E-Book, Deutsch, 195 Seiten
Comnick / Mauritz Sinn: Über Leben in Krisen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-647-99226-6
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Dein Workbook für seelische Resilienz
E-Book, Deutsch, 195 Seiten
ISBN: 978-3-647-99226-6
Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Christina Comnick, M. A. Management - Education - Diversity, B. A. Soziale Arbeit, ist Entwicklerin der 'Seelienz®- Seelische Resilienz' und leitet den Fachbereich in der Resilienz Akademie Göttingen. Mit langjähriger Erfahrung in der psychosozialen Krisenintervention unterstützt sie als Resilienz-Trainerin und -Coach bundesweit Einzelpersonen und Teams in der Krisenbewältigung und Sinnfindung.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1.1Dein »Warum«
In diesem Rahmen (? Abbildung 2) hast du die Möglichkeit, dein persönliches »Warum« zu reflektieren und bewusst festzuhalten.
Abbildung 2: Dein »Warum«
- Warum halte ich dieses Buch in den Händen?
- Warum ist dieser Moment jetzt von Bedeutung für mich?
- Warum möchte ich mehr zum Thema Sinn erfahren?
1.2Warum ist Sinn ein Schutzfaktor der seelischen Resilienz?
Abbildung 3: Übersicht zur Einordnung von seelischer Resilienz (erstellt von Christina Comnick)
Durch die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit nimmt auch die Auseinandersetzung mit dem Resilienzbegriff stetig zu. Doch was bedeutet Resilienz eigentlich, und hier speziell seelische Resilienz? Abbildung 3 bietet eine Orientierung, in welchem Themenbereich wir uns mit diesem Buch befinden. Im Kontext der »angewandten Resilienz« – der Verbindung aus Wissenschaft und Praxis – entwickelten wir in der Resilienz Akademie Göttingen das Modell »Vier Arten individueller Resilienz«. Eine dieser Resilienzarten ist die »Seelische Resilienz« und das Konzept dazu bezeichnen wir als Seelienz®. Der Schutzfaktor »Sinn« nimmt wiederum einen zentralen Stellenwert zur Stärkung der seelischen Resilienz ein. Warum das so ist, erfährst du im Folgenden.
1.2.1Was verstehen wir unter angewandter Resilienz?
Der Begriff »Resilienz« (abgeleitet von »resilire« = »zurückprallen«) stammt ursprünglich aus der Physik und Werkstoffkunde. In den 1970er Jahren wurde Resilienz dann als eine psychologische Eigenschaft des Menschen und »Widerstandskraft« beschrieben (Duden Online, o. J., Begriff »Resilienz«). Beheimatet ist der Begriff im Englischen und wird dort auch mit »Elastizität und Spannkraft« übersetzt. Allgemein und kurz gefasst kann er damit beschrieben werden, Belastungen (bis hin zu Traumata) zu bewältigen und die Gesundheit aufrechtzuerhalten. In der Resilienzforschung wird auch von der Fähigkeit »to bounce back« gesprochen (Amann u. Egger, 2017, S. 31). Heute wird dieser Begriff auch durch den Zusatz »to bounce forward« ergänzt. Hiermit ist nicht die Rückkehr in einen alten Zustand gemeint (von dem man sich erholt), »sondern eine kontinuierliche Anpassung unter sich verändernden Umweltbedingungen« (Roth, 2020).
Resilienzdefinitionen gibt es viele und auch Forschungszweige wachsen stetig weiter. Die Wissenschaft beschäftigt sich intensiv mit der Frage, welche Faktoren und Umgangsstrategien zur Anpassungsfähigkeit und darüber hinausgehend zu neuem Lernen und Wachsen in der Zukunft beitragen.
Sehen wir einmal genauer hin, zeigt sich, dass der Ursprung von Resilienz viel weiter zurückgeht. Ja, fast so uralt ist, wie unsere Menschheitsgeschichte. Unsere Recherche im Zuge der Konzeption »Seelische Resilienz« führte uns zu den alten Philosophen der Antike und in die Religionsgeschichte zurück. Genauer gesagt zur Patristik, die in der christlichen Theologie und Philosophie die Wissenschaft bezeichnet, in der sich mit den alten Kirchenvätern beschäftigt wird. Wegweisend sind hier die Schriften der Wüstenväter und Wüstenmütter. Sie lebten ab dem dritten Jahrhundert n. Chr. ein hartes Einsiedlerleben oder in kleinen Gruppen in der ägyptischen und syrischen Wüste. Dort waren sie heftigsten äußeren und inneren Einflüssen ausgesetzt, »[…] was die Herausbildung von Widerstandskraft in Zeiten von Anfechtungen notwendig machte« (Sedmak u. Bogaczyk-Vormayr, 2015, S. VII). In ihren Briefen, die sie aus der Wüste schrieben, hinterließen sie wegweisende Hinweise für den Umgang mit Widrigkeiten. Schlüsselressourcen waren zum Beispiel Kontemplation, Vertrauen, Selbstreflexion und Demut. Die Briefe der ersten Christ:innen sind für die Beschäftigung mit der angewandten seelischen Resilienz besonders spannend, da sie »Botschaften bringen, eine Belehrung anbieten und Trost spenden« (Sedmak u. Bogaczyk-Vormayr, 2015, S. 5). Sie können als »Dokumente der Überlieferung« sowie als »Lebens- und Werkzeugkisten, welche Lebenskraft und Lebenskrisen illustrieren« betrachtet werden (S. 5). Im Praxisteil tauchen wir hierzu noch weiter ein.
Zurück im Hier und Jetzt zeigt sich, dass die Beschäftigung mit Resilienz heute in einem weiten Spektrum Anwendung findet. Von der individuellen und Team-Resilienz bis hin zur organisationalen und kollektiven Resilienz beschäftigen sich heute unterschiedlichste Fachbereiche mit der Frage, welche Strategien dabei helfen, sich flexibler an Veränderungen anzupassen und nach hohen Anspannungsphasen wieder zu erholen. Wir fassen Resilienz deshalb auch gerne als »Oszillationsfähigkeit« zusammen – die Dynamik aus Adaptation und Regulation. Diese Oszillation lässt sich sowohl auf ein Individuum als auch auf ein System übertragen. Während individuelle Resilienz persönliche Umgangsstrategien und Selbstregulation umfasst, geht es bei der Team- und organisationalen Resilienz um die Anpassung von Strukturen und Prozesse, die zu einer krisensicheren Kultur und Change-Kompetenz beitragen. Kollektive Resilienz fokussiert darüber hinaus auf Strategien eines Sozialsystems für einen besseren Umgang mit gesamtgesellschaftlichen und globalen Herausforderungen.
Angewandte Resilienz bedeutet für uns, wissenschaftliche Erkenntnisse der Resilienzforschung in die Praxis zu übertragen. Ziel ist es, die Prozesse zu stärken, die eine resilientere Reaktion auf Herausforderungen wahrscheinlicher machen und die individuelle Resilienzkapazität nachhaltig erhöhen. Durch praxisnahe Methoden und gezielte Strategien wird Resilienz nicht nur verstanden, sondern aktiv gefördert und gelebt.
Die Wege dorthin sind vielfältig. Wir begreifen Resilienz als Metaansatz, in dem nicht nur einzelne Perspektiven, sondern verschiedene Disziplinen, Theorien und Einflussfaktoren in einem übergeordneten Rahmen beleuchtet werden. Zentral und unabdingbar dafür ist die Stärkung individueller Resilienz von innen heraus. Je mehr wir Resilienz auf persönlicher Ebene fördern, desto wahrscheinlicher wird eine positive Veränderung auch im kollektiven Kontext. Dieses Workbook konzentriert sich deshalb auf deine individuelle Resilienz. Das bedeutet: Es geht um die Faktoren, die dir helfen, besser durch herausfordernde Zeiten zu kommen und, nach hohen Anspannungsphasen, wieder neue Kraft zu schöpfen.
Resilient zu sein umfasst vor allem, sich der Risikofaktoren (z. B. aktuelle Belastungen oder dysfunktionale Muster) bewusst zu sein, die deine Energie rauben und zu Vulnerabilität beitragen, sowie der Schutzfaktoren (z. B. Ressourcen, Haltungen oder Fähigkeiten), die dir in Stressphasen Energie schenken. Ziel sollte es immer sein, Risikofaktoren zu identifizieren – und besonders die Schutzfaktoren gezielt zu stärken, die zur Aufrechterhaltung deiner Gesundheit beitragen.
1.2.2Was steckt hinter dem Modell »Vier Arten angewandter individueller Resilienz«?
Mit dem Ziel, einen Beitrag zur ganzheitlichen Gesundheitsförderung zu leisten und Resilienz für die Praxis greifbarer zu machen, entwickelten wir in der Resilienz Akademie das Modell der »Vier Arten individueller Resilienz« (Mauritz, van der Linde, Langwara u. Comnick, 2023; ? S. 111).
Hier ist die seelische Resilienz quasi »zu Hause«. Auf Grundlage aktueller Forschungserkenntnisse richten wir einen differenzierten Blick auf Resilienz und leiten Strategien und Handlungsempfehlungen für die Praxis ab.
Die vier Arten individueller Resilienz – körperliche, mentale, emotionale und seelische – bieten einen strukturierten Ansatz zur Stärkung der psychischen und physischen Ebene in der angewandten Resilienz. Das Modell ermöglicht eine differenzierte Betrachtung relevanter Resilienzfaktoren und bildet die Grundlage für die Ableitung wirksamer Handlungsstrategien in der Praxis. Es findet durch ausgebildete Resilienz-Coaches, Trainer:innen sowie auch Führungskräfte in Unternehmen vielseitige Anwendung. Um das Verständnis für die seelische Resilienz zu schärfen, folgt nun ein kurzer Überblick zu den Resilienzarten:
Die körperliche Resilienz stellt für uns die Basis für eine gesunde Lebensführung dar und beschreibt die Anpassungs- und Regulationsfähigkeit des Körpers bei Stress und Belastungen. Ziel ist die Wiederherstellung des Gleichgewichts im Nerven-, Hormon-, Immun- und Entgiftungssystem. Denn wir alle wissen: Körper, Geist und Seele sind miteinander verbunden. Unser Körper zeigt uns sehr deutliche Signale der Überlastung, wie Rückenschmerzen, Bluthochdruck oder Schlafstörungen....




