E-Book, Deutsch, 320 Seiten
Cody Miss Terry. Kriminalroman
1. Auflage 2016
ISBN: 978-3-95988-063-3
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
ISBN: 978-3-95988-063-3
Verlag: CulturBooks Verlag
Format: EPUB
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Deutscher Krimi Preis 2017 Platz 4 der KrimiBestenliste, Februar 2017. Platz 2 der KrimiBestenliste, Januar 2017. Platz 4 der KrimiZEIT-Bestenliste: die besten Krimis des Jahres 2016. Platz 1 der KrimiZEIT-Bestenliste, Dezember 2016. Presse (Auswahl) »Liza Codys meisterlicher Krimi ?Miss Terry? ist ein Lehrstück über alltäglichen Rassismus - ein Buch der Stunde.« Sandra Kegel, FAZ »?Miss Terry? ist ein großes Buch. Wieder eigentlich kein Krimi, sondern das Ergebnis des haarfeinen, gewohnt präzisen Gesellschaftsmikroskopierens von Liza Cody. Das ist lustig. Und böse. So aktuell kann ein Kriminalroman sein.« Elmar Krekeler, DIE WELT, Krimi der Woche »Ein Krimi, der die Diskriminierung fremd aussehender Menschen thematisiert, aber auch die frauenfeindlichen Traditionen anderer Kulturen.« HR Info »?Miss Terry? liefert nicht nur Spannung, sondern auch wie nebenbei eine sozialkritische Bestandsaufnahme des (Miss-)Verhältnisses, in dem die einstmals offene Weltfahrer-Gesellschaft England und ihre Zuwanderer stehen.« Edina Picco, CrimeMag »Mit ihrem Krimi ?Miss Terry?, der schon 2012 in England veröffentlich und erst jetzt ins deutsche übersetzt wurde, trifft die Autorin Liza Cody mitten ins Schwarze.« Nordwestradio »?Miss Terry? zeigt ein buntes Ensemble aus authentisch-britischen Unterschichtscharakteren und ?anderen? liebenswerten Randschicksalen.« Der Freitag »Sozialkritisch, aktuell und aufwühlend - mit einem Kriminalfall garniert. Absolut lesenswert.« Die dunklen Felle Das Buch Ein Reihenhaus nah am Fluss, mitten in der Stadt. Eine ruhige kleine Straße. Für Nita Tehri scheint es gut zu laufen: Sie hat Arbeit, eine hübsche Wohnung und einen sorgsam geregelten Tagesablauf. Sicher, sie sieht ein bisschen anders aus als ihre Nachbarn. Aber das ist kein Problem. Bis eines schönen Wintertags in der Guscott Road ein Müllcontainer aufgestellt wird ... Die englische Grundschullehrerin Nita Tehri sucht keinen Streit, ist freundlich zu Nachbarn und Kolleginnen, buchstabiert geduldig ihren Namen, wenn man sie Miss Terry nennt. Eines Morgens wird ihrem Haus gegenüber ein Container abgestellt, gedacht für den Bauschutt einer Sanierung. Und plötzlich beginnt eine Hetzkampagne, für die Nita nicht gewappnet ist. Schließlich muss sie sich fragen: Wem nützt es, sie zum Opfer zu machen? Wer hat hier wirklich Dreck am Stecken?
Liza Cody studierte Kunst und arbeitete u.?a. als Roadie, als Fotografin, Malerin und Möbel-tischlerin, bevor sie zum Schreiben kam. Ihre Kriminal¬romane um die Londoner Privatdetektivin Anna Lee wurden mit etlichen Preisen ausgezeichnet, in viele Sprachen übersetzt und fürs Fernsehen verfilmt. In den 1990ern begann sie mit der als Genrebreaker berühmt gewordenen Bucket-Nut-Trilogie um Catcherin Eva Wylie, für die sie u.?a. den Silver Dagger erhielt (deutsche Titel: Was sie nicht umbringt, Eva sieht rot, Eva langt zu). Seitdem folgten sehr unterschiedliche Romane, welche die Lust am Experimentieren mit ausgefuchsten Genre-Anleihen verbindet. Für »Lady Bag« (erschien in England 2013, deutsch bei Ariadne 2014) erhielt sie den Deutschen Krimi Preis 2015. Liza Cody lebt in Bath und schreibt weitere Romane.
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2
Man ermittelt
Es klingelte, als sie dabei war, Gemüse klein zu schneiden, der Reis köchelte schon. Eine Männerstimme fragte aus der Gegensprechanlage: »Miss Terry? Polizei, Constable Reed. Kann ich kurz auf ein paar Fragen raufkommen?« »Tehri«, betonte Nita. »Können Sie sagen, worum es geht? Ich koche gerade.« »Wir führen in Ihrer Nachbarschaft nur ein paar Ermittlungen durch«, sagte die metallische Stimme. »Es dauert nicht lange.« Nita drückte auf den Summer und hörte die Tür unten im Haus auf- und wieder zugehen. Sie stellte sich an die Wohnungstür und legte die Sicherheitskette vor. Sie bezweifelte gar nicht, dass Constable Reed echt war. Sie wollte einfach nur klarstellen, dass sie vorsichtig war und sich nicht so leicht etwas vormachen ließ. Er setzte sich auf ihr kleines Sofa, die langen Beine auf dem Wollteppich ausgestreckt, und wirkte so fehl am Platz wie ein Rasenmäher auf der Tanzfläche. Es saßen nicht oft Männer auf Nitas Sofa, außer den Jungs von unten, die nicht wirklich zählten. Sie war verunsichert und bot ihm Tee an. Sie hatte keine Ahnung, was für Benimmregeln gegenüber massigen, nicht eingeladenen Männern galten. »Nein danke«, sagte er. »Sie haben von hier oben ja sehr gute Sicht auf die Straße. Wie steht’s denn mit dem Haus gegenüber – stört Sie der Lärm sehr?« »Ich arbeite tagsüber. Und ich gehe früh aus dem Haus, also behelligt mich das nicht sonderlich.« »Was ist mit dem Container? Der nimmt doch Parkplätze weg, nicht? Sie haben ja einen prima Blick darauf.« »Ich habe kein Auto.« »Im Ernst?« »Ich bin Lehrerin«, führte Nita aus. »Ein Auto kann ich mir kaum leisten und brauche auch keins in einer Stadt wie dieser.« Der Polizist guckte so verständnislos drein wie alle Männer, denen Automobile in die DNA eingraviert waren. Dann schüttelte er den Kopf und besann sich wieder auf sein Thema. »Aber ich schätze mal, Sie kriegen es mit, wenn Leute was in den Container werfen. Ich meine, Leute, die das nicht sollen?« »Sie meinen illegale Abfallentsorgung?« Nita war es gewöhnt, dass Leute annahmen, sie sei nicht mit den richtigen Begriffen vertraut, aber es ödete sie an. »Sie sind doch sicher nicht wegen wilder Müllentsorgung hier?« »Eigentlich nicht.« Constable Reed sah verlegen aus. »Ähm … jemand von Ihren Nachbarn erwähnte, Sie hätten in letzter Zeit einiges an Gewicht verloren.« »Wie bitte? Wer hat Ihnen das gesagt? Was bitte geht Sie das an?« Sie erhob sich, die Hände in die Hüften gestemmt, als stünde sie vor einer Klasse achtjähriger Rüpel. Sah befriedigt, wie der Polizist rot wurde. Er sagte: »Hören Sie, so läuft das in die falsche Richtung. Ich soll Sie doch bloß fragen, was Sie aus Ihrem Fenster erkennen konnten. Es heißt, Sie sind öfters gesehen worden, spätnachts, verstehen Sie, wie Sie rausgeguckt und die Straße beobachtet haben.« »Ich schau mir den Mond an, und ansonsten kümmere ich mich um meine eigenen Angelegenheiten.« Nita war wütend. »Sie gehen jetzt besser, mein Reis brennt an.« Sie wandte sich ab und marschierte in die Küche. Der Reis war nicht angebrannt, aber gar, und sie nahm ihn vom Kochfeld. Ihre Hände zitterten. Noch nie hatte sie einen erwachsenen Mann zurechtgewiesen. Verinnerlichte kulturelle Altlasten, dachte sie. Und zum zweiten Mal an diesem Abend gab sie ihrer Mutter die Schuld. Sie hörte ihre Wohnungstür ins Schloss fallen, hörte Reeds schwere Schritte auf der Treppe und merkte, dass sie den Atem angehalten hatte. Schlimme Dinge widerfahren Frauen, die sich gegen große Männer auflehnen. Sie erschrak, wie automatisch ihr dieser Gedanke kam. »Ich bin Lehrerin«, sagte sie laut zu Küchenmesser und Schneidebrett. »Das ist ein achtbarer Beruf. Er kann nicht einfach in meine Wohnung hereinschneien und mir sonst was unterstellen.« Sie schnetzelte Chili, Ingwer, Pilze, Chinakohl und Koriander und versuchte sich zu beruhigen. Das Gemüse zischte im heißen Öl und duftete phantastisch, doch sie hatte keinen Hunger mehr. Trotzdem füllte sie einen Teller und trug ihn ins Wohnzimmer, in der Hoffnung, dass der Rest der Abendnachrichten ihr das Gefühl zurückbrachte, selbst über ihre Wirklichkeit zu bestimmen. Das Fernsehbild zeigte jedoch einen staubigen Ort, wo große Männer mit Turbanen wütend herumbrüllten und mit Gewehren in die Luft schossen. Sie warf einen Blick aus dem Fenster und sah zwei Tauben auf dem Dach von Nummer 15. Ein Männchen stolzierte im Kreis um ein Weibchen herum, das reglos dasaß. Plötzlich hüpfte das Männchen auf den Rücken des Weibchens, presste es auf die Dachschindeln, spreizte die Flügel und flatterte triumphierend. Ein paar Sekunden, und das war’s. Er flog davon und ließ sie allein zurück, ein einsamer grauer Schatten auf traurigen grauen Schieferschindeln. Sie stand auf und ließ die Jalousie runter. Hoffentlich hatte niemand von der anderen Straßenseite aus verfolgt, wie sie den Tauben zusah. Immerhin hatte irgendwer der Polizei schon zugetragen, dass sie nachts gern am Fenster stand. Wer beobachtete sie denn bloß? Warum wurde überhaupt über ihr Tun und Lassen spekuliert? Ihr kam Dianes Bemerkung über Terrorismus in den Sinn. Aber Diane wohnte auf derselben Straßenseite wie Nita und konnte sie folglich gar nicht sehen, wenn sie rausguckte. Und wen außer ihr selbst ging ihr Gewicht etwas an? Nita trug ihren Teller in die Küche zurück. Sie spannte Folie darüber und schob ihn in den Kühlschrank. Vielleicht bekam sie später noch Hunger. Sie füllte den Kessel, um sich eine Tasse Tee zu machen. Es klingelte. Ein Mann sagte: »Sergeant Cutler. Können wir kurz miteinander reden?« »Worüber, Sergeant Cutler?« Nita bog den Hals, um die Verspannung in ihrem Nacken loszuwerden. »Ich habe eben erst mit Constable Reed gesprochen, und er war nicht gerade höflich.« »Könnten Sie mich einlassen, Miss Terry? Möglicherweise lässt sich das mit einem kleinen Gespräch klären.« Sergeant Cutler sah beinhart und müde aus. »Was dagegen, dass ich die Jalousie öffne? Ich würde gern mal hinausschauen.« »Möchten Sie vielleicht auch die Möbel umstellen?«, entfuhr es Nita unüberlegt. »Hören Sie, warum sagen Sie mir nicht einfach, was Sie von mir wollen? Ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie mir keine klaren Fragen stellen.« »Was dagegen, dass ich die Jalousie öffne?« Sergeant Cutler klang wie ein Automat. Er wartete nicht auf ihre Erlaubnis, sondern zog die Jalousie hoch und spähte hinaus auf die rasch dunkler werdende Straße. Nita wandte sich ab und marschierte in die Küche. Sie stellte den Kessel wieder an. Ihre Hände waren schwitzig. Sergeant Cutler folgte ihr. »Reed teilte mir mit, Sie hätten äußerst empfindlich reagiert.« Er sah zu, wie sie die Kanne vorwärmte und methodisch, Schritt für Schritt, einen anständigen Tee zubereitete. »Für mich zwei Stück Zucker«, sagte er, als sie fertig war. »Und nur einen Tropfen Milch.« »Wollen Sie mich auf die Schippe nehmen?« »Vielleicht hatten wir keinen so guten Start.« Er strich mit groben Fingern über ihre cremefarbene Arbeitsplatte. Dann ergriff er das Küchenmesser und prüfte die Spitze. »Scharf.« Er leckte sich Blut vom Daumen. Nita zog eine Schublade auf und stellte ihm eine Blechdose mit Pflastern hin. Jetzt, da sie die Farbe seines Blutes kannte, war sie ihm wohl eine Tasse Tee schuldig. Sie goss einen Becher voll, tat zwei Stück Zucker und einen Tropfen Milch hinein und reichte ihn ihm wortlos. Er folgte ihr zurück ins Wohnzimmer und sah zu, wie sie die Jalousie wieder herunterließ. Sie setzte sich ihm gegenüber, fest entschlossen, ihn zu einer klaren Ansage zu nötigen, ehe sie sich vorauseilend zu irgendetwas äußerte. »Wir möchten gern mehr über vorgestern Abend wissen«, sagte er schließlich. Nita sagte nichts. »Ich meine den Abend, bevor der Container zur Leerung abgeholt wurde.« Nita schwieg. Sergeant Cutler seufzte und fragte dann: »Als Sie an jenem Abend aus dem Fenster sahen, Miss Terry, haben Sie da jemanden gesehen, der versucht hat, irgendetwas unbemerkt in den Container zu tun?« »Nein, habe ich nicht«, sagte Nita. »Warum?« »Haben Sie versucht, unbemerkt etwas in den Container zu tun?« »Nein, selbstverständlich nicht. Warum fragen Sie mich das? Was haben Sie denn gefunden?« »Wer sagt, dass wir etwas gefunden haben?« »Das schließe ich aus Ihren Fragen.« »Lassen Sie das«, sagte Sergeant Cutler. »Antworten Sie einfach ehrlich auf die Fragen, dann können wir gut miteinander auskommen.« »Schön.« Sie legte die Hände ineinander und wartete auf die nächste Frage, aber Cutler stand auf und sagte: »Tja, das wäre erst mal alles. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, was Sie mir besser gleich erzählt hätten, dann rufen Sie mich auf der Wache in der Wallace Street an.« Er ging, und Nita begab sich in die Küche, um die Teebecher in den Geschirrspüler zu tun. Sie öffnete das Küchenfenster. Mit Sergeant Cutler darin hatte sich ihre Wohnung winzig, eng und stickig angefühlt. Sie atmete tief durch. Die Abendluft ließ sie frösteln, half aber nicht gegen das Bedürfnis nach mehr Platz. Sie nahm ihren warmen Mantel vom Haken im Flur und ging hinaus. Vor der Wohnungstür von Toby und Leo blieb sie stehen und horchte, aber es war kein Mucks zu hören....