E-Book, Deutsch, 224 Seiten, E-Book
Colsman / Dornberg / Berdi Die Werttreiber
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7910-6530-4
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Plädoyer für ein holistisches Unternehmertum
E-Book, Deutsch, 224 Seiten, E-Book
ISBN: 978-3-7910-6530-4
Verlag: Schäffer-Poeschel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In dem Buch „Die Werttreiber“ wird der Gestaltungsraum eines verantwortungsvollen und nachhaltigen Unternehmertums neu vermessen. Es gibt den Leser:innen ein holistisches Unternehmerbild an die Hand, das sich über klassische Paradigmen von Eigennutzorientierung und Gewinnmaximierung hinwegsetzt. Damit besetzt das Autorentrio einen blinden Fleck der Wirtschaftswissenschaften, die die Rolle, Bedeutung und Wirkung der Unternehmer:innen im Gefüge von Gesellschaft und Wirtschaft weitgehend ignorieren. Mit analytischer, interdisziplinärer und lebensnaher Geste greift der Text inspirierende Impulse aus Soziologie und Systemtheorie, Geschichte und Recht, Philosophie und Psychologie auf. Ohne moralisch zu werden, gibt „Die Werttreiber“ vielmehr einer umfassend begründeten Interpretation von Unternehmertum Substanz, in der die ökonomische Überlebensfähigkeit von Unternehmen in der komplexer werdenden Welt mit den ökologischen und sozialen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zusammengeführt werden.
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Prolog
Warum dieses Buch? Auf diese Frage gibt es eine persönliche und eine politische Antwort. Die persönliche Antwort ist einfach: weil der Co-Autor Erich Colsman – zeitlebens Familienunternehmer und Gesellschafter, Beiratsmitglied und engagierter Ehrenamtler, gelernter Kaufmann und Textilwirt – mit seinen über 80 Jahren immer noch ein leidenschaftlicher Lernender ist. Zentrale Fragen des Unternehmertums haben ihn nie losgelassen: Wie ist Privateigentum an Produktionsmitteln zu rechtfertigen? Was bedeutet dies für die Verfügungsgewalt über den Gewinn und seine Verteilung, für das Verkaufsrecht und die Frage nach der Verwertung? Und wie wirkt sich das konkret auf die Führung von Unternehmen aus? Wie ist die Rolle von wirtschaftlichen Akteurinnen und Akteuren1 im Kontext der Sozialen Marktwirtschaft zu bewerten? Wie konstituiert sich eine Arbeitsgemeinschaft mit dem Anspruch, ein Gleicher unter Gleichen zu sein? Was zählen Mitarbeitende in der kühlen Welt betriebswirtschaftlicher Erwägungen, lassen sie sich nicht empathischer ansprechen, motivieren und einbinden? Braucht es nicht ein deutlich adäquateres, umfassenderes Menschenbild als den Homo oeconomicus? Wie schafft und schöpft man gemeinsam Werte, und welche Verteilungsfragen ergeben sich daraus? Und letztlich, gegen Ende seines Berufslebens: Sollte es nicht möglich sein, eine gesellschaftsrechtliche Form ins Leben zu rufen, die eine generationenübergreifende und treuhänderische Existenzsicherung eines Unternehmens gewährleistet? Soweit zur Ausgangsmotivation dieses Buches. Bei näherer Betrachtung sind die Geschwister der persönlichen Motive oft die politische Geste, das Bedürfnis nach Diskurs und Auseinandersetzung sowie das Ziel, Missverhältnisse anzusprechen und blinde Flecken aufzudecken. Kurzum: eine kritische Haltung einzunehmen, die herausfordert und den Wunsch nach E-Motion, nach Bewegung und Veränderung ausdrückt. An dieser Stelle gesellen sich die Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin Bettina Dornberg und der Wirtschaftsjournalist Christoph Berdi als Co-Autoren dazu. Schnell wird dem Autorentrio klar – und Literaturrecherchen bestätigen dies –, dass hier ein Schatz gehoben und eine Lücke in der Literatur geschlossen werden kann. Erich Colsmans originelle, besser originäre Gedanken über den Zusammenhang von Macht und Freiheit, von Kapital und Rechten, von Rolle und Selbstverständnis, von Potenzialen und Begrenzungen zukunftsweisenden Unternehmertums korrespondieren spielend mit der werteorientierten und identitätsstiftenden Haltung von Dornberg und Berdi. Das Ziel ist es, ein Buch nicht nur über, sondern für Unternehmerinnen und Unternehmer, für Gründerinnen und Gründer vorzulegen. Schließlich sind sie es, die mit ihrer Persönlichkeit und ihren Werten, mit ihrem Verständnis von Führung und Organisation, mit ihren Parametern für wirtschaftliches Handeln und ihrer Innovations- wie Initiativkraft einen fundamentalen Einfluss haben, wie sich unsere Zukunft gestaltet: ökonomisch, ökologisch und sozial. Hier setzt dieses Buch mit dem Anspruch an, ein holistisches Unternehmerbild für das 21. Jahrhundert zu entwerfen sowie ein überfälliges Update zu den Wirkungsweisen von Eigenkapital, Herrschaft und Gewinn zu liefern. Da die Betriebswirtschaftslehre Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Persönlichkeit und mit ihren Potenzialen nicht wahrnehmen kann oder will, erweitern wir die Perspektive um Systemtheorie und Soziologie, Historie und Recht, Philosophie und Psychologie. Ein komplexes Zusammenspiel Der Begriff Holismus – altgriechisch hólos für ganz, gesamt, vollständig – wird erst seit gut 100 Jahren benutzt und – im Sinne einer Inspiration – mit einem der beliebtesten Zitate von Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.) verbunden. »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile«: Unsere Erfahrung als Menschen beweist, wie wahr dieser Aphorismus des griechischen Universalgelehrten ist – auch wenn er selbst damit sagen wollte, dass die Form eines Ganzen nicht durch die Summe ihrer Bestandteile erfasst werden kann. Im vollständigen Wortlaut heißt es in den erst später unter dem Titel »Metaphysik« zusammengefassten Schriften bei Aristoteles: »Das, was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet – nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe –, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde.« Die tiefere Bedeutung erschließt sich sofort: Die Lehre des Holismus betont, dass die Eigenschaften und Funktionen eines Systems nur im Kontext des gesamten Systems verstanden werden können. Einzelne Elemente einer Gesamtheit beeinflussen sich gegenseitig, sodass das Ganze eine eigene Qualität besitzt, die nicht allein aus den Eigenschaften ihrer Teile erklärbar ist. Ein Organismus beispielsweise ist mehr als seine Ansammlung von Zellen, nämlich ein komplexes und koordiniertes Zusammenspiel auf einer höheren Systemebene. Eine holistische Perspektive auf Unternehmen einzunehmen, heißt, sie mit ganzheitlichen, systemischen, interdisziplinären und kontextualen Denkansätzen zu beschreiben und zu verbinden. Obwohl holistische Ansätze oft im Widerspruch zur analytischen Methodik vieler Naturwissenschaften stehen, liegt gerade darin ihr Reiz. Holismus wird getragen von der Potenzialität einer Emergenz, also dem Phänomen, dass in einem System neue Eigenschaften, Strukturen oder Verhaltensweisen entstehen können und de facto immer wieder entstehen, die eben aus ihren einzelnen Teilen nicht direkt ableitbar sind. Es ist allen Unternehmerinnen und Unternehmern nur zu wünschen, dass sie in emergenten Momenten erleben, wie ihre Organisation zu ungeahnten Leistungen fähig wird. Vielleicht leisten unsere Ausführungen in den fünf Kapiteln und im abschließenden sechsten Kapitel als Epilog einen Beitrag, um die Wahrscheinlichkeit solch unerwarteter Erfolge zu erhöhen: Die Kapitel im Einzelnen In Kapitel 1 wird das komplexe und keineswegs störungsfreie Verhältnis zwischen »Unternehmertum und Gesellschaft« untersucht. Im Kern stehen die Auseinandersetzung mit den verfassungsmäßigen, unternehmerischen Grundrechten und deren Folgen sowie die Rolle der Unternehmerinnen und Unternehmer als zentrale Akteure der Sozialen Marktwirtschaft. Ein besonderes Augenmerk gilt der Bilanz als Nachweis und Spiegel von Erfolg respektive Misserfolg und dem – allzu häufig missverstandenen – Phänomen Eigenkapital. Die Betrachtung mündet in die Interpretation der Herrschafts-, Gewinn- und Verkaufsrechte der Unternehmerinnen und Unternehmer und den damit verknüpften Führungs-, Verteilungs- und Verwertungsfragen. Geschildert wird zudem, wie die Lücke zwischen finanzieller und nichtfinanzieller, sprich nachhaltigkeitsbezogener Berichterstattung geschlossen wird. Den Abschluss bildet ein erstes Angebot zu einem möglichen Selbstverständnis für verantwortungsbewusstes Unternehmertum im 21. Jahrhundert. Im Mittelpunkt von Kapitel 2 steht eine konstruktiv-kritische Auseinandersetzung mit der Betriebswirtschaftslehre (BWL), die das fachliche, methodische und instrumentelle Referenzsystem aller ökonomischen Akteurinnen und Akteure und damit der Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland darstellt. In Form einer Ideengeschichte der BWL werden zentrale Erkenntnisse, Denkweisen und Instrumente der Disziplin skizziert. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Meilensteinen der BWL im deutschsprachigen Raum, ergänzt um Konzepte und Forschungsansätze aus den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaften. Dabei werden Paradigmen der BWL, etwa der Homo oeconomicus als rationaler und eigennütziger Agent, sowie Imperative wie die Gewinnmaximierung nicht nur diskutiert, sondern vehement infrage gestellt. Außerdem wagen wir es, den Gewinn nicht als Hauptbedingung wirtschaftlichen Handelns, sondern als Nebenbedingung neu zu bewerten. Der Scheuklappen-Blick eines neoliberalen Shareholder Value wird auf die – gesamtgesellschaftlich betrachtet – letztlich werthaltigere Perspektive des Stakeholder Value geweitet. Wertbildendendes Unternehmertum, wie es die Autoren dieses Buches interpretieren, und der Charakter von Organisation stehen im Zentrum von Kapitel 3. Die Kernfunktionen von Unternehmerinnen und Unternehmern – konsequente Kundenorientierung, innovative Koordination der Produktionsfaktoren, Arbeit am und nicht im System – werden ergänzt um Interpretationen zur Kunst der Unternehmensführung und der Bedeutung von Unternehmerinnen und Unternehmern als dispositiver Faktor. Die im zweiten Kapitel aufgeworfene Frage nach der Höhe und Verteilung des Gewinns wird hier ausführlich diskutiert. Das besondere Augenmerk gilt der Organisation. Der überholten Vorstellung von Unternehmen als Maschinen stellen wir das Konzept des lebendigen Organismus entgegen, der sich an die Lebensbedingungen seiner ökonomischen Nische permanent anpasst, mitunter ein Eigenleben entwickelt und eine eigene Persönlichkeit annimmt. Anhand systemtheoretischer Überlegungen zur Autopoiesis, insbesondere nach Niklas Luhmann, werden die konstituierenden Elemente und Funktionsweisen lebendiger Organisationen herausgearbeitet. Das Kapitel...