E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Christie Die Tote in der Bibliothek
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-455-17020-7
Verlag: Atlantik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Fall für Miss Marple
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
ISBN: 978-3-455-17020-7
Verlag: Atlantik Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Agatha Christie begründete den modernen britischen Kriminalroman und avancierte im Laufe ihres Lebens zur bekanntesten Krimiautorin aller Zeiten. Ihre beliebten Helden Hercule Poirot und Miss Marple sind - auch durch die Verfilmungen - einem Millionenpublikum bekannt. 1971 wurde sie in den Adelsstand erhoben. Agatha Christie starb 1976 im Alter von 85 Jahren.
Weitere Infos & Material
Cover
Titelseite
Meiner Freundin Nan
Vorwort
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Über Agatha Christie
Impressum
Skipper-Books
II
Tatkräftiges Handeln war immer nach Inspektor Slacks Geschmack. Im Auto losbrausen, Leuten, die darauf brannten, ihm alles Mögliche zu erzählen, barsch über den Mund fahren, unter dem Vorwand dringender Notwendigkeit Gespräche abwürgen – das war Slacks Lebenselixier.
Binnen unglaublich kurzer Zeit war er daher in Danemouth eingetroffen, hatte sich in der Polizeidirektion gemeldet und sich kurz mit dem ängstlich besorgten Hoteldirektor unterhalten, den er dann mit dem zweifelhaften Trost, bevor man Staub aufwirble, müsse man erst einmal sicherstellen, dass es sich wirklich um das Mädchen handle, hatte stehen lassen, um in Begleitung von Ruby Keenes nächster Verwandter nach Much Benham zurückzufahren.
Er hatte dem Chief Constable seine Rückkehr mit einem kurzen Anruf angekündigt, sodass dieser darauf vorbereitet war, wenn auch nicht auf sein knappes »Das ist Josie, Sir«.
Colonel Melchett maß seinen Untergebenen mit einem kühlen Blick. Hatte Slack den Verstand verloren?
Die junge Frau, kaum aus dem Wagen ausgestiegen, rettete die Situation. »Das ist mein Künstlername«, erklärte sie und ließ dabei zwei Reihen kräftiger weißer Zähne aufblitzen. »Raymond und Josie nennen wir uns, mein Partner und ich, und natürlich kennen mich alle im Hotel als Josie. Eigentlich heiße ich Josephine Turner.«
Inzwischen war Colonel Melchett wieder Herr der Lage und bot Miss Turner einen Stuhl an. Während sie sich setzte, fasste er sie mit einem raschen, sachverständigen Blick ins Auge.
Sie war eine hübsche, nur schwach geschminkte junge Frau im dunklen Schneiderkostüm, den dreißig vermutlich näher als den zwanzig. Ihr Aussehen verdankte sie eher einem gekonnten Make-up als den Gaben der Natur – nicht unbedingt der Typ, den man als eine Schönheit bezeichnet hätte, aber durchaus anziehend. Sie machte einen tüchtigen, gutmütigen Eindruck und schien eine Menge gesunden Menschenverstand zu besitzen. Ihrer ängstlich erregten Miene zum Trotz wirkte sie auf den Colonel nicht eben gramgebeugt.
Nachdem sie Platz genommen hatte, sagte sie: »Es ist so furchtbar, dass man’s kaum glauben kann. Meinen Sie wirklich, es ist Ruby?«
»Das werden wir wohl leider Sie fragen müssen, und ich fürchte, es wird ziemlich unangenehm für Sie werden.«
»Sieht sie – sieht sie sehr schlimm aus?«, fragte Miss Turner ängstlich.
»Nun ja, ein Schock wird es schon sein.« Er reichte ihr sein Zigarettenetui, und sie bediente sich dankbar.
»Soll ich – soll ich sie mir jetzt gleich anschauen?«
»Das wäre wohl das Beste, Miss Turner. Sehen Sie, es hat wenig Zweck, dass wir Ihnen Fragen stellen, ehe wir Gewissheit haben. Am besten, wir bringen es hinter uns, meinen Sie nicht auch?«
»Gut.«
Sie fuhren zur Leichenhalle.
Josie war kreidebleich, als sie nach kurzer Zeit wieder herauskam.
»Ja, es ist Ruby«, sagte sie mit zittriger Stimme. »Die Ärmste! O Gott, mir ist ganz mulmig. Kann ich vielleicht …« Sie sah sich sehnsüchtig um. »Kann ich vielleicht einen Gin haben?«
Gin war keiner da, aber Brandy, und nach ein, zwei Schlucken hatte Miss Turner die Fassung wiedererlangt.
»Nimmt einen ganz schön mit, wenn man so etwas sieht«, sagte sie freimütig. »Die arme Ruby! Die Männer sind ein so brutales Pack!«
»Sie meinen, es war ein Mann?«
Josie stutzte.
»War’s denn keiner? Ach so – ich dachte natürlich …«
»Denken Sie an einen bestimmten Mann?«
Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Nein – nein. Keine Ahnung. Aber Ruby hätte es mir auch nicht gesagt, wenn …«
»Wenn was?«
»Wenn – wenn sie mit einem gegangen wäre.«
Melchett warf ihr einen interessierten Blick zu. Er schwieg, bis sie wieder in seinem Büro waren.
»So, Miss Turner«, sagte er dann. »Jetzt sagen Sie mir bitte alles, was Sie wissen.«
»Ja, gut. Womit soll ich denn anfangen?«
»Erst einmal brauche ich den vollen Namen des Mädchens und ihre Adresse, dann Angaben über Ihr Verhältnis zu ihr und überhaupt alles, was Ihnen über sie bekannt ist.«
Josephine Turner nickte. Wieder fand Melchett, dass sie nicht übermäßig traurig wirkte. Sie war erschüttert und bekümmert, aber mehr nicht. Bereitwillig gab sie Auskunft.
»Sie hieß Ruby Keene – das heißt, das war ihr Künstlername. Ihr richtiger Name war Rosy Legge. Ihre Mutter ist eine Kusine von meiner Mutter. Ich kannte sie von klein auf, aber nicht sehr gut, verstehen Sie? Ich habe ziemlich viele Vettern und Kusinen – ein paar von ihnen sind Geschäftsleute, andere sind beim Theater. Ruby wollte sich nach und nach zur Tänzerin ausbilden lassen. Voriges Jahr hatte sie ein paar gute Engagements in Weihnachtsaufführungen und so. Nichts Erstklassiges, aber bei passablen Provinzensembles. Danach war sie Eintänzerin im Palais de Danse in Brixwell, im Süden von London. Ein schönes, angesehenes Haus, wo man sich um die Mädchen kümmert, aber viel Geld ist da nicht zu verdienen.« Sie schwieg einen Moment.
Colonel Melchett nickte.
»Und jetzt komme ich ins Spiel. Ich bin seit drei Jahren Tanz- und Bridgepartnerin im Majestic in Danemouth. Es ist eine gute Stelle, gut bezahlt, angenehmes Arbeitsklima. Man betreut neu angekommene Gäste – die man sich vorher natürlich genau anschaut. Manche möchten lieber in Ruhe gelassen werden, aber andere sind einsam und lassen sich gern ein bisschen auf die Sprünge helfen. Man bringt passende Bridgepartner zusammen und sorgt dafür, dass die jungen Leute miteinander tanzen. Das verlangt einiges an Feingefühl und Erfahrung.«
Wieder nickte Colonel Melchett. Das Mädchen machte seine Sache bestimmt gut. Sie hatte eine angenehme, freundliche Art, fand er, und war gescheit, ohne im mindesten altklug zu wirken.
»Und zusätzlich«, fuhr Josie fort, »gebe ich zusammen mit Raymond jeden Abend zwei, drei Tanzvorstellungen. Raymond Starr – er ist als Tennis- und Tanzpartner im Hotel angestellt. Aber diesen Sommer bin ich beim Baden im Meer auf den Steinen ausgerutscht und hab mir böse den Fuß verrenkt.«
Melchett hatte bemerkt, dass sie leicht hinkte.
»Da war’s erst einmal aus mit dem Tanzen, und das war schlimm. Ich wollte auf keinen Fall, dass jemand anders für mich eingestellt wird. So etwas ist gefährlich« – einen Moment lang trat ein harter, scharfer Blick in ihre gutmütigen Augen, der Blick eines Menschen, der ums Überleben kämpft –, »denn plötzlich ist man weg vom Fenster. Aber da fiel mir Ruby ein, und ich habe dem Direktor vorgeschlagen, sie ins Majestic zu holen. Ich konnte weiter die Gäste betreuen, beim Bridge und so, und Ruby konnte das Tanzen übernehmen. Dann blieb es sozusagen in der Familie, verstehen Sie?«
Melchett nickte erneut.
»Der Direktor war einverstanden, ich habe Ruby telegraphiert, und sie ist gekommen. Das war Chance für sie. Um Klassen besser als alles, was sie vorher gemacht hatte. Das war vor ungefähr vier Wochen.«
»Verstehe. Und – hatte sie Erfolg?«
»O ja«, sagte Josie leichthin. »Sie kam sehr gut an. Sie tanzt zwar nicht so gut wie ich, aber Raymond hat ihr geschickt über die Schwierigkeiten hinweggeholfen. Und sie war hübsch, müssen Sie wissen – schlank, blond, kindliches Gesicht. Nur geschminkt hat sie sich zu stark – immer wieder hab ich ihr das gesagt. Aber Sie wissen ja, wie diese jungen Mädchen sind. Sie war erst achtzehn, und in dem Alter übertreibt man gern ein bisschen. Aber in einem erstklassigen Hotel wie dem Majestic geht das nicht. Ständig hab ich mit ihr geschimpft deswegen und ihr gesagt, sie soll sich nicht so anmalen.«
»War sie beliebt bei den Gästen?«, fragte Colonel Melchett.
»Ja, sehr. Bei den älteren Herren vielleicht mehr als bei den jungen. Sie war nicht übermäßig helle.«
»Hatte sie einen speziellen Freund?«
Josie sah ihn verständnisinnig an. »Nein, nicht wie Sie’s meinen. Jedenfalls weiß ich von keinem. Aber sie hätte es mir sowieso nicht gesagt.«
Melchett fragte sich, weshalb nicht – Josie machte so gar nicht den Eindruck einer gestrengen Zuchtmeisterin. Aber er sagte nur: »Würden Sie mir jetzt bitte Ihre letzte Begegnung mit Ihrer Kusine beschreiben?«
»Das war gestern Abend. Sie und Raymond gaben zwei Vorstellungen, eine um halb elf und eine um zwölf. Nach der ersten hat Ruby mit einem von den jungen Männern getanzt, die im Hotel wohnen. Ich selber habe im Gesellschaftsraum mit ein paar Leuten Bridge gespielt. Zwischen dem Gesellschaftsraum und dem Ballsaal ist eine große Glasscheibe, und durch die habe ich sie zum letzten Mal gesehen. Kurz nach Mitternacht kam Raymond fürchterlich aufgeregt zu mir und wollte wissen, wo Ruby sei. Die Vorstellung sollte anfangen, und sie war nicht da. Ich war vielleicht wütend, kann ich Ihnen sagen! Typisch für diese jungen Dinger – verderben sich’s mit der Direktion, und dann fliegen sie raus! Ich bin mit Raymond in ihr Zimmer rauf, aber da war sie auch nicht. Sie hatte sich umgezogen, denn das Kleid, das sie zum Tanzen angehabt hatte – eine rosa Tüllwolke mit weiten Röcken –, hing über einem Stuhl. Normalerweise hat sie zu beiden Vorstellungen dasselbe Kleid getragen, nur mittwochs nicht, da ist im Hotel Ballabend.
Ich hatte keine Ahnung, wo sie hätte sein können. Der Kapelle haben wir gesagt, sie sollen noch einen Foxtrott spielen, und als dann immer noch keine Ruby da war, habe ich Raymond gesagt, ich springe für sie ein. Wir haben einen Tanz ausgesucht, der meinen Knöchel nicht zu sehr belastet, und haben’s kurz gemacht. Trotzdem hatte ich danach wieder...