E-Book, Deutsch, Band 4, 288 Seiten
Reihe: Wilderwald
Cowell Wilderwald (4). Die Macht des magischen Versprechens
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-401-80996-0
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der Abschlussband der neuen magischen Abenteuerreihe für Jungs und Mädchen ab 10 Jahren von "Drachenzähmen"-Autorin Cressida Cowell
E-Book, Deutsch, Band 4, 288 Seiten
Reihe: Wilderwald
ISBN: 978-3-401-80996-0
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Cressida Cowell verbrachte ihre Kindheit in London und auf einer kleinen unbewohnten Insel an der Schottischen Westküste. Neben der Aufzeichnung von Hicks' berühmten Memoiren hat sie mehrere Bilderbücher geschrieben und illustriert. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Hammersmith, England.
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NICHTS FÜR LEUTE MIT PLATZANGST
Tief im Herzen des Reiches, über das der Kaiser der Krieger herrschte, gab es ein Bergwerk, genauer gesagt, eine Eisenerzmine.
Die Mine trug zwar den Namen »Glückauf«, aber mit Glück hatte sie nun wirklich nicht viel zu tun. Sondern mit dem genauen Gegenteil, denn hier gab es eine Menge Elend.
Tief in dieser furchtbaren Eisenerzmine, fast eine Meile unter der Erdoberfläche, krochen drei Kinder immer weiter hinunter, durch Tunnel, die so eng waren, dass sie sich wie Würmer auf dem Bauch liegend hindurchwinden mussten.
Die Tunnel verliefen knapp über dem Grundwasserspiegel und nur die kleinsten, schmächtigsten Kinder konnten sich durch die schmalen Schächte zwängen. Deshalb waren es immer nur Kinder, die tapfer gegen die tiefste, gruseligste Dunkelheit ankämpfen mussten. Es waren Kinder, die mit Hämmern und Pickeln das Eisenerz aus dem harten Felsgestein schlugen. Und es waren Kinder, die die Erzbrocken auf kleine Wagen laden und die Karren auf Händen und Knien kriechend bis hinauf ans Tageslicht ziehen mussten, wo das Erz geschmolzen wurde, um daraus Eisen zu gewinnen.
Es war finster in der Mine, sehr finster. Die Art von Finsternis, die sich drückend auf dich legt und dich schier erstickt, bis du glaubst, sie wolle dich verschlingen.
Die drei zerlumpten, hungrigen Kinder, die sich gerade durch die furchtbaren, engen Gänge wanden und verzweifelt versuchten, nicht in Panik zu geraten, waren Xar, der dreizehnjährige Sohn des Königs der Zauberer, Willa, die dreizehnjährige Tochter der Kriegerkönigin, und Griffel, Willas dreizehnjähriger Hilfsleibwächter.
Diese drei merkwürdigen Helden will ich dir kurz vorstellen.
Xar war, wie gesagt, der dreizehnjährige Sohn des Königs der Zauberer. Sein Name wurde »Zar« ausgesprochen, frag nicht, warum, Ausspracheregeln sind manchmal seltsam. Xar war einer dieser Jungen, die es meistens gut meinten, aber immer erst handelten, bevor sie nachdachten. Teilweise war es seine Schuld, dass die Kinder überhaupt in diese schwierige Lage geraten waren. Denn Zauberer werden nicht mit ihrer Zauberkraft geboren – ihre Magie kommt von selbst zu ihnen, wenn sie ungefähr zwölf Jahre alt sind. Aber Xars magische Kraft war noch nicht zu ihm gekommen, deshalb hatte er eine Hexe in eine Falle gelockt und ihr die Magie abgenommen. Das war kein sehr cleverer Plan gewesen, wie du dir denken kannst, denn seither hatte Xar einen Hexenfleck auf der Hand, der allmählich von ihm Besitz ergriff.
Xar hatte eine Menge Gefährten. Sechs Elfen und zwei Haar-Feen, die langsam und traurig um ihn herumsurrten, während er durch den Tunnel kroch. Sie sahen aus wie Insekten und von ihren papierdünnen Körpern ging ein Leuchten aus, das ein bisschen Licht in den dunklen Schacht brachte. Aber das hier war eine Eisenerzmine und Magie ist nun mal allergisch gegen Eisen. Die Elfen und Haar-Feen waren daher von so viel Eisen umgeben, dass sie ihre Flügel nur sehr mühsam und schwerfällig bewegen konnten. So verwirrt und traurig waren sie, dass Ariel, Xars größter Elf, überhaupt nicht mehr fliegen konnte, sondern wie eine leuchtende Heuschrecke hinter den Kindern herhüpfte und seine wunderbaren Flügel durch den Dreck schleppte.
Außerdem wurde Xar von einem sprechenden Raben namens Kaliburn begleitet. Der Rabe hatte die Aufgabe, Xar aus Schwierigkeiten herauszuhalten, was praktisch unmöglich war, weshalb er vor lauter Sorgen ständig Federn verlor.
Aber Xar hatte auch noch andere Gefährten, die allerdings zu groß waren, um bei dieser geheimen Mission dabei sein zu können. Deshalb hatten sich seine drei Schneekatzen, ein Werwolf und ein Hochtrabender Langschritt-Riese namens Quetscher draußen im Wald versteckt und warteten voller Bangen auf die Rückkehr der drei Helden.
Der letzte von Xars Gefährten war sein Liebling Flatterkopf, ein lebhafter, sehr kleiner Haar-Fee, den allerdings der Königshexer gefangen genommen hatte, sodass im Moment niemand wusste, wo er war.
Die Augen der Elfen leuchteten grün wie Smaragde und blinkten an und aus, während sie einander ständig »Gefahr, Gefahr, Gefahr« zuraunten, manchmal auch abwechselnd mit »Raushier! Raushier! Raushier!«. Und noch beängstigender war, wenn sie mit schrillen Stimmchen »Wirsindgefangen! Wirsindverloren!« kreischten. Das alles verbesserte die Stimmung im Tunnel nicht besonders, wie du dir sicher vorstellen kannst, und machte es den Kindern schwer, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.
Xar pfiff vor sich hin und tat so, als hätte er keine Angst.
Dann war da noch eine Heldin namens Willa, die dreizehnjährige Tochter der Kriegerkönigin Sychorax. Willa war ein eigenartiges, schmächtiges Mädchen, mit einem freundlichen, aber sehr willensstarken Ausdruck im Gesicht. Ihr Haar war so struppig und widerspenstig, dass es immer so aussah, als hätte ein Blitz darin eingeschlagen. Außerdem trug sie über einem Auge eine Augenklappe. Als Kriegerin hätte sie natürlich keinesfalls magische Kräfte besitzen dürfen. Aber Willa hatte ein Geheimnis: Hinter der Augenklappe verbarg sich ein außerordentlich mächtiges Magisches Auge und dieses Auge barg die Magie-die-mit-Eisen-wirkt in sich. Das machte Willa zu einer Person des Schicksals, denn noch niemals zuvor war ein Mensch geboren worden, der diese Art Magie besaß, weshalb die Hexen alles daransetzten, Willas Zauberkraft zu stehlen, denn damit würden sie allmächtig sein.
Auch Willa hatte Gefährten.
Willas Magie war so stark, dass manche Dinge in ihrer Umgebung lebendig wurden. Im Moment wurde sie von einer Anzahl magischer Dinge begleitet, die allesamt aus Eisen waren. Ein Verzauberter Löffel war ihr ältester Freund, und solange sie im Eisernen Fort ihrer Mutter lebte, war er sogar ihr Freund gewesen. Der Verzauberte Löffel hüpfte neben Hummelgrunde her und half der kleinen Haar-Fee und allen anderen Elfen, wenn sie erschöpft zurückfielen. Dann war da noch der Verzauberte Schlüssel und eine Verzauberte Gabel, die beide in den Löffel verliebt waren. Außerdem wurde Willa von einer Bande Verzauberter Nadeln begleitet, die wie eine kleine, stachelige Wolke durcheinanderwirbelten und Rad schlagend den anderen folgten.
Willa fürchtete sich vor engen Räumen, weshalb ihr die gegenwärtige Lage in dem Bergwerkstunnel ganz besonders große Angst einjagte. Um sich Mut zu machen, sang sie leise den »Kriegsgesang der Krieger« vor sich hin, während sie sich mühsam durch den Tunnel zwängte: »FURCHT-LOS DURCH DEN TAG! DAS IST DER KRIEGSGESANG DER KRIEGER! FURCHT-LOS SINGEN WIR IHN IMMER WIEDER! OB WIR KÄMPFEN UND MARSCHIEREN«, und so weiter. Aber vielleicht versuchte sie auch nur, mit dem Gesang das panische Kreischen der Elfen »Wirsindgefangen! Wirsindverloren! KommenNIEMEHRRAUS!« zu übertönen.
, versuchte sich Willa einzureden, während die Finsternis immer bedrückender wurde. Sie scheuerte sich die Knie wund, als sie weiterkroch, und ihre Haare sträubten sich, als seien sie lebendig, und strichen an der Tunneldecke entlang. Willa spürte die raue Felsendecke, denn durch ihre Zauberkraft hatte offenbar jedes einzelne Haar einen Tastsinn wie ihre Finger, und in einer gefährlichen Situation wie hier im Tunnel waren sie ganz besonders empfindlich.
Ich habe eigentlich fast keine Angst, und nein, ich muss mich vor Angst nicht übergeben, dachte Willa weiter. Ich bin draußen, der Himmel ist blau, die Sonne lacht … alles ist gut, alles ist gut …
Der dritte und vielleicht merkwürdigste Held war Griffel, der dreizehnjährige Hilfsleibwächter der Prinzessin Willa.
Griffel war dünn wie eine Bohnenstange und bestand immer darauf, sich an die Gesetze der Krieger zu halten. Genau das war manchmal ein Problem, denn seit einem Jahr hatte er gegen so viele Kriegergesetze verstoßen, dass man seine Vergehen kaum noch aufzählen konnte. Er hätte niemals zulassen dürfen, dass sich Willa mit Xar zusammentat, denn Xar war ein Zauberer und das Eiserne Gesetz für jeden Krieger und jede Kriegerin lautete, dass Zauberer und Krieger niemals Freunde werden durften. Und auf keinen Fall sollte er, Griffel, Willa und Xar dabei helfen, vor ihren Eltern davonzulaufen und durch finstere Bergwerkstollen zu kriechen.
Griffel war nur deshalb Willas Leibwächter geworden, weil er bei der Prüfung für Leibwächter (Fortgeschrittene) als bester abgeschnitten hatte und weil sich Willas eigener Leibwächter eine schwere Herbstgrippe zugezogen hatte. Seither hatte sich Griffel oftmals inständig gewünscht, er wäre niemals zum Hilfsleibwächter der Prinzessin ernannt worden – vor allem dann, wenn sie wieder mal in eine gruselige Albtraumsituation gerieten wie jetzt gerade hier im Bergwerk.
Als Leibwächter hatte Griffel ein kleines Problem: In besonders...




