E-Book, Deutsch, 672 Seiten
Cooper Ravensnest
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-8496-2647-1
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 672 Seiten
ISBN: 978-3-8496-2647-1
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ravensnest ist der dritte Teil der Littlepage-Trilogie. Nach 'Satanstoe' und 'Der Kettenträger' geht es hier um die Siedlung Ravensnest, die die Familie Littlepage gegründet hatte und immer wieder aufs Heftigste verteidigen musste.
Weitere Infos & Material
Drittes Kapitel.
O Heimathland, so theuer mir vor allen,
Wann seh ich wieder meiner Väter Hallen?
Wann labt der Gaumen wieder sich am Quell,
Der bei dem Dörflein sprudelt silberhell?
Wann streift auf's neu' der Fuß die Berge nieder,
Indeß der Urwald echo't meine Lieder?
Wann lächelt abermals ein Himmel mir
Aus ihrem Aug', des Thales schönster Zier?
Montgommery.
Es war in der That für einen Amerikaner, der so lange nichts von Haus gehört hatte, eine Neuigkeit, so plötzlich erfahren zu müssen, daß sich einige Scenen des Mittelalters – Auftritte, welche die gröbsten Beeinträchtigungen menschlicher Rechte in sich faßten – in seinem eigenen Lande vorkommen sollten, in einem Lande, welches sich rühmt, nicht nur ein Zufluchtsort für den Bedrückten, sondern auch eine Stütze des Rechtes zu sein. Die Nachrichten waren mir schmerzlich nahe gegangen, da ich während meiner Reise stets ein theures Bild von Rechtssinn und politischen Auszeichnungen in der Heimath mir vorgehalten hatte, das ich jetzt aufgeben zu müssen befürchtete. Ich und mein Onkel beschlossen, ohne Zögern nach Hause zurückzukehren, da ein derartiger Schritt schon durch die Klugheit geboten wurde. Ich war nun in einem Alter, welches mich – soweit es »die neuen Gesetze und die neuen Herrn« gestatteten – zum Antritt meines Besitzthums befähigte; denn die von meinem Pfleger eingelaufenen Briefe sowohl, als auch gewisse Zeitungen meldeten die unangenehme Thatsache, daß viele Ravensnestpächter sich der Association angeschlossen hatten, zur Unterhaltung der »Inschens« Beisteuern leisteten und auf dem Punkte waren, in Betreff ihrer Anschläge und Plünderungsentwürfe so schlimm als die Uebrigen zu werden, obwohl sie noch immer ihre Renten zahlten. Der letztere Umstand wurde von unsrem Agenten der Thatsache zugeschrieben, daß viele von den Pachtverträgen dem Verfalle nahe seien, und es dann in meiner Gewalt stehe, an die Stelle mehrerer der gegenwärtigen Farm-Inhaber ehrlichere und grundsatzfestere Leute zu setzen. Wir trafen demgemäß unsere Maßregeln zu einem möglichst baldigen Aufbruch von Paris, um noch im Monat Mai die Heimath zu erreichen.
»Wenn wir Zeit hätten, würde ich bei dem gesetzgebenden Körper einige schriftliche Vorstellungen einreichen,« bemerkte mein Onkel ein paar Tage vor unserer Abreise nach Havre, wo wir uns auf dem Packetboote einschiffen wollten. »Ich habe gute Lust, als freier Mann gegen die Beeinträchtigung meiner Rechte, welche von den vorgeschlagenen Gesetzen beabsichtigt wird, Protest einzulegen; denn der Gedanke gefällt mir gar nicht, daß mir die Befugniß verkümmert sein soll, ein Pachtgut auf so lange Zeit, als ich es erhalten kann, zu miethen. Dieß ist nämlich eines von den Projekten, welche die Ultrareformer des freien und gleichen New-Yorks in Antrag gebracht haben. In welche merkwürdigen Thorheiten verfallen nicht die Menschen, Hugh, sobald sie – sei es in der Politik, oder in der Religion, oder in Sachen der Liebhaberei – sich in Uebertreibungen einzulassen anfangen. Unter unsern edlen Menschenfreunden sieht jetzt auf einmal die Hälfte die allerschlimmsten Folgen für die Menschenrechte in dem Umstand, daß einer dem andern auf möglichst lange Zeit Grund und Boden abzumiethen sucht, während sie sonst für das Lob des freien Verkehrs nicht Worte genug finden können. Manche Journale halten letztern für ein so treffliches Mittel, Grundbesitzer und Pächter an einer geordneten Uebereinkunft zu hindern, daß sie sich sogar über den Gedanken eines festen Preises für Miethkutschenplätze lustig machen; ihrem Princip vom freien Verkehr nach wäre es viel besser, die Leute im Regen stehen und um den Preis mäkeln zu lassen. Manche von unsern Philanthropen lassen sich's entweder angelegen sein, die Gesetzgebung zu spornen, daß sie den Bürger eines so einfachen Mittels der Ueberwachung seines Eigenthums beraube, oder stehen bei einem so ungeheuerlichen Treiben als müssige Zuschauer da.«
»Die Stimmen, Sir, die Stimmen kommen hier hauptsächlich in Rechnung.«
»Ja wohl, die Stimmen; denn nichts als diese sind im Stande, solche Leute mit ihren eigenen Inconsequenzen zu versöhnen. Was dich betrifft, Hugh, so wirst du gut daran thun, den bedeckten Kirchenstuhl abzuschaffen.«
»Welchen bedeckten Kirchenstuhl? ich weiß in der That nicht, was Ihr meint.«
»Du vergißst, daß der Familienstuhl in der St. Andrewskirche zu Ravensnest eine hölzerne Bedachung hat – ein Ueberbleibsel von den Sitten und Gebräuchen aus den Zeiten der Kolonie.«
»Nun Ihr davon sprecht, erinnere ich mich jenes plumpen und – offen gestanden – sehr häßlichen Vorsprungs, von dem ich immer annahm, er sei von den Erbauern der Kirche als Ornament angebracht worden.«
»Jener häßliche Vorsprung, den du für ein Ornament hieltest, sollte eine Art Baldachin vorstellen; derartige Gegenstände nämlich galten noch bis zum Schluß des letzten Jahrhunderts im Staat und in der Kolonie als gewöhnliche Merkmale der Auszeichnung. Die Kirche wurde auf Kosten meines Großvaters, des Generals Littlepage und seines Busenfreundes und Vetters, des Obristen Dirck Follock erbaut. Beide waren gute Wighs und tapfere Vertheidiger der Freiheit ihres Landes. Sie hielten es für passend, daß die Littlepage's einen bedachten Stuhl haben sollten, und in solchem Zustande kam das Gebäude an meinen Vater. Das alte Werk steht noch immer, und Dunning schreibt mir, unter die übrigen Beweise, welche gegen deine Interessen aufgebracht werden, gehöre auch der Umstand, daß sich dein Kirchenstuhl vor denen der übrigen Gemeinde auszeichne.«
»Um diese Auszeichnung würde mich gewiß kein Mensch beneiden, wenn man wüßte, daß mir der plumpe, mißgestaltete Vorsprung stets zuwider war, denn ich habe ihn immer für einen ganz abscheulichen Zierath gehalten. Daß mir dadurch eine persönliche Auszeichnung zugehen sollte, ist mir nie zu Sinn gekommen, da ich im Gegentheil stets der Ansicht war, er sei in der mißverstandenen Absicht, das Gebäude zu verschönern, nur deßhalb über unserem Stuhle angebracht worden, weil ein derartiger Auswuchs an einem solchen Platze am wenigsten Neid erwecken konnte.«
»Mit einer einzigen Ausnahme finde ich dein Urtheil ganz natürlich, und vor etwa vierzig Jahren noch konnte etwas Aehnliches wohl geschehen, ohne daß die Mehrzahl der Pfarrkinder darin etwas Ungewöhnliches erblickt hätte! Doch diese Zeiten sind vorbei, und du wirst auf deinem Besitzthum die Entdeckung machen müssen, daß du gerade in den Dingen, die von dir und deiner Familie herrühren, außer dem, was du dir um dein Geld kaufen kannst, weit weniger Rechte besitzest, als irgend einer deiner Nachbarn. Schon die einfache Thatsache, daß die St. Andrewskirche von deinem Urgroßvater erbaut und von ihm der Gemeinde geschenkt wurde, wird vielen in der Gemeinde Anlaß geben, bei allen Fragen, welche dieses Gebäude betreffen, dir dein Stimmrecht zu verkümmern.«
»Dieß ist so außerordentlich, daß ich wohl um den Grund fragen möchte.«
»Der Grund beruht auf einem Zuge, welcher so augenfällig der Menschennatur im allgemeinen und der des Amerikaners insbesondere inwohnt, daß ich mich wundere, wie du nur fragen kannst. Der einzige Beweggrund ist der Neid. Gehörte der Kirchenstuhl z. B. den Newcomes, so würde Niemand Anstoß daran nehmen.«
»Gleichwohl müßten die Newcomes sich lächerlich machen, wenn sie in einem Stuhle sitzen wollten, welcher sich vor denen ihrer Nachbarn auszeichnete. Die Abgeschmacktheit des Gegensatzes würde Jedermann auffallen.«
»Aber in deinem Falle besteht die Abgeschmacktheit nicht, und eben dieß ist die Ursache, warum dein Sitz ein Gegenstand des Neides ist. Du wirst übrigens gerne zugeben, Hugh, daß man in einer Kirche und aus einem Kirchhofe am wenigsten mit menschlichen Auszeichnungen prunken sollte; denn im Auge Dessen, den wir Alle anbeten, und im Grabe ist ein Mensch wie der andere. Ich habe die weltlichen Auszeichnungen in den Kirchen nie leiden können, und die katholische Sitte, welche nichts von abgeschlossenen Stühlen weiß, gefällt mir recht wohl. Grabmäler sind eine Ansprache an die Welt, und haben eine allgemeine Beziehung zu der Geschichte: sie mögen daher bis zu einem gewissen Punkte wohl angehen, obwohl sie in der Regel arge Lügner sind.«
»Ich bin mit Euch der Ansicht, Sir, daß es unpassend ist, in einer Kirche Auszeichnungen für einzelne anzubringen, und werde daher von Herzen gern meinen Baldachin abschaffen, obschon auch dieser seine historische Bedeutung hat. Wenn ich darunter saß, kam mir gewiß nie ein Gefühl des Stolzes zu Sinne, da ich mich im Gegentheil oftmalen seiner ungereimten Form schämte, wenn ich bemerkte, daß er die Blicke verständiger Fremder auf sich zog.«
»Ich...




