E-Book, Deutsch, 302 Seiten
Cormann Frühlingsblütenherzen
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96148-880-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Roman
E-Book, Deutsch, 302 Seiten
ISBN: 978-3-96148-880-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Marte Cormann, geboren 1956 in Düsseldorf, begann neben ihrer Karriere als Verwaltungswirtin schon 1993 mit dem Schreiben von Romanen und Drehbüchern. Ihr erster Roman, »Ein Buchclub zum Verlieben«, wurde erfolgreich für das ZDF verfilmt. Die Autorin im Internet: www.martecormann.de. Marte Cormann veröffentlichte bei dotbooks bereits die folgenden Romane: »Cappuccinoküsse« »Glückswolkenträume« »Sommerglück und Liebeszauber« »Sommerregenzauber« »Ein Buchclub zum Verlieben« »Liebeszauber à la Carte« »Frühlingsblütenherzen« Daneben veröffentlichte sie einen Sammelband mit schwarzhumorigen Kurz-Krimis: »Bis der Tod euch scheidet« Unter dem Pseudonym Liza Kent veröffentlichte sie auch den Roman »Die Liebe der Zeitenwanderin«.
Autoren/Hrsg.
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Kapitel 2
Der Hinweis ›fasten seatbelts‹ leuchtete ohne Unterbrechung auf. Der Flug der British Airways von Düsseldorf nach London Heathrow war über dem Ärmelkanal in Turbulenzen geraten.
Jennys Magen auch. Mittlerweile bereute sie den Kaffee, den sie im Flugzeug getrunken hatte. Bei dem ständigen Auf und Ab klatschte er von einer Magenwand zur anderen. Die wenigen Bissen Lachs, die sie Conrad vom Teller stibitzt hatte, gerieten gehörig ins Schleudern. Während die Maschine in ein dichtes Wolkengebirge eintauchte, suchte Jenny mit den Augen ihre Umgebung unauffällig nach der obligatorischen Spucktüte ab. Gerade als sie die Hand nach ihr ausstrecken wollte, sackte die Maschine ab. Und fiel … und fiel … und fiel …
Schlagartig verstummten die Gespräche. Stattdessen erschreckte kleine Schreie. Selbst Leif Conrad, seit dem Abflug in eine Ausgabe des ›Economist‹ vertieft, blickte stirnrunzelnd von seiner Lektüre hoch. Jennys Finger krallten sich in die Sitzlehne. Ihr Gedächtnis ratterte die Flugzeugabstürze der letzten fünf Jahre herunter. Einen Absturz über dem Ärmelkanal spuckte es nicht aus. Demnach würde dieser Flug in die Geschichte eingehen. Aber warum musste ausgerechnet sie, Jenny Elshorn, zu den Opfern zählen? Sie öffnete den Mund, um ihren Protest laut herauszuschreien. Im selben Moment stieg die Maschine an und gewann wieder an Höhe.
»Brauchen Sie meinen Arm noch?«
Jenny hatte das Gefühl, aus einem Albtraum zu erwachen. Benommen blinzelte sie Conrad an. Der belustigt zurückblinzelte. Ein Sadist, wie er im Buche stand.
Er litt unter Garantie nicht unter Höhenangst. Ihn kostete es bestimmt keine Überwindung, den Fuß in ein Flugzeug zu setzen. Er wählte mit Vorliebe den Fensterplatz. Während sie sich neben dem Notausstieg am wohlsten fühlte. Und überhaupt – wo steckte der verflixte Rettungsfallschirm, um dem Schreckensspiel ein Ende zu bereiten? Ärmelkanal hin oder her.
»Mein Arm«, erinnerte Conrad sie.
»Sorry.« Verwirrt bemerkte Jenny erst jetzt, dass sich ihre rechte Hand in seinen Ärmel krallte. Langsam löste sie ihre Finger, einen nach dem anderen.
»So ist es schon besser.« Erleichtert beugte und streckte Conrad den Arm im raschen Rhythmus, um das Blut zum Zirkulieren zu bringen.
»Falls Sie das Bedürfnis haben, können Sie jetzt auf die Toilette gehen«, wies er sie darauf hin, dass die Anschnallpflicht aufgehoben worden war. Womit er Jennys ohnehin reichlich vorhandenem Adrenalin einen Grund lieferte, sich zu formieren.
»Falls Sie annehmen, ich habe nach diesem kleinen Zwischenfall die Hosen voll, irren Sie sich. Ich muss mir lediglich die Nase pudern«, stellte sie schnippisch klar. Prompt signalisierte das rote Lämpchen über der Toilettentür, dass ihr jemand zuvorgekommen war. Resigniert ließ sie sich zurück in ihren Sitz fallen. Warum tat sie sich das an? Weshalb, in drei Teufels Namen, hatte sie den Job als Begleiterin bloß angenommen?
Weil sie sich eine willkommene Ablenkung von ihrem mehr als unbefriedigenden Studium versprach. Einen zusätzlichen Kick und jede Menge Spaß, gab sie sich selbst die Antwort.
Na wundervoll. Der Angstschweiß klebte ihr noch kalt am Körper, um ein Haar hätte ihr Mageninhalt einen Freiflug gewonnen, und ihre Blase stand ihr bis zum Hals. Konnte es überhaupt noch schlimmer kommen?
In einem Anfall aufflackernder Panik suchte ihr Blick eine Antwort bei ihrem Begleiter, doch er hatte sich in aller Seelenruhe wieder in seine Zeitschrift vertieft.
Bei ihrer Ankunft in London herrschte das übliche Juliwetter: Es war warm und feucht. Der legendäre Nieselregen legte sich wie ein Film über Jennys Gesicht.
»Claridge’s, please.«
Täuschte Jenny sich, oder zeigte der britische Taxi-Chauffeur sofort mehr Interesse, als Leif Conrad ihm den Namen des Hotels nannte, in dem sie die nächsten zwei Nächte verbringen würden? Ihre Beine jedenfalls beeindruckten ihn sehr. Er konnte sich von dem Anblick kaum losreißen, als er ihr die hintere Wagentür aufhielt.
Das Hotel lag etwa fünfzehn Kilometer von Heathrow entfernt. Jenny war zu erschöpft, um Interesse für die Gegend zu zeigen, durch die sie fuhren. Die Stunde der Wahrheit nahte. Conrads Vertrag mit ›Good Company‹ schloss zwar ausdrücklich jede Art von Sexkontakt aus, würde er sich jedoch daran gebunden fühlen? In London? Anderthalb Flugstunden von Düsseldorf entfernt?
Ärgerlich bemerkte Jenny, dass sie zum zweiten Mal an diesem Abend am Rande der Panik entlang balancierte. Was war bloß los mit ihr? Sonst war sie doch nicht so schreckhaft. Zumal es auch nicht den geringsten Anlass dafür gab. Blitzschnell überschlug sie im Kopf, wann ihre Periode das nächste Mal fällig war. Vielleicht litt sie am prä-menstrualen Syndrom? Ausgeschlossen, die letzte Blutung lag noch keine vierzehn Tage zurück.
Keep quiet, Jenny, ermahnte sie sich selbst. Sollte Conrad sie tatsächlich in sein Doppelzimmer einquartieren, wäre es ihr ein Leichtes, ihn höflich, aber bestimmt hinauszukomplimentieren. Immerhin besaß sie darin jede Menge Übung. Sie war jung, hübsch und sexy genug, um den Männern gleich reihenweise den Kopf zu verdrehen. Doch näher als auf Armlänge ließ sie keinen an sich heran. Aus Prinzip. Bis auf Nick Breuer, einem wissenschaftlichen Assistenten aus dem Fachbereich Biologie, mit dem sie ein gut sortiertes Sexualleben führte. Mehr nicht.
Jennys Sorgen erwiesen sich als unbegründet. Auf der ganzen Linie. Im Claridge’s, einem der besten Hotels von London – im Stil zwischen Art deco und Marmor –, händigte Leif Conrad ihr völlig selbstverständlich den Schlüssel für ihr eigenes Zimmer aus. Wie sich herausstellte, einer kompletten Suite, die sich über fast hundert Quadratmeter erstreckte. Selbstverständlich mit Bad und WC, Klimaanlage, Direktwahltelefon und Fax. Von weiteren kleinen Annehmlichkeiten ganz zu schweigen. Jenny war soliden Wohlstand gewohnt, doch hier herrschte Luxus pur. Sie war beeindruckt.
Auch von dem Blick aus dem Hotelfenster. Dort vor ihr pulsierte die Stadt. War es nicht eine Schande, schon ins Bett zu gehen und die erste Nacht in London einfach zu verschlafen? Nein, entschied sie. Für heute hatte sie wahrlich genug gelitten. Wer weiß, was passierte, wenn sie den Fuß aus dem Hotel hinaussetzte. Erst ein heißes Bad und dann Tiefschlaf bis zum Anschlag. Damit war sie in jedem Fall auf der sicheren Seite.
Das Bad war in rosafarbenem Marmor gehalten. Die vergoldeten Spiegel und Armaturen hätte sie zu Hause nicht mit der Zange angefasst, doch hier, im luxuriösen Ambiente des Claridge’s, machten sie Sinn. Verzückt schnupperte Jenny an den gläsernen Flaschen in allen Formen und Farben, die, gefüllt mit duftenden Badeessenzen, auf dem Rand der Badewanne aufgereiht standen. Schließlich entschied sie sich für einen beruhigenden Lavendelduft, den sie in den laufenden Strahl des Badewassers tropfen ließ.
Sie gähnte ungeniert, der aufsteigende Wasserdampf machte sie noch schläfriger. Eine Minute nur, schwor sie sich, als sie sich auf der festen Matratze des Bettes der Länge nach ausstreckte. Die Augen fielen ihr ganz von alleine zu.
»Mrs. Elshorn, please!« Stimmengewirr und ein Auf und Ab wie im Flugzeug. Aber der feste Griff an ihrer Schulter verriet Jenny, dass sie nicht träumte. Sie lag in BH und Spitzenhöschen auf ihrem Bett und um sie herum war das Zimmer voller Menschen. Entsetzt verkroch Jenny sich bis zum Hals unter der Decke. Verzweifelt kramte sie in ihrem Gedächtnis nach ein paar englischen Sprachbrocken, die in dieser Situation einen Sinn machten. Doch mehr als ›What’s the matter?‹ fiel ihr nicht ein. Der Herr in Schwarz, der sie so unsanft geweckt hatte, schüttete einen wahren Wortschwall auf Englisch über sie aus. Erst als mitten im größten Tohuwabohu Leif Conrad auftauchte, beruhigte sich auch der Herr in Schwarz, ein Mitglied des Hotelmanagements, wie Jenny später erfuhr. Er und Leif wechselten einige sehr ernste Worte, wobei ihre Blicke immer wieder zu Jenny hinüberflogen, die sich unter ihrer Decke mehr als unbehaglich fühlte. Ihr Unbehagen verstärkte sich noch, als Conrad nun zu ihr herüberkam, die Brauen zu einem dunklen Strich zusammengezogen.
»Hier!« Leif Conrad warf ihr ihre Jacke zu. »Ziehen Sie sie an und kommen Sie mit. Die Direktion gibt Ihnen ein anderes Zimmer.« Ein Blick in sein grimmiges Gesicht genügte, um bei Jenny jeden Widerspruch und jede Frage im Keim zu ersticken. Folgsam wie noch nie schwang sie die Beine aus dem Bett und schlüpfte in ihre Schuhe. Es machte ›quatsch‹.
»Mein Badewasser …«, fiel es ihr blitzartig wieder ein.
»… tropft durch die Decke der Suite unten drunter«, führte Conrad den Satz barsch zu Ende. »Die Mieter haben den Hotelportier verständigt, und nun ist ein Großteil des Personals damit beschäftigt, das Wasser aus ihrem Zimmer zu pumpen. Schlafen Sie immer so fest?« Seine messerscharfe Stimme schnitt tief in Jennys Gewissen.
»Es tut mir Leid«, murmelte sie kläglich, während sie Conrad und dem Hotelboy zu ihrem neuen Zimmer folgte. Diesmal deutlich eine Kategorie weniger luxuriös. Wahrscheinlich hatte sie nichts Besseres verdient. Sie entwickelte sich zum Verlustgeschäft.
»Ich bin sonst gar nicht so schusselig. Erst seitdem ich mit Ihnen zusammen bin, passieren mir die seltsamsten Dinge«, versuchte sie sich halbherzig zu rechtfertigen.
Seine Augen verengten sich. »Wir sehen uns morgen beim Frühstück. Punkt neun.« Das »Bitte«, das er noch anhängte, klang wie drohendes Gewittergrollen.
Am nächsten Morgen verwendete Jenny besonders viel Zeit auf ihr Äußeres, bevor sie sich hinunter zum Frühstück begab. Ein verzweifelter Versuch der Entschädigung. Leif...




