstand, Stil, Höflichkeit zu achten, sind zeitlos, ja gerade in Zeiten wie diesen höchst beachtenswert. Bei ihm erfährt «Mann», was es braucht, um im Gespräch bella figura zu machen, welche Charakterzüge unerlässlich sind, um als Gentleman zu gelten, und nicht zuletzt, wie man sich die Achtung der Frauen erwirbt. All das weiß der Autor aus eigener Praxis und lässt jene an diesem Wissen teilhaben, die Sinn für Takt und Bonhomie haben. Das neu übersetzte Brevier ist ein Muss für Söhne, Brüder, Ehegatten und alle Männer, die ernsthaft an sich arbeiten.

Philip Dormer Stanhope, 4. Earl of Chesterfield (1694-1783), Mitglied des House of Commons und des House of Lords, Botschafter der britischen Krone und Träger des Hosenbandordens, war in jeder Hinsicht ein Mann von Welt. Dank seiner brieflichen Ratschläge an seinen Sohn wurde er zu dem Gewährsmann in Fragen der Erziehung, Herzensbildung und des guten Geschmacks.

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London, 16. Oktober 1747 Lieber Junge: Die Kunst, zu gefallen, sollte man unbedingt beherrschen; es ist jedoch ungemein schwierig, sie zu erlangen. Sie lässt sich kaum auf Regeln reduzieren, und Deine Vernunft und Beobachtung werden Dich dabei mehr lehren, als ich dies kann. Handle, wie Du behandelt werden willst – das ist die sicherste Methode, die ich kenne, um zu gefallen. Beobachte sorgsam, was Dir bei anderen gefällt, und wahrscheinlich werden die gleichen Dinge bei Dir anderen gefallen. Wenn Dir die Liebenswürdigkeit und Aufmerksamkeit anderer gegenüber Deinen Launen, Deinem Geschmack oder Deinen Schwächen gefallen, magst Du Dich darauf verlassen, dass die gleiche Liebenswürdigkeit und Aufmerksamkeit Deinerseits gegenüber den ihren ebenso Gefallen finden werden. Passe Dich dem Ton der Gesellschaft an, in der Du Dich befindest, und versuche nicht, ihn anzugeben; sei ernst, lebhaft oder auch albern, je nach der Laune, in der Du die Gesellschaft antriffst; dies ist eine Aufmerksamkeit, die jedes Individuum der Mehrheit schuldet. Erzähle in Gesellschaft keine Geschichten; es gibt nichts, das öder und unersprießlicher wäre. Solltest Du zufällig eine sehr kurze Geschichte kennen, die besonders gut zum Thema der laufenden Konversation passt, dann erzähle sie mit so wenigen Worten wie möglich, und selbst hierbei solltest Du zu verstehen gebe, dass Du nicht gern Geschichten erzählst, dass Dich aber ihre Kürze in Versuchung brachte. Vor allem anderen verbanne den Egoismus aus Deiner Konversation und meine niemals, Du müsstest die Leute mit Deinen persönlichen Anliegen oder privaten Befindlichkeiten unterhalten; wenn diese für Dich auch interessant sind, für alle anderen sind sie langweilig und aufdringlich. Überdies kann man die eigenen Privatangelegenheiten gar nicht zu sehr geheim halten. Was auch immer nach Deiner Meinung Deine besten Eigenschaften sein mögen, solltest Du sie doch nie in Gesellschaft hervorkehren und auch nicht, wie dies viele tun, die Konversation in eine Richtung lenken, die Dir eine Gelegenheit geben könnte, sie vorzuführen. Wenn sie echt sind, werden sie unweigerlich entdeckt werden, ohne dass Du selbst sie vorweist, und zu weit größerem Nutzen. Niemals solltest Du ein Argument hitzig und laut verfechten, wenn Du auch meinst oder weißt, Du seiest im Recht; äußere Deine Meinung lieber zurückhaltend und kühl, was die einzige Art zu überzeugen ist; und wenn dies zu nichts führt, suche das Thema zu wechseln, indem Du liebenswürdig sagst: «Wir werden einander wohl kaum überzeugen; es ist dies auch gar nicht nötig, also lassen Sie uns von etwas anderem reden.» Bedenke, dass in jeder Gesellschaft örtliche Anstandsregeln zu beachten sind, und was in einer Gesellschaft überaus geziemend ist, kann und wird oft in einer anderen höchst anstößig sein. Die Scherze, bons mots,23 kleinen Abenteuer, die in der einen Gesellschaft gut ankommen mögen, werden platt und öde wirken, wenn man sie in einer anderen erzählt. Die besonderen Charaktere und Gewohnheiten sowie der Tonfall einer Gesellschaft können einem Wort oder einer Geste Glaubwürdigkeit verleihen, die sie, dieser zufälligen Umstände entkleidet, gar nicht hätten. Hierin irren sich die Menschen sehr häufig; und da sie auf etwas stolz sind, das in einer Gesellschaft und unter bestimmten Umständen unterhaltsam war, wiederholen sie es mit Nachdruck in einer anderen, wo es entweder langweilig oder möglicherweise auch, zur falschen Zeit oder am falschen Ort, anstößig wirkt. Oft tun sie dies sogar mit einer albernen Einleitung: «Ich will Ihnen etwas ganz Großartiges» oder «die beste Geschichte auf der Welt» erzählen. Das weckt Erwartungen, die, wenn sie vollkommen enttäuscht werden, den Erzähler dieser großartigen Sache ganz zu Recht als Narren erscheinen lassen. Wenn Du die Zuneigung und Freundschaft bestimmter Menschen besonders gern erringen möchtest, seien es Männer oder Frauen, so versuche, ihre herausragenden Vorzüge – falls sie solche haben – und ihre größten Schwächen, die jeder hat, zu finden, und würdige das eine und das andere vielleicht noch etwas mehr. Menschen mögen auf verschiedenen Gebieten Vorzüge haben oder zumindest wünschen, dass man dies so sehe; und wenn sie es auch sehr mögen, dort gewürdigt zu werden, wo sie sich mit Vorzügen begabt wissen, kann man ihnen doch am meisten und besten in jenen Punkten schmeicheln, wo sie gern vortrefflich wären, aber Zweifel hegen, ob sie dies wirklich sind. So hegte zum Beispiel Kardinal Richelieu24, zweifellos der fähigste Staatsmann seiner (und vielleicht jeder anderen) Zeit, den eitlen Wunsch, auch als bester Dichter angesehen zu werden; er neidete dem großen Corneille25 dessen Ruhm und wies jemanden an, eine Kritik des Cid zu schreiben. Die geschickten Schmeichler sagten daher wenig über seine staatsmännischen Fähigkeiten, oder jedenfalls nur en passant und so, wie es ganz natürlich in den Text passte. Aber der Weihrauch, mit dem sie ihn bedachten und dessen Rauch ihm, wie sie wussten, zu ihren Gunsten den Kopf verdrehen würde, galt ihm als einem bel esprit26 und Poeten. Warum? Weil er sich des einen Vorzugs sicher war und hinsichtlich des anderen Zweifel hegte. Du wirst jedes Menschen wichtigste Eitelkeit leicht entdecken, indem Du sein liebstes Gesprächsthema ausmachst; denn alle reden am meisten von dem, worin sie am liebsten als vortrefflich gelten möchten. Berührst Du jemanden dort, berührst Du seine empfindlichste Stelle. Sir Robert Walpole27 (ohne Zweifel ein fähiger Mann) war hinsichtlich seiner Fähigkeiten nicht sehr zugänglich für Schmeichelei, da er hierin keine Zweifel hegte; seine größte Schwäche war es jedoch, dass er gern als besonders höflich und galant angesehen werden wollte – dabei verfügte er zweifellos über weniger Galanterie als jeder andere Lebende; es war dies sein liebstes und häufigstes Gesprächsthema, was jenen mit ein wenig Scharfsinn bewies, dass dies seine größte Schwäche war. Und damit spielten sie erfolgreich. Frauen haben gemeinhin allein ein Thema, nämlich ihre Schönheit; was das angeht, ist kaum eine Schmeichelei so groß, dass sie diese nicht schlucken könnten. Die Natur hat kaum eine Frau ausreichend hässlich gemacht, um für Schmeicheleien gegenüber ihrer Person unempfänglich zu sein. Wenn ihr Gesicht so erschreckend ist, dass sie sich dessen irgendwie bewusst sein muss, so vertraut sie doch darauf, dass ihre Gestalt und Ausstrahlung dies gründlich wettmachen. Wenn ihre Gestalt deformiert ist, meint sie, ihr Gesicht wiege dies auf. Wenn beide schlimm sind, tröstet sie sich damit, dass sie über Anmut verfüge, eine gewisse Manier, ein je ne sais quoi28, noch gewinnender denn Schönheit. Dies ist offenkundig die Wahrheit, wie man an der ausgesuchten und erlesenen Kleidung der hässlichsten Frauen der Welt sieht. Eine unbezweifelte, unbestrittene, bewusste Schönheit ist unter allen Frauen am wenigsten empfänglich für diesbezügliche Schmeichelei; sie weiß, dass sie ihr zusteht, und ist daher niemandem gegenüber verpflichtet, der sie äußert. Ihr muss man ob ihres Verstandes schmeicheln, denn auch wenn sie selbst nicht daran zweifelt, so argwöhnt sie doch, dass Männer derlei nicht glauben. Du darfst mich nicht missverstehen und meinen, ich empföhle Dir schäbige, sträfliche Schmeichelei. Nein; schmeichle niemandes Laster oder Verbrechen; im Gegenteil solltest Du diese verabscheuen und entmutigen. Man kann aber auf der Welt nicht leben ohne liebenswürdige Nachsicht gegenüber den Schwächen der Menschen und ihren unschuldigen wiewohl albernen Eitelkeiten. Wenn ein Mann unbedingt für klüger gehalten werden will, als er ist, und eine Frau für hübscher, so ist dieser Fehler für sie selbst tröstlich und für andere unschädlich, und ich würde sie lieber zu meinen Freunden machen, indem ich Nachsicht übte, als zu meinen Feinden, indem ich (was überdies zwecklos ist) versuchte, sie aufzuklären. Ebenso gibt es kleine Aufmerksamkeiten, die unendlich liebenswert sind und jenes Maß an Stolz und Eigenliebe merklich berühren, das nicht von der Natur des Menschen zu trennen ist, da sie unbezweifelbare Beweise der Achtung und Neigung sind, die wir für jene hegen, denen wir sie bezeugen. So zum Beispiel die kleinen Gewohnheiten, Vorlieben, Antipathien und den Geschmack jener zu beachten, die wir gewinnen möchten, und uns dann zu bemühen, ihnen das eine zu verschaffen und sie vor dem anderen zu bewahren; ihnen liebenswürdig zu verstehen geben, dass Du bemerkt hast, dass sie dieses Gericht oder jenen Raum mögen und dass Du diese aus eben dem Grunde vorbereitet hast; oder andererseits, dass Du bemerkt hast, dass sie für dieses Gericht eine Abneigung oder für jene Person Antipathie empfinden etc. und Dich bemüht hast, sie ihnen fernzuhalten. Aufmerksamkeit für derlei Kleinigkeiten schmeichelt der Eigenliebe weit mehr als solche für größere Dinge, denn sie lässt die Leute meinen, sie seien gleichsam die einzigen Objekte Deiner Gedanken und Deiner Sorgfalt. Dies sind einige der für Deine Einführung in die große Gesellschaft der Welt nötigen arcana29. Ich wünschte, ich hätte sie in Deinem Alter besser gekannt; ich habe den Preis von dreiundfünfzig Jahren für sie entrichtet und werde nicht grollen, wenn Du die Vorteile erntest. Adieu. 23 Frz. «gute Worte/Wörter», geistreiche...


Chesterfield, Earl of
Philip Dormer Stanhope, 4. Earl of Chesterfield (1694–1783), Mitglied des House of Commons und des House of Lords, Botschafter der britischen Krone und Träger des Hosenbandordens, war in jeder Hinsicht ein Mann von Welt. Dank seiner brieflichen Ratschläge an seinen Sohn wurde er zu dem Gewährsmann in Fragen der Erziehung, Herzensbildung und des guten Geschmacks.

Haefs, Gisbert
Gisbert Haefs, 1950 in Wachtendonk am Niederrhein geboren, lebt und schreibt in Bonn. Als Übersetzer und Herausgeber ist er unter anderem für die neuen Werkausgaben von Ambrose Bierce, Rudyard Kipling, Jorge Luis Borges und zuletzt Bob Dylan zuständig. Zu schriftstellerischem Ruhm gelangte er nicht nur durch seine Kriminalromane, sondern auch durch seine farbenprächtigen historischen Werke Hannibal, Alexander und Troja. Im Heyne Verlag erschienen zuletzt Caesar, Die Mörder von Karthago und Die Dirnen von Karthago.

Baur, Eva Gesine
Die Kulturhistorikerin Dr. Eva Gesine Baur war Redakteurin, stellvertretende Chefredakteurin und Chefredakteurin bei verschiedenen Zeitschriften. Heute lebt und arbeitet sie in München als freie Journalistin und Buchautorin. Ihre besondere Leidenschaft gilt privat wie beruflich der Verbindung der sinnlichen Genüsse und der Gastrosophie.



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