Conrad | Majestät - König Ludwig von Bayern | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 335 Seiten

Conrad Majestät - König Ludwig von Bayern


1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8496-2629-7
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 335 Seiten

ISBN: 978-3-8496-2629-7
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
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Ohne Frage gehört Ludwig II. zu den schillerndsten Persönlichkeiten der bayrischen Geschichte. Dieser historische fundierte Roman legt Zeugnis ab von seinem Leben und Wirken.

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II.


Es war der reichste, überwältigendste Eindruck, den der jugendliche König je von einer Persönlichkeit empfangen hatte. Das war wahrhaftig der höhere Mensch, der kongeniale Übermensch seines königlichen Traumbildes.

Im Äußeren, auf der feinen elastischen Gestalt, ein Künstlerhaupt voll erhabener Idealität. Gedankenvolle, tiefe Augen, blau und unergründlich wie das Meer im Sonnenschein, mit einem bald strengen, bald unendlich gütigen Blick, der durch alle Höllen und alle Himmel gesehen und keine Furcht mehr kennt, nicht einmal vor dem eigenen Schicksal. Ein Mund mit feinen Lippen, bald eingekniffen von Weltverachtung, bald geschwellt von Schelmerei, Anmut und Laune, Nase und Kinn von gewaltiger Energie, mit dem Stempel des Eroberers.

Nie hatte der König so olympische Hoheit und schlichte Ungebundenheit vereinigt gesehen. Und ein berauschender Duft von Gesundheit und Lebensfröhlichkeit ging von diesem genialen Menschenwesen aus.

Jetzt hatte er wahrhaft seinen Meister gefunden.

Und der Meister hat seinen König, seinen Mäzenas gefunden.

Überschwenglich war die Freude bei beiden, da sie sich die Hand reichten und Blick in Blick versenkten. Jeder hatte das ganz bestimmte Gefühl, daß hier nicht bloß ein Bündnis von Macht zu Macht geschlossen werde, das wie ein Glücksfall seltenster Art die Entwicklung der Kunst beeinflussen muß, sondern daß auch zwei Herzen in innigster Freundschaft sich von schwerem Leid entlasten konnten.

Wie einem älteren Bruder öffnete der König seine Seele dem Meister-Freund und erzählte ihm in kindlich holden Worten seinen Gram und seine Sehnsucht.

»Siehst du diese leere Welt um mich? Nein, du kannst sie nicht sehen, dein Blick ist zu reich, es fällt zu viel Glanz heraus und vergoldet meine Öde. Aber wahrlich, es ist eine erschreckende Leere, in die ich gesetzt bin. Wie soll ich sie beleben? Mit deinen Werken, du Großer! Stelle deine göttlichen Gedanken hinein, daß sie in Fülle aufgehen, gleich dem Senfkorn des Evangeliums, du Schöpfer!«

»Mein König!« sagte voll Teilnahme der erstaunte Künstler.

»Führe mich in dein Reich aus dieser Wüstenei. Du ahnst ja nicht, du freier Mann, wie eng, hart und kalt meine Jugend war. Der reine Intellekt, die reine Grammatik, die reine Logarithmentafel – kurz, der reine Widersinn zu meiner persönlichen Natur. Gehungert hab' ich, geistig und leiblich. Oft hab' ich nicht genügend zu essen bekommen, mehr als einmal steckte mir die alte Lisi den Rest ihrer Mahlzeit zu oder brachte mir auf Umwegen ›Übriggebliebenes‹. Meinen Goethe, meinen Schiller, wie hab' ich sie verstecken müssen vor den grimmen Späheraugen meiner Erzieher. Ja, der französische Lehrer, der war gütig, der behandelte mich mit feinerer Humanität. Aber sonst keinen Freund, keinen Spielkameraden, der mich beglückt hätte. Mein Bruder ist ein herrlicher Mensch, aber er ist drei Jahre jünger als ich und im Innern und Äußern entgegengesetzt meiner Art. Er ist voll animalischer Kraft, großer Schärfe des Verstandes, mit einem wilden Hang zu jeder Tollheit. Er hat Begabung zur Schauspielerei und führt sie alle hinters Licht mit seiner lärmenden Leutseligkeit. Das ist seine Rache. Und dann diese Residenzstadt, die Schöpfung meiner Vorfahren: was für Menschheit gibt da den Ton an! Auf der einen Seite banausisches Spießbürgertum, auf der anderen dürre Wissenschaftlichkeit und eingebildeter Schulkram. Auf der einen Seite Kraft und Stoff und Fleischextrakt, auf der anderen Seite Spintisiererei und hohle Mystik. Ein brauner Biersumpf mit Kalbshaxen garniert. Hofbräuhaus. Hier wird a conto des zwanzigsten Jahrhunderts gesoffen.«

Und er versprach fürstlichen Dank, wenn der Meister bei ihm bliebe und die Residenz, die über eine so glänzende künstlerische Tradition gebiete, trotz des eingeborenen Banausentums, zum wahrhaften ästhetischen Zukunftskulturstaat gestalte, zum Mittelpunkte der neuen Allkunst, zur Zentralsonne der erhabenen Menschheitspoesie. Ach, wohl, er schwärme, aber felsenfest sei sein Glaube an die Mission der Schönheit auf dieser trüben Erde. Wie in den großen Tagen des klassischen Hellas, so solle die Kunst wieder die Lebensangelegenheit der Nation werden und die Deutschen davor bewahren, daß sie versinken im häßlichen Elend ihrer Alltagspolitik.

»Deine Hand, Meister!«

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»Er hat mich mit einem Füllhorn der Gnade überschüttet«, äußerte sich Richard Wagner nach seiner ersten Audienz beim König. »Heute wurde ich zu ihm geführt. Er ist leider so schön und geistvoll, seelenvoll und herrlich, daß ich fürchte, sein Leben müsse wie ein flüchtiger Göttertraum in dieser gemeinen Welt zerrinnen. Er liebt mich mit der Innigkeit und Glut der ersten Liebe. Er will, ich soll immerdar bei ihm bleiben, arbeiten, ausruhen, meine Werke aufführen. Er will mir alles geben, was ich dazu brauche. Ich soll die Nibelungen fertig machen, und er will sie aufführen, wie ich will. Das Undenklichste und mir doch einzig Nötige ist völlig Wahrheit geworden. Im Jahre der ersten Aufführung meines ›Tannhäuser‹ gebar mir eine Königin den Genius meines Lebens. Er ist mir vom Himmel gesendet. Durch ihn bin ich und verstehe mich erst ganz.«

Und Richard Wagner, der halbtot Gehetzte, hatte endlich sein Asyl gefunden. Er zog in München ein wie ein fahrender Ritter, dem nach langem Irrgang der Himmel eine sichere Burg gewiesen.

Und mit ihm kamen der feurige Hans von Bülow und der feinsinnige Architekt Gottfried Semper. Eine stille heiße Zeit der Vorbereitung begann. Pläne auf Pläne wurden entworfen, Ziele abgesteckt, Denkschriften ausgearbeitet, Juwelenschreine künstlerischer Ideale enthüllt.

Schulen sollten reorganisiert und neubegründet, die abgenützten, den neuen Aufgaben nicht gewachsenen oder ihnen gar feindseligen Männer aus den leitenden Stellungen entlassen und durch frische Kräfte ersetzt werden. Es sollte einmal heiliger Ernst gemacht werden mit der künstlerischen Erziehung des deutschen Volkes. Und München sollte den weltgeschichtlichen Ruf des neuen Mekkas erfüllen.

Der Meister jubelte in Dankbarkeit: »So wandl' ich stolz beglückt nun neue Pfade im sommerlichen Königreich der Gnade.«

Dem König war hoher Besuch angesagt, sehr hoher. Auf dem Rückwege von Gastein wollte Wilhelm von Preußen mit seinem Minister Bismarck den lieben Wittelsbacher Vetter persönlich begrüßen. Das Hoflager war, der schönen Sommerzeit wegen, im alten, traulichen Schloß Hohenschwangau. Gut, ließ der Preußenfürst melden, er werde den Abstecher nicht scheuen und nach Hohenschwangau kommen, der Minister Bismarck könne sich ja in irgendeinem Gasthof in München einquartieren. Angenommen.

In Hohenschwangau herrschte sonnigste Laune, trotz des plötzlich schwerumwölkten Himmels, der mit sintflutlichen Güssen drohte. Ein Brief vom Meister – und wieder einer. So fast täglich.

»O König, holder Schirmherr meines Lebens!
Du höchster Güte wonnereicher Hort!«

Ja, so aus frohbeglückter Seele heraus zu sich sprechen zu hören, war dem König ein lange entbehrter Genuß. Ein Strom jugendheißer Empfindung ergoß sich aus den Briefen des großen Künstlers in das Gemüt des kongenialen Königs und ließ es aufjauchzen in heller Freude. Niemals hatte der jugendliche Monarch aus eines anderen Menschen Mund so Liebes und Erquickendes vernommen.

»Was Du mir bist, kann staunend ich nur fassen,
Wenn mir sich zeigt, was ohne Dich ich war.«

War's nicht wie ein in tausend Farben blühender Morgen, ein Liebesfrühling reinster Lust?

Du bist der holde Lenz, der neu mich schmückte,
Der mir verjüngt der Zweig' und Äste Saft.«

Und nicht für sich allein wollte der König diese Beglückung. Durch das Medium der Kunst sollte sie überfließen auf sein Land, auf sein ganzes Volk. Auch die Preußen sollten von diesem Segen haben, soviel sie davon vertragen konnten in ihrer ästhetischen Bedürfnislosigkeit, diese wunderlichen Asketen in allen feineren schöngeistigen Dingen.

Der König lächelte. Wahrhaftig, dem strammen preußischen Vetter, dem kaltsinnigen Politiker wollte er sein bestes Gesicht zeigen und ordentlich einheizen mit südlicher Liebenswürdigkeit. Er soll sich diesmal nicht über das reservierte bajuwarische Selbstbewußtsein – boshafte, borussische Vergröberer haben es sogar den »sprichwörtlichen Wittelsbacher Hochmut« genannt – nein, über gar nichts soll er sich zu beklagen haben. Alles soll ihm zeigen, daß sein Besuch herzlich...



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