E-Book, Deutsch
Dälken Die Cosma-Pongs-Romane Band 1 & 2: Tot überm Zaun / Tot im Winkel (2in1-Bundle)
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-641-28489-3
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Zwei Romane in einem Band
E-Book, Deutsch
ISBN: 978-3-641-28489-3
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Band 1: Tot überm Zaun
Cosma Pongs heißt eigentlich Renate und ist mit Mitte 60 im besten Alter. Sie ist leidenschaftliche Krimiautorin und will nur eins: ihr Fachwissen in die Praxis umsetzen. Leider fehlt es im beschaulichen Düsseldorf an Verbrechen. Doch dann stößt Cosma beim Spaziergang in den benachbarten Schrebergärten auf eine Leiche. Endlich ein Mordfall für sie! Ihre Tochter, Kriminalhauptkommissarin Paula Pongs, sieht das jedoch völlig anders. Die verbietet sich jegliche Einmischungen in die Mordermittlungen. Davon lässt sich Cosma nicht abhalten, denn als erfahrene Krimiautorin weiß sie: Der Mörder kehrt immer an den Tatort zurück.
Band 2: Tot im Winkel
Ausgerechnet in einem einsamen Hotel im Moor führt die Düsseldorfer Kriminalpolizei einen Profilingworkshop durch. Da muss ja was passieren, glaubt Hobby-Krimiautorin Cosma Pongs und mietet sich in das Hotel ein. Sehr zum Unmut ihrer Tochter, Kriminalhauptkommissarin Paula Pongs. Und tatsächlich: Während Paula mit dem smarten Gerichtsmediziner Doc Fischgrät einen lauschigen Abend in der Hotelbar verbringt, stürzt der arrogante Star-Profiler vom Balkon seines Hotelzimmers und landet direkt vor Cosmas Füßen. Ein Mord, das steht für Cosma außer Frage.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
PAULA
KRABBELNDE KÄFER UND MADEN
Es ist eine Leiche. Paula kann es kaum glauben. Seit Jahren meldet ihre Mutter fast monatlich quicklebendige Tote. Und nun das. Tatsächlich eine Leiche. Jedenfalls soweit Paula es beurteilen kann, denn ihre Mutter verdeckt ihr die Sicht.
»Siehst du, Paula – ich hab es dir gesagt. Mord. Mindestens.« Cosmas knallgelber Umhang leuchtet vor dem Grün des Rasens. Nun zieht sie ein vorsintflutliches Diktiergerät daraus hervor und drückt auf die Aufnahmetaste. Quietschend setzen sich die Rädchen im Inneren in Bewegung. Cosma hält es direkt an ihre Lippen: »Eine männliche Leiche liegt vor mir. Die Augen sind offen, starren ausdruckslos ins Leere. Was mögen sie gesehen haben im Augenblick des Todes?« Sie drückt die Pausentaste und schaut auf: »Ihr solltet die Netzhaut ablösen. Vermutlich hat sich das Bild des Mörders darauf eingebrannt.«
Eine blonde Strähne fällt Paula ins Gesicht. Ungeduldig pustet sie sie weg. »Nein, mit Sicherheit nicht.«
Cosma zückt wieder ihr Diktiergerät. »Wie schon so oft zeigt sich die Polizei nicht bereit, die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft einzubinden. Hier ist ein Profi gefragt. Was für ein Glück, dass ich vor Ort bin. Cosma Pongs: Detektivin. Abenteurerin. Schriftstellerin. Selbstverständlich übernehme ich den Fall.« Sie beugt sich über den Toten: »Der Mann ist circa 49 bis 55 Jahre alt. Er hat ein eingefallenes Gesicht und eine ausgeprägte Halbglatze, über die er seine Haare von hinten nach vorne gekämmt hat. Kein sehr schöner Anblick, muss ich sagen, diese Frisur. Vermutlich arbeitet er bei einer Behörde. Völlig unkreativ. Davon zeugt auch sein Kleidungsstil: kariertes Hemd, grüne Gärtnerhose, grüne Schuhe.«
Paula weiß, dass es nur drei erfolgversprechende Methoden im Umgang mit ihrer Mutter gibt:
Vorgehensweise 1: Ignorieren. Dieser Weg erfordert ein hohes Maß an Selbstkontrolle, Ruhe und Gelassenheit und ist deswegen selbst nach jahrelangem Training nur bei einem kurzen Kontakt durchführbar.
Vorgehensweise 2: Auf ihre Bemerkungen bekräftigend eingehen. Schon als Kind hat Paula gelernt, dass ihre Mutter nichts mehr aus dem Konzept bringt, als wenn jemand sie vorbehaltlos in ihren Ansichten unterstützt. Allerdings ist genau das auch die Crux der Methode: Cosmas Ideen zu unterstützen ist kaum je angebracht.
Vorgehensweise 3: Dafür sorgen, dass Cosma woanders ist als man selbst. Der sinnvollste Weg, die Erfolgsquote spricht für sich.
Heute ist ganz klar ein Tag für Vorgehensweise 3. Entschieden schiebt sich Paula zwischen ihre Mutter und die Leiche: »Raus aus dem Garten!«
Leider hat ihre Mutter in den vergangenen Jahren eigene Strategien entwickelt. Paula bemerkt, wie sie sie mustert und sich dann ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitet. »Du bist so süß, wenn du dich aufregst. Kriegst richtige Apfelbäckchen. Wie das Kind in der Lebertranwerbung.«
»Ich bin vierunddreißig Jahre alt. Und ich werde nicht rot.« Zu ihrem Ärger merkt Paula, wie genau das jetzt passiert.
Cosma lächelt breit. »Du kannst sagen, was du willst: Du kommst ganz nach deinem Großvater, Gott hab ihn selig. Die Sommersprossen, die Stupsnase, ganz wie er.«
»Du gehst jetzt sofort zu den anderen Zivilisten.« Paula weist mit vor Wut zitternder Hand auf den Gartenweg, wo ihr Kollege Walter Körbchen gerade das Absperrband festmacht. Gelassen schreitet er den Weg ab, scheucht die Leute ein Stück nach hinten, befestigt die Absperrung. Anschließend faltet er seine Hände über dem Hawaiihemd und betrachtet lethargisch wie ein Koi-Karpfen die neugierige Menge aus Schrebergärtnern, die sich tuschelnd vor ihm drängt.
»Schau mal, hier! Das ganze Beet ist zertrampelt!« Cosma deutet auf den Boden. »Ich sehe es direkt vor mir: In seinem Todeskampf, gequält von Schmerzen und halb wahnsinnig vor Angst, versucht das Opfer, sich zu retten. Kurz bevor es das Tor zur Freiheit erreicht, bricht es zusammen.« Sie greift sich theatralisch ans Herz, gibt vor zu kollabieren.
Paula nimmt wortlos ihre Handschellen vom Gürtel, lässt sie um das Handgelenk ihrer Mutter schnappen und zieht sie wie einen widerspenstigen Welpen aus dem Garten, an Walter vorbei und unter dem Absperrband hindurch auf die Seite der überraschten Schrebergärtner. »Du! Bleibst! Hier!« Paula spürt ihren Pulsschlag am Hals pochen. Manchmal wünscht sie sich eine ganz normale Mutter. Eine, deren höchstes Ziel es ist, im Theaterabo einen Sitzplatz in der ersten Reihe zu ergattern. Gut, vielleicht nicht so eine Mutter, wie Walter Körbchen sie hat, die ihren Sohn noch heute zum Zahnarzt begleitet. Aber auf keinen Fall eine, die überall und ständig dem vermeintlichen Verbrechen auf der Spur ist und sich den Anweisungen der Polizei widersetzt. Unwillig schließt Paula die Handschelle auf und sieht ihre Mutter streng an. »Wenn du noch einmal unaufgefordert in den Garten spazierst, sitzt du heute Nacht in der Zelle.«
»Aber es ist meine Leiche!«, protestiert Cosma.
»Arrestzelle!«, konkretisiert Paula drohend. Dann wendet sie sich an ihren Kollegen. »Walter, pass auf, dass meine Mutter hinter der Absperrung bleibt. Wenn sie sich auch nur einen Zentimeter in Richtung Tatort bewegt, nimm sie in Gewahrsam.«
Walter blickt von Paula auf Cosma und wieder zu Paula. »Handschellen oder Kabelbinder?«
»Definitiv Kabelbinder. Fest zuziehen, sonst windet sie sich raus. Am besten, du lässt sie keine Sekunde aus den Augen. Wann kommt die Gerichtsmedizin?«
Walter schiebt das Metallgestell seiner Brille nach oben. »Müsste gleich hier sein. Er meinte, er wohnt um die Ecke.«
Paula runzelt die Stirn. »Dr. Nowak hat doch ein Haus in Benrath. Der braucht mindestens eine halbe Stunde.«
»Dr. Nowak ist seit gestern in Elternzeit. Ein Junge, 3543 Gramm, Natalia hat alles bestens überstanden. Dr. Nowak soll dagegen bei der Geburt geschwächelt haben. Na ja, Geburten sind nicht sein Fachgebiet. Jedenfalls kommt der Neue aus Hamburg, Doc Fischgrät.«
»Doc Fischgrät? Was ist das denn für ein Name?« Sie runzelt die Stirn. »Na ja, Hauptsache, er kann etwas Verlässliches zum Todeszeitpunkt sagen.«
Walter zuckt mit den Schultern. »Dafür brauchen wir ihn nicht. Der Vereinsvorsitzende sagt, der Tote hat gestern Abend noch gelebt.« Er deutet auf einen Mann mit hängenden Schultern, der direkt hinter dem Absperrband steht und das Gespräch zwischen Walter und Paula verfolgt.
Der Mann streicht sich über das schüttere Haar. »Korrekt, gestern Abend war der Roland noch putzmunter, da hab ich ihn im Garten werkeln sehen. Hat die Beete umgegraben. Heute Morgen war ich schon früh hier, so wie alle anderen auch. Ist noch so viel zu tun bis zum Sommerfest: Rasen mähen, Hecke schneiden, Unkraut jäten. Soll ja alles gut aussehen. Und dazu kommen noch die Vorbereitungen für das Fest an sich. Jedenfalls, als ich hier vorbeikam, habe ich einen Blick über die Hecke geworfen. Und dann lag er da. Tot.«
Paula sieht, wie Cosma erneut ihr Diktiergerät hervorholt. »Ein Zeuge gibt an, den Toten am Vorabend gesehen zu haben.« Cosma mustert den Vorsitzenden und spricht weiter auf Band: »Ist er der Mörder? Versucht er, durch einen falschen Todeszeitpunkt ein Alibi zu erlangen? Er wäre nicht der Erste. Ich denke an Mord im Pfarrhaus. Ein klassischer Fall.«
Der Vorsitzende schnappt empört nach Luft. »Was erlauben Sie sich?«
»Mutter, sei still!«
Die Frau in der blutroten Strickjacke schiebt sich vor. »Agnes Schulze mein Name. Ich bin die Frau des Vorsitzenden. Hören Sie – wir haben ein Fest auszurichten. Dass der Roland aber auch ausgerechnet jetzt sterben muss.« Sie presst die schmalen Lippen aufeinander. »Wie lange dauert das denn noch alles?«
Paula sieht, wie ein Mann über den Gartenweg heranschlendert, Doc Fischgrät, wenn sie nicht alles täuscht. »Ich komme später zu Ihnen, bitte warten Sie so lange hier«, sagt sie zu Frau Schulze. Die schnaubt verächtlich, weil sie nicht die notwendige Beachtung findet, mustert dann aber neugierig den Neuankömmling. Auch Paula lässt ihren Blick über den Gerichtsmediziner gleiten. Der kommt mit federnden Schritten näher, fährt sich durch die strubbeligen Haare, lächelt ein Grübchenlächeln. Oh je. Ein Schönling. Der letzte gutaussehende Gerichtsmediziner war der unfehlbare Steffen. Er sah aus wie eine junge Version von George Clooney und verfügte über ein nahezu unlimitiertes Selbstbewusstsein. Kam er an einen Tatort, legte er sich innerhalb von fünf Minuten auf eine Todesursache fest. Bis er vor zwei Jahren eine tödliche Vergiftung bei einem 93-Jährigen übersah. Damit war die Gerichtsmedizinerkarriere des unfehlbaren Steffen vorzeitig beendet. Kein Verlust, nach Paulas Meinung. Sie hofft nur, dass der Neue mehr Kompetenz und weniger Egomanie mitbringt.
Doc Fischgrät streckt ihr die Hand entgegen: »Hauptkommissarin Pongs, schön, Sie kennenzulernen.« Ein fester Händedruck, bernsteinfarbene, neugierige Augen.
Obwohl sie mit einem Meter sechsundsiebzig nicht ganz klein ist, muss sie zu ihm aufblicken. »Doc Fischgrät, freut mich auch.« Sie versucht ein Lächeln.
Ein Schmunzeln breitet sich im Gesicht des Mediziners aus, während er ihre Hand mit einem warmen Druck umschließt.
Sie zieht ihre Hand zurück. Was gab es da zu grinsen? Gott, ganz offenbar ein unfehlbarer Steffen 2. »Wir müssen hier entlang«, sagt sie kühl und weist in Richtung der Parzelle. Kurz darauf öffnet Doc Fischgrät eine altmodische braune...