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E-Book

E-Book, Deutsch, 602 Seiten

David Novellen


1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-0913-9
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 602 Seiten

ISBN: 978-3-8496-0913-9
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
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Dieser Band beinhaltet die folgenden Novellen des österreichischen Schriftstellers: Der neue Glaube Der Letzte Die stille Margareth Frühschein Die Mühle von Wranowitz Cyrill Wallenta Die Hanna Der Übergang Die Tochter Fortunats Die Troika Ein Poet? Halluzinationen Schuß in der Nacht

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Frühschein



Den 13. des Monats Julius 1662 haben sie auf der Gänseweide im Erdberg vier üble Weiber gebrannt. Es war ein groß Spektakel und ein sonderlich Ergötzen für das gemeine Volk, das johlend und mit Zuruf um den Stoß stand und für dessen Erlustigung sonst bei bösen Zeiten wenig geschah. Denn zweie von ihnen kannte die ganze Stadt. Die eine davon war des sehr edeln und ansehnlichen Ratsherren Petrus Lehningers Weib, die andere seine Tochter Barbara. Denn die Stiefmutter hatte, zu wiederholten Malen peinlich befragt, endlich bekannt, sie habe das Mägdlein, da es noch nicht zwölf Jahre alt gewesen, ob seiner ausnehmenden Schönheit dem höllischen Buhlen zugeführt. Torquieret , gab die Jungfer Barbara zu, sie habe durch sieben Jahre mit dem Bösen Gemeinschaft gehabt und schlimme Unzucht getrieben. Genossinnen nennen aber tat sie überall nicht. So heftig man ihr auch mit Worten und eindringlicheren Vermahnungen zusetzte, antwortete sie immer, sie hätte, wann sie ausgefahren, bei ihrem sehr zurückgezogenen Leben niemanden erkannt, und insgemein sei der schlimme Feind als ein sehr säuberlicher und nur etwas hinkender Herr zu ihr auf die Stuben gekommen. Über eine solche Halsstarrigkeit eines so jungen Geschöpfes betrübten sich der Hexenrichter, Herr Ferdinand Riemenschneider, und der Beichtiger, der ihre Seele gerne gerettet, gar sehr. Denn das Treiben der Unholdinnen war nur zu schamlos und zu offenkundig, als daß ein Einsichtiger es hätte leugnen können, so daß das Holz unablässig im Preise stieg, und zwar, soviel dessen auch zugewachsen, fast noch mehr ihrer Brandstöße halber als der vielen neuen Häuser wegen, die man nach dem großen Kriege überall aufzubauen begann, und daß niemand bessere Zeiten und ein lohnenderes Geschäft hatte als die Büttel samt dem Fronvogte. Der alte Lehninger aber, der sich wie ein Rasender nahm und sich weigerte, die Gerichtskosten für Weib und Tochter zu bezahlen, ward mit vielen Pfunden guter böhmischer Groschen gebüßt, und, weil er sehr lästerliche Reden führte, als ein Zweifler und als im Geruche geheimer Hinneigung zur Hexerei fortan suspekt gehalten.

Am 18. hujus , eben da es tagte und die Frau Katharina des sehr gestrengen Herren Ferdinand Riemenschneider sich erhob, fand sie in Küche und Haus noch gar nichts bereitet. Vielmehr alles lag und stand, wie zu Abend zuvor. In ihrem Bette aber fand sie die ungarische Magd, Terka geheißen, welche seit mehr denn einem Jahre bei ihnen im Dienste gewesen. Diese stöhnte erbärmlich und klagte, wie sie sich durchaus nicht aufrichten könne. Denn es sei ihr nicht anders, als hätte sie Blei in den Gliedern, und tue ihr alles weh. Bestürzt sandte man nach dem Chirurgus Sebastian Oberndorfer, denn das Mädchen war dem ganzen Hause wert ob seiner Anhänglichkeit und seines munteren Wesens. Herr Oberndorfer fand nichts und schied mit einigem Kopfschütteln, weil er an sich und seine Kunst glaubte. Und wie das etliche Tage so fortwährte, ohne daß weder die Terka an ihr Werk gehen konnte, noch es eigentlich schlimmer mit ihr ward, so entstand ein allgemeines Raunen. Denn man kannte das Mädchen um den Bauernmarkt, wo des Herren Riemenschneiders Haus stand, weil es sehr hübsch war: zierlich von Gestalt, mit gar kleinem Kopfe, mit munteren, schwarzen Augen darin, bräunlich von Angesicht und behend und wippend, von Gang wie eine Grasmücke, daß man immer meinte, sie werde jetzt verborgene Flügel spannen und fortpurren. Auch sang sie gerne und heimlich vor sich, wie so ein Waldvogel, und wollte von keiner Liebschaft wissen, ob ihr schon ansehnliche Herren auflauerten, wenn sie hinter ihrer großen, blanken, stattlichen Frau zu Markte ging, ihr nachstellten, wenn sie allein etwas zu verrichten trippelte, und sie so etwa ein unversehenes Glück hätte machen können. Und weil sie immerdar ganz gesund gewesen war, so munkelte man allerhand von Hexerei, und als man gar hörte, sie möge die Frau durchaus nicht mehr ansehen und kehre den Kopf nur zur Wand, wenn ihr diese tröstlich zuspreche, so gewann der Verdacht bald eine bestimmte Richtung. Man war der Frau Riemenschneider nämlich nicht hold, weil sie sich vom Verkehr mit anderen Frauen fernhielt und mied. Eine der Nachbarinnen erzählte, sie hätte sich einmal berühmt, sie wolle lieber des Teufels werden als eines Kindleins genesen. Denn ihre Schönheit sei ihr zu wert, als daß sie durch Kindesnöte sie sich zerstören lassen wolle.

Es gab an den beiden überhaupt immer zu mäkeln. Wer den Blutbann in Händen hielt, wer schon durch sein Amt so vielen Leiden bereiten mußte, dem mußten manche gram sein. Es gab wenig Familien, die sein Eingreifen nicht schon einmal verspürt hatten. Er tat seine Pflicht, ohne Besinnen, ohne Härte, ohne Rücksicht, wie man etwas erledigt, das nun einmal sein muß und das in eines anderen Händen läge, wäre es nicht diesen anvertraut. Er hatte im großen Kriege als ein sehr junger Hauptmann gedient und darnach dies Amt anvertraut erhalten, das seinen Wünschen durchaus entsprach. Denn er war keiner Versuchung zugänglich, ruhig, erwägend und bei seiner großen Klarheit bald ein scharfer Jurist, an den man sich selbst aus Grätz und noch weiterher in wichtigen Fragen um Gutachten wandte. Allerdings wußte er sich damit und mit seiner gewandten Feder nicht wenig, überhob sich gegen die Kollegen und träumte von einer höheren Laufbahn. Sie war eines Obristen Tochter, der bei Jankau ohne Viktoria, doch nicht sonder Ruhm unter kaiserlichen Fahnen gefallen, streng klösterlich erzogen, selber zum himmlischen Bräutigam sich sehr hingezogen fühlend, und hatte auch darum nicht ohne Besinnen und Zweifeln sich dem älteren Manne verbunden. Nun hingen sie einander sehr an, mit einer heftigen Ausschließlichkeit des Begehrens, welcher die Jahre nichts anhaben konnten. Sie waren wohlhabend und vielleicht sogar mehr, ohne anderen Aufwand zu machen als für den Staat der Frau, daran ihr Herz nun einmal hing. Gesellschaft mieden sie nicht, noch fehlte sie ihnen, die jeder ungestörten Stunde froh waren, so wenig sie, als völlig gleicher Gedanken, auch in ihr sprachen. Beider Gottesfurcht war echt. Anfangs hatte man ihr Glück bezweifelt, späterhin es als etwas Unbegreifliches hingenommen, je fester es erwuchs, während um sie herum manches Blühen, wie eben erst das bei Lehningers, zunichte ward. Das Unbegreifliche aber schwebt über den Häuptern der Menschen wie eine drohende Wolke. Wann wird sie sich öffnen und irgendein ungeahntes Unheil enthüllen, das in ihrem Schoße schlief ...?

Nach einer Woche etwa, als es mit der Terka immer im gleichen blieb, ohne daß alles Salben und Schmieren von hilfreichen Frauen irgend nutzte, vielmehr der Arm des Mädchens, wenn man ihn zur Höhe hob, als ein unnütz und kraftlos Ding niederfiel, gleich als wär er in der Wurzel verdorrt, während doch kein Auge gegen früher eine Änderung gewahren konnte, sandte man nun einen Priester vom Orden Jesu, der im Geruche stand, Teufel besprechen und austreiben zu können. Er war Beichtiger und Seelenfreund des Hauses, wie in diesen sehr kummervollen wie andächtigen Tagen jedes bessere einen haben mußte. Er verweilte sich sehr lange bei dem Mädchen, und der Herr Riemenschneider, der sich derweilen aus rein menschlichem Anteil im Flur aufhielt, hörte den heiligen Mann mit starker Stimme der Magd zusprechen, sie vermahnen und beschwören, während sie entgegenschluchzte, beteuerte und ihrer Seelen Seligkeit zum Pfande setzte. Als sich die Türe wieder auftat, trat der Priester mit sehr blassem und verstörtem Gesichte heraus. Wenige Worte, und Herrn Riemenschneiders Antlitz ward nicht minder fahl. Er griff nach der Hand des Priesters und riß sie ungestüm an sich, als wolle er sie vom Arme trennen, küßte sie heftig, und er, an dem man niemals eine sonderliche Aufregung gekannt, schrie auf, stöhnte und flehte. Der andere zuckte mitleidig und hilflos die Achseln. Da er schied, taumelte der Richter ganz ohne Fassung in sein Gemach.

Am gleichen Abend war ein großer Rumor in der Stadt. Denn Frau Katharina Riemenschneider war, als der Hexerei bezichtigt und schwer gravieret , in die gemeine Prison eingeliefert worden. Von Stund ab erholte sich die Magd, daß es ein Wunder und fast für sich ein Beweis war, und war bald wieder auf stracken Füßen.

Dieses war die Anklage, wie sie die Terka zuerst dem Beichtiger gemacht, darnach vor dem Inquirenten, oft und eindringlich vermahnt, aufrechterhalten, ohne alle Abweichung wiedererstattet und mit den teuersten Eiden bekräftiget. Und als einer ehrsamen und unbescholtenen Person christlichen Glaubens mußte man ihr wohl Gehör schenken und demnach mit der Inkulpatin nach dem gemeinen Recht und den Vorschriften des Hexenhammers gemäß verfahren.

Es sei ihr oftmals aufgefallen, wenn sie der Herrin beim Auskleiden habe helfen müssen, daß sie diese schleunig weggeschickt und die Türe hinter sich sorgsamst verriegelt. Und als neugierig, und ob die Frau nicht vielleicht eine geheime Unform vor ihr verberge, habe sie einmal durch das Schlüsselloch geluget und also gesehen, wie sich die Frau nackend ausgezogen und mit einer Salbe am ganzen Körper gesalbet, der aber ohne allen Fehl gewesen. Das ziemliche Häfen, aus welchem sie diese Salbe genommen, stand hinter dem Bette in einem geheimen Schränkchen. Einmal habe sie fürwitzig ihren Finger darein getauchet. Es war ein starker und übler Geruch, und der Finger brannte sehr heftig. In der gleichen Nacht sei aber in ihre Kammer, die sie doch wie immer sorglich verschlossen, ein sehr wohlgekleideter Herr, den sie niemals vorher gesehen, gekommen, habe ihr das Köstlichste von aller...



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