E-Book, Deutsch, Band 2, 384 Seiten
Reihe: Die Cosma-Pongs-Reihe
Dälken Tot im Winkel
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-19847-3
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Cosma Pongs ermittelt - Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 2, 384 Seiten
Reihe: Die Cosma-Pongs-Reihe
ISBN: 978-3-641-19847-3
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ausgerechnet in einem einsamen Hotel im Moor führt die Düsseldorfer Kriminalpolizei einen Profilingworkshop durch. Da muss ja was passieren, glaubt Hobby-Krimiautorin Cosma Pongs und mietet sich in das Hotel ein. Sehr zum Unmut ihrer Tochter, Kriminalhauptkommissarin Paula Pongs. Und tatsächlich: Während Paula mit dem smarten Gerichtsmediziner Doc Fischgrät einen lauschigen Abend in der Hotelbar verbringt, stürzt der arrogante Star-Profiler vom Balkon seines Hotelzimmers und landet direkt vor Cosmas Füßen. Ein Mord, das steht für Cosma außer Frage.
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COSMA
AUF ZUM GALGENVENN
Stellen Sie sich doch nur vor: Wir entdecken eine Moorleiche!« Ich schüttle mich mit freudigem Grausen und sehe es direkt vor mir: In meinen hübschen rot gepunkteten Gummistiefeln wate ich durch das modrige Wasser, auf einmal blubbert es, und ein halb vermoderter Kopf taucht neben mir auf. Ein perfektes Wochenende. Und dass die nächsten Tage genau das werden, steht außer Frage. Denn ich bin mit meinen Mitbewohnern – allesamt Kriminalschriftsteller – auf dem Weg zu einem Schreiburlaub am Galgenvenn, einem der schaurigsten Moore am Niederrhein. »Natürlich würden wir den Fall sofort übernehmen«, lege ich fest.
Mein Mitbewohner Herr von Itzenplitz streicht nachdenklich über sein Bärtchen. Er sitzt neben mir auf der Rückbank des Wagens, sein grauer Anzug hebt sich kaum von den Polstern ab. »Frau Cosma, der Tod der aufzufindenden Person dürfte bereits vor Hunderten von Jahren erfolgt sein. Glauben Sie, wir können nach so langer Zeit den Tathergang rekonstruieren?«
Hm, da hat er recht. »Vielleicht passiert ja etwas anderes. Immerhin findet im Hotel gleichzeitig der Workshop der Mordkommission statt. Was wirkt anziehender auf Verbrecher als die Polizei?«
Ich sehe an Herrn von Itzenplitz’ Gesichtsausdruck, dass er meiner Argumentation nicht folgt. Dabei ist er wie ich eng mit der Materie verbunden, er schreibt nämlich Arbeiterkrimis. Gerade hat er ein Manuskript beendet mit dem Titel Glückauf in den Tod. Mord an einem kapitalistischen Ausbeuter im Umfeld der proletarischen Genossenschaft. Ich bin nicht sicher, ob der Titel glücklich gewählt ist.
»Sie haben die Information erhalten, dass ein echter Profiler vor Ort sein wird, Frau Cosma?«, unterbricht Herr von Itzenplitz meine Gedanken.
»Absolut, mein Lieber. Und zwar kein Geringerer als Ralf Maria Kleinert. Er ist eine absolute Koryphäe, hat den Düssel-Würger dingfest gemacht und die Kölner Giftmischer überführt. Ich bin wirklich gespannt, ihn kennenzulernen.« Wie gut, dass ich aus zuverlässiger Quelle weiß, dass er in diesem Landhotel in der Nähe des Galgenvenn einen Vortrag halten wird. Sofort haben wir für unsere WG ein Autorenwochenende in dem Hotel arrangiert, und jetzt sind wir auf dem Weg dorthin. Unsere Mitbewohnerin Gerda hat heute Morgen ihr silberfarbenes Mercedes Cabrio aus der Garage geholt, und inzwischen liegt Düsseldorf ein gutes Stück hinter uns.
»Vielleicht hat der Profiler Anregungen, wie ich mein Opfer möglichst lange leben lassen kann, während ich es zerstückele.« Gerda lächelt entrückt und überholt schnittig auf der rechten Seite einen Porschefahrer. Ihre grauen Löckchen wirbeln im Fahrtwind, und sie winkt ihm freundlich zu.
»Es war wirklisch Jlück, dat Sie von dem Polizeiseminar jehört haben«, unterbricht Ewald Meier-Zuhorst meine Gedanken. Er wendet seinen kleinen runden Körper zu uns, sodass wir endlich mehr von ihm sehen als nur sein Resthaar, das wie ein Lorbeerkranz um seinen Kopf liegt. Offenbar hat er beschlossen, sein eingeschnapptes Schweigen zu unterbrechen. Den ganzen Morgen hat er nämlich keinen Ton gesagt, und das nur, weil er den Mercedes nicht aus der Garage fahren durfte. Ewald Meier-Zuhorst fährt unheimlich gerne. Egal womit. Genau wie Eddi Mei-Zu, der Held seiner Agententhriller, der mit müheloser Eleganz jedes noch so abwegige Gefährt lenkt. Ob Rennwagen, Panzer oder Zeppelin, am Ende hat der Agent immer den Bösewicht vertrieben und das niederrheinische Weeze vor dem Untergang gerettet. Der echte Eddi verfügt dagegen nicht über ganz so viel Talent. Bei seinem letzten Ausflug mit einem Bagger zerstörte er einen kompletten Schrebergarten. Seitdem halten wir alle fahrbaren Geräte von ihm fern.
»Lieber Eddi, es war kein Glück, dass ich von dem Seminar im Moorhotel erfahren habe. Das war knallharte Ermittlungsarbeit«, stelle ich klar.
Eddi nickt anerkennend. »Dat hab isch mir schon jedacht.«
Eigentlich könnte es ganz einfach sein, an solche Informationen zu kommen. Meine Tochter arbeitet nämlich bei der Mordkommission der Düsseldorfer Polizei. Aber Paula will mit mir nicht über ihre Arbeit reden, sie leidet geradezu unter Verfolgungswahn. Ihren Arbeitsschreibtisch hat sie mit einem dreifachen Schloss gesichert. Völlig paranoid, meiner Meinung nach. Und zudem nutzlos. Ihr Kollege Walter Körbchen ist nämlich viel sorgloser im Umgang mit sensiblen Daten. Er verwendet gedankenlos den Papierkorb. Und genau darin habe ich die Einladung zu dem Polizeiworkshop gefunden.
»Glauben Sie wirklich, dass wir mit dem Profiler werden sprechen können?«, reißt mich Herr von Itzenplitz aus meinen Gedanken.
Nun ja. Das ist so eine Sache. Meine Tochter will partout nicht einsehen, wie wunderbar wir die Polizei als externe Berater unterstützen könnten, und ich fürchte, sie wird alles versuchen, den Profiler von uns fernzuhalten. »Wir werden einen Weg finden«, antworte ich nachdenklich. »Wie groß kann so ein Hotel schon sein? Irgendwann muss uns der Mann über den Weg laufen. Ob er will oder nicht.«
Eddi dreht sich wieder zu uns um: »Wenn allet nicht hilft: Isch habe die Abhöranlage einjepackt.« Vor einigen Wochen hat Eddi bei der Recherche für sein Buch einen Fernsehbericht gesehen, in dem ein Reporter mit vorwurfsvoller Stimme berichtete, dass Spionagegeräte mittlerweile für jedermann frei im Internet erhältlich seien. Nur einen Tag später richtete ein pickliger Junge in Eddis Zimmer einen hyperschnellen Internetzugang ein, und Eddi tätigte erste Einkäufe. In den nächsten Tagen kamen Pakete über Pakete. Einen Großteil davon hat Eddi heute Morgen in den Kofferraum gepackt, womit kein Platz mehr für unsere Koffer war. Da wir nicht den Eindruck hatten, dass Eddi Argumenten zugänglich ist, habe ich ihn abgelenkt, indem ich mir von ihm die Vorteile von Pistolen gegenüber Revolvern erläutern ließ. Während er mir einen durchaus interessanten Vortrag hielt, haben Herr von Itzenplitz und Gerda zwei seiner fünf Seesäcke aus dem Wagen herausgeräumt und unsere Koffer hinein.
»Gerda, wie wäre es mit ein wenig Musik?«, frage ich, um vom Thema abzulenken. Gerda nickt begeistert, schiebt eine Kassette in den Rekorder, und kurz darauf beginnen die ersten Takte von Siebzehn Jahr, blondes Haar, Gerdas Lieblingslied. Eddi hat unser Ablenkungsmanöver nicht durchschaut, sein Fuß wippt entspannt zur Musik.
Eine Stunde später biegen wir von der Autobahn ab. Unser Wagen bebt vom voll aufgedrehten Aber bitte mit Sahne. Gerda und ich ahmen absolut naturgetreu Udo Jürgens’ Stimme nach, Eddi und Herr von Itzenplitz singen den Backgroundchor. Es ist herrlich.
Die Dörfer, die wir durchfahren, werden immer kleiner, bis sich schließlich kilometerlang kein Haus mehr zeigt. Nur noch Landschaft. Birken, kahle Büsche und Wiesen, über denen bedauernswerterweise nicht ein Hauch von Nebel liegt. Ich ziehe mein Diktiergerät hervor, um die Impressionen für einen späteren Roman festzuhalten. Ich drücke die Taste, und quietschend setzen sich die Räder in Bewegung. »Es ist stockduster, als wir uns unserem Ziel nähern. Kein Vogel ist am Himmel zu sehen, schwarze Ödnis umgibt uns. Mein untrügliches Gespür sagt mir: Es wird ein Mord geschehen.«
»Liebe Frau Cosma, hier ist keine schwarze Ödnis. Wir haben hellen Sonnenschein, perfektes Herbstwetter«, wirft Herr von Itzenplitz ein. »Es ist alles völlig unverdächtig.«
»Realismus mag gut und schön sein, ist aber langweilig«, antworte ich. Bevor wir diesen Dialog weiter vertiefen können, wird unser Auto langsamer, Gerda biegt von der Hauptstraße ab. Wir überqueren eine winzige Brücke über einen Bachlauf. Ein Holzschild weist den Weg: Landhotel Zum toten Winkel. Ein seltsamer Name für ein Hotel. Zumal für eines, das am Galgenvenn liegt.
»Sollte diese Brücke einstürzen, sind wir vom Rest der Welt abgeschnitten«, überlege ich, denn als erfahrene Krimiautorin weiß ich, was alles passieren kann. »Ausgeliefert den Gefahren dieses Urwaldes. Tödliche Sumpflöcher, gnadenlose Schlingpflanzen, bissige Rehe.«
»Bissige Rehe?«, fragt Gerda von vorne.
Warum muss eigentlich jeder meine Worte mit diesem Unterton wiederholen? »Rehe sind heimtückische Geschöpfe«, erkläre ich mit Nachdruck.
Eddi Mei-Zu schaut aus dem Seitenfenster in den Wald. »Isch finde, dat sieht hübsch aus«, sagt Eddi Mei-Zu. »Die bunten Blätter in der Sonne, dat jrüne Moos. Schön.«
»Sie haben vollkommen recht, mein lieber Eddi«, pflichtet Gerda ihm bei. Sie hält an und sieht sich mit entrücktem Blick um. Plötzlich deutet sie aufgeregt zu einer Lichtung. »Bambi!« Sie ist völlig aus dem Häuschen. Ich folge ihrem ausgestreckten Finger. Tatsächlich grasen dort einige Rehe. Als sie unseren Wagen bemerken, betrachten sie uns mit großen Augen.
»Alfred … schau mal!« Gerda hält die Tasche hoch, in der unser rot getigerter WG-Kater sitzt, den wir natürlich nicht allein in unserer WG in Düsseldorf zurücklassen konnten. Alfred scheint jedoch von den anderen Tieren wenig angetan: Er faucht. Gerda hat heute Morgen einiges an Körperkraft aufbieten müssen, um ihn in die Tasche zu bekommen. Denn so sehr Alfred Ausflüge liebt, so sehr verabscheut er es, in die Tasche gesperrt zu werden. Blutige Kratzer auf Gerdas Handrücken zeugen von dieser Antipathie. Gerda setzt ihn samt Tasche auf ihren Schoß, kontrolliert den Reißverschluss. Dann schiebt sie ihm ein Fischstückchen durch eine Öffnung. Alfred zögert, kann...




