Cree Warum so scheu, MyLady
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-017-5
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Landsitz
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-95576-017-5
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf dem imposanten Landsitz ihres frisch angetrauten Gatten könnte Sarah ein herrliches Leben führen. Doch Devon St. Clair, Marquess of Huntingdon, hat sie nicht aus Liebe geheiratet, sondern um einen Skandal zu vermeiden. Er will nur eine Vernunftehe führen. Sarah hingegen träumt vom Glück in seinen starken Armen ...
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1. KAPITEL
Devon St. Clair, der fünfte Marquess of Huntington, stand am Fenster seines Schlafzimmers in Henslowe Hall und beobachtete, wie die Kutsche des Earls of Monteville auf der kreisrunden Zufahrt hielt. Die Stirn gerunzelt, ließ er den Vorhang fallen und wandte sich ab. Die Aussicht auf den bevorstehenden Ball erschien ihm ungefähr so reizvoll wie ein Aufenthalt im Newgate-Gefängnis. Insbesondere nachdem die Bewohner von Monteville House eingetroffen waren. Wie sollte er Sarah Chandlers Gesellschaft einen ganzen Abend lang ertragen?
“Devon?” Seine jüngere Schwester Jessica trat ein. Sie trug ein hellrosa Ballkleid. Aus dem dichten, hochgesteckten dunklen Haar hingen ein paar kleine Locken herab, die ihr hübsches Gesicht umrahmten. Schmerzlich krampfte sich sein Herz zusammen. Sie wirkte viel zu jung, um ihre eigene Verlobung zu feiern. “Bist du bereit?”, fragte sie. “Ich dachte, es würde dir nichts ausmachen, mich nach unten zu begleiten.”
“Natürlich nicht. Obwohl es mich überrascht, dass Adam diese Ehre nicht für sich beansprucht.” Ein Lächeln erwärmte seine normalerweise kühle Miene. “Wie zauberhaft du aussiehst.”
“Und du bist hochelegant”, meinte sie und begutachtete seinen schwarzen Frackrock und die Kniehosen aus schwarzer Seide. “O Devon, also bist du wirklich und wahrhaftig hier. Darüber freue ich mich sehr. Ich weiß, es ist nicht einfach für dich.”
“Nun ja, ich war nicht allzu begeistert, als du dich ausgerechnet in einen Vetter der Chandlers verliebt hast, dessen künftige Ländereien an das Gut Monteville grenzen.”
Zerknirscht senkte sie den Blick. “Und ich habe mich so bemüht, meine Gefühle zu bekämpfen.”
“Schon gut, ich wollte dich nur ein bisschen hänseln.” Er ging zu ihr und ergriff ihre behandschuhte Hand. “Schau nicht so beklommen drein, Jessica. Ich mag deinen jungen Mann. Und ich hätte eurer Verlobung niemals zugestimmt, wenn ich nicht glaubte, dass er dich glücklich machen will. Heute Abend werde ich mich mustergültig benehmen. Das verspreche ich dir.”
“Deshalb sorge ich mich nicht. Was immer die Leute auch behaupten – du hast nie etwas Falsches getan, und die Schuld liegt einzig und allein bei Lord Thayne.” Sekundenlang wurden ihre haselnussbraunen Augen von Zorn überschattet, dann von einem neuen Unbehagen. “Ich will nicht, dass du wieder … verletzt wirst.”
Beruhigend drückte er ihre Hand, bevor er sie losließ. “Keine Bange, das alles gehört der Vergangenheit an. Komm, ich führe dich hinunter. Sonst glaubt Adam womöglich, du hättest dich anders besonnen.”
Arm in Arm stiegen sie die geschwungene Treppe hinab. Aus dem Ballsaal drangen Gelächter und fröhliches Stimmengewirr. Ein bitteres Lächeln umspielte Devons Lippen. Es fiel ihm verdammt schwer, sich von den Chandlers fern zu halten. Vor einem Monat in London war es unmöglich gewesen, Sarah Chandler aus dem Weg zu gehen. Und nun musste er ihren Anblick einen ganzen Abend verkraften. Eigentlich sollte das keine Probleme aufwerfen, wenn er sich stets am anderen Ende des Raumes aufhielt.
Teilweise hinter einer griechischen, von Efeu und Seidenblumen umrankten Säule verborgen, stand Sarah Chandler in einer Ecke des Ballsaals und wünschte nicht zum ersten Mal an diesem Abend, sie könnte nach Hause fahren. Doch es wäre zu augenfällig gewesen, Kopfschmerzen vorzuschützen.
Wenigstens hatte niemand gestritten. Aber es lag eine fast greifbare Spannung in der Luft, und die Gäste hatten sich in zwei Lager geteilt, wie feindliche Heere auf einem Schlachtfeld. Auf einer Seite standen die Verwandten der Chandlers, neben der hohen Doppeltür, die zur Halle führte, und gegenüber, neben den gläsernen Verandatüren, die St. Clairs. Die übrigen Gäste postierten sich an den beiden anderen Wänden, und ein paar tapfere Ballbesucher wanderten hin und her. Noch schlimmer wäre es, würde Sarahs Bruder Nicholas an der Verlobungsfeier teilnehmen. Zum Glück hielt er sich in Schottland auf.
Als sie über die Köpfe der Tanzpaare hinwegspähte, entdeckte sie Adam, ihren Vetter zweiten Grades. Er tanzte gerade eine Quadrille mit seiner Verlobten, und die beiden schauten sich verliebt in die Augen. Bedauerlicherweise verabscheute Jessicas Bruder die Chandlers.
Sarah schaute zur St. Clair-Formation hinüber. Ausnahmsweise starrte Lord Huntington sie nicht an. An die Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt, schien er die Ereignisse mit sarkastischem Amüsement zu betrachten. Das war nicht ungewöhnlich. Letzten Monat hatte er in London die gleiche Miene zur Schau getragen. Anscheinend störte ihn die gedrückte Stimmung im Ballsaal nicht.
Nur ein oder zwei Mal hatte Sarah eine seltsame Verletzlichkeit in seinen attraktiven Zügen wahrgenommen und das unsinnige Bedürfnis verspürt, auf ihn zuzugehen. Natürlich wäre er sofort geflohen. Als spürte er ihr Interesse, wandte er sich in ihre Richtung und hob spöttisch die Brauen. Errötend senkte sie den Kopf. Warum hatte sich Adam ausgerechnet in Lord Huntingtons Schwester verlieben müssen? Hoffentlich würde sich der Marquess nicht verpflichtet fühlen, das Henslowe-Landgut regelmäßig zu besuchen.
“Sarah, versteckst du dich schon wieder?”
Verwirrt zuckte sie zusammen. Ihre Kusine Amelia, Lady Marleigh, hatte sich zu ihr gesellt.
“Nicht, dass ich’s dir verübeln würde”, fuhr die hoch gewachsene, anmutige Blondine mit den lebhaften blauen Augen fort. “So einen grauenvollen Ball habe ich nie zuvor besucht – und noch nirgends so viele Leichenbittermienen auf einmal gesehen.”
“Und diese Stimmung – wie die Ruhe vor einem Sturm …”
“Was glaubst du, welch ein Gewitter losbrechen wird? Ein Duell?”
“Um Himmels willen, das würde ich nicht ertragen.”
“Vielleicht sollten wir zu den St. Clairs hinübergehen und Lord Henslowe bitten, dich Huntington als nächste Tanzpartnerin zu präsentieren.” Amelia kicherte boshaft. “Damit würden wir für ein bisschen Abwechslung sorgen und die gespannte Atmosphäre auflockern.”
“Nein, besten Dank”, erwiderte Sarah schaudernd. “Wahrscheinlich würde er mir wortlos den Rücken kehren.” Oder noch schlimmer – er würde die Herausforderung annehmen. Dann müsste sie seinen höhnischen Blick und seine bissigen Kommentare während einer ganzen Tanzserie über sich ergehen lassen. So wie in London, wo Lady Ralston den unverzeihlichen Fehler begangen hatte, sie an der Dinnertafel neben dem Marquess zu platzieren … Bei dieser Erinnerung fröstelte Sarah immer noch.
“Bist du sicher? Dauernd starrt er dich an. Das ist sogar John aufgefallen. Normalerweise bemerkt er so was nie. Wäre es möglich, dass du gewisse Gefühle in Lord Huntington erregst?”
“Mach dich nicht lächerlich!”, fauchte Sarah. “Er hasst mich. Was ich ihm nicht einmal übel nehmen kann.”
Amelia verdrehte die Augen. “Wie albern! Ich finde diesen Streit grauenhaft. Gewiss, das war eine sehr unerfreuliche Affäre. Aber seither sind fast zwei Jahre vergangen. Wenn ich auch verstehe, dass er nichts mehr von Nicholas wissen will – was wirft er vor? Du hattest doch gar nichts damit zu tun.”
Leider täuschte sie sich. Sarah hatte sehr viel damit zu tun. Hätte sie Mary nicht eingeladen, wäre sie nicht so besorgt um Mama und so naiv gewesen, würde sie jetzt keine Schuldgefühle empfinden.
“Jedenfalls wärst du mit Huntington besser dran als mit Cedric Blanton”, bemerkte Amelia und klappte ihren Fächer zu. “Ich fürchte, er will dich wieder zum Tanz auffordern. Wenn du noch einmal mit ihm tanzt, wird man euch für verlobt halten.”
“O Gott …” Sarah drehte sich um und sah ihren unwillkommenen Bewunderer tatsächlich auf sich zukommen. Vor einem Jahr hatte der etwa 30-jährige Mann ein kleines Landgut in der Nähe gekauft und wenig später sein Interesse an ihr bekundet. Sogar in London war er aufgetaucht, wo sie einen Monat lang bei Amelia und deren Ehemann John gewohnt hatte.
“Da du’s anscheinend nicht fertig bringst, ihm einen Korb zu geben, solltest du das Weite suchen”, schlug Amelia vor. “Geh schon! Ich werde ihn mit meiner geistreichen Konversation ablenken.”
Dankbar nickte Sarah und eilte an der Wand des Ballsaals entlang. Es war wohl am besten, wenn sie durch eine der Glastüren auf die Veranda floh. Unglücklicherweise hatten sich die St. Clairs auf dieser Seite des Raums versammelt. Nun, vielleicht würde man gar keine Notiz von ihr nehmen. Plötzlich versperrte ihr eine rundliche ältere Frau den Weg. Um ihr nicht auf die Zehen zu steigen, trat Sarah beiseite, und ihr Fuß landete auf dem Schnallenschuh eines Gentleman. Verlegen blickte sie auf. “Oh, verzeihen Sie …” Als sie sein Gesicht erkannte, erstarb ihre Stimme.
Lord Huntington schaute genauso verwirrt drein, wie sie sich fühlte. Dann zog er arrogant die Brauen hoch. “Miss Chandler, allmählich gewinne ich den Eindruck, Sie legen es darauf an, unsere Bekanntschaft zu vertiefen.”
“Da irren Sie sich”, fauchte sie.
“Wieso laufen Sie mir dann immer wieder in die Arme?”
“Genauso gut könnte ich fragen, warum Sie mir dauernd im Weg stehen.”
Sein spöttischer Blick trieb ihr das Blut in die Wangen. “Vielleicht, weil unsere Bekanntschaft vertiefen will.”
“Versuchen Sie mich zu ärgern, Sir?”
“Aus welchem Grund sollte ich diesen Wunsch verspüren?”
“Keine Ahnung. Würden Sie mich vorbeilassen?”
“Wäre das ratsam? Dies ist die St. Clair-Seite des Saals. Kehren Sie lieber um, und bringen Sie sich in Sicherheit. Außerdem scheint es unserem Gastgeber zu missfallen, dass Sie mit mir...