De Masi / Hinz / Frank Die sadomasochistische Perversion
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-7728-3017-4
Verlag: frommann-holzboog
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, Band 23, 208 Seiten
Reihe: Jahrbuch der Psychoanalyse. Beihefte
ISBN: 978-3-7728-3017-4
Verlag: frommann-holzboog
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Franco De Masi, Psychoanalytiker und Supervisor der Italienischen Psychoanalytischen Gesellschaft, ist bekannt für seine Forschungen zu psychotischen Phänomenen. Sein hier vorgelegtes Buch zur Perversion gibt zahlreiche Denkanstöße und Orientierungshilfen zum besseren Verständnis der komplexen Vorgänge und des Erlebens bei perversen Beziehungsmomenten und in strukturierten sexuellen Perversionen. De Masi untersucht die Beziehung zwischen Sadomasochismus und anderen psychischen Verfassungen, z.B. Depression, Psychosen und Borderline-Störungen, und erörtert die Natur des Bösen im Licht verschiedener psychoanalytischer Ansätze.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
1;Inhalt;6
2;Vorwort;8
3;1 Einleitung;34
4;2 Ein Vorläufer;41
5;3 Probleme der Terminologie und Definition;44
6;4 Sadomasochismus und Depression;51
7;5 Der feminine Masochismus oder der Fall des Wolfsmanns;54
8;6 Der asketische Masochismus;59
9;7 Klinische Aspekte der Perversion;64
9.1;Perversion und pervers-zwanghafte Sexualität;64
9.2;Eine sehr private Fallgeschichte;67
9.3;Eine tragische und exemplarische Geschichte;68
10;8 Theorien der sadomasochistischen Perversion;72
10.1;Die Psychosexualität;76
10.2;Das erste Paradigma Die psychosexuelle Theorie;77
10.3;Aktuelle Triebtheorien;85
10.4;Das zweite Paradigma Die relationalen Theorien in der Nachfolge Kohuts und Winnicotts;88
10.5;Das dritte Paradigma Kleinianische und postkleinianische Theorien;94
10.6;Die Trauma-Hypothese Robert Stollers;97
10.7;Einige Überlegungen zum biologischen Aspekt;100
11;9 Nach den Theorien;105
11.1;Die sadomasochistische Phantasie beim Kind;106
11.2;Die Rolle der Vorstellungskraft bei der Perversion;108
11.3;Die sadomasochistische Monade und die Einheit der Gegensätze;111
11.4;Perversion und Sexualisierung;113
11.5;Die Natur der sadomasochistischen Lust;119
11.6;Die Rolle der Grausamkeit beim Sadomasochismus;120
12;10 Grenzbereiche;123
12.1;Borderline-Strukturen und Formen perverser Abwehr;123
12.2;Perversion und Psychose;128
12.3;Kriminalität und Perversion;130
13;11 Kindheitstrauma und Perversion;135
14;12 Abschließende Bemerkungen zu den drei Paradigmen;142
14.1;Die Perversion als Resultat der infantilen Sexualität;146
14.2;Die Kontinuität zwischen normaler und perverser Sexualität;148
14.3;Die Aggressivität bei der Perversion;150
14.4;Neuere Theorien;153
14.5;Die Perversion als Akt der Wiederherstellung des Selbst;153
14.6;Die Perversion als psychopathologische Organisation;158
15;13 Zur psychoanalytischen Therapie der Perversionen;162
16;14 Das Böse und die Lust aus psychoanalytischer Sicht;169
16.1;Das Böse;169
16.2;Die Lust;172
16.3;Die Destruktivität;173
16.4;Das unheilbare Böse;175
16.5;Regression und seelische Zerstörung;177
17;Nachwort;181
18;Literatur;190
18.1;Namenregister;200
18.2;Sachregister;203
Kapitel 10 Grenzbereiche (S. 122-123)
Borderline-Strukturen und Formen perverser Abwehr
Ich möchte im folgenden einige Gedanken ausführen, die ich bereits im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen pervers-zwanghafter Sexualität und strukturierten Perversionen angedeutet habe. Angst und Schrecken – das Vermächtnis der kindlichen Ohnmacht – können bekanntlich als Quelle der Erregung dienen. Charakteristisch für viele Borderline- Patienten ist die merkwürdige Mischung aus Angst, Schrecken und sexueller Erregung, mit der sie das Verfolgungsgefühl und die Angst vor Vernichtung unter Kontrolle zu bringen versuchen.
Im Falle des Borderline-Syndroms – im Grenzbereich zwischen Neurose und Psychose – ist es dem Patienten niemals gelungen, die Verfolgungs- und Vernichtungsängste der frühesten Kindheit zu bewältigen; ihm fehlte die Hilfe eines Objekts, das ihm bei dieser Aufgabe hätte beistehen können. Diese Patienten versuchen oft, mit Hilfe von schreckeneinflößenden Phantasien, zusammen mit der Lektüre gewisser Bücher oder dem Anschauen von Horrorfilmen, die Verfolgungsängste unter Kontrolle zu halten oder zu überwinden oder sich von ihnen zu kurieren. Die erregende Gratwanderung zwischen bedrohlicher und gebändigter Angst bereitet Lust.
Die so erlangte Lust kann perverser Natur sein, da sie ein gewisses Maß an Erregung durch Grausamkeit einschließt, ohne daß es sich hierbei um eine Perversion im engeren Sinne handeln müßte. Der Borderline-Patient wird also potentiell immer von solchen Ängsten gepeinigt, mit denen er sich unaufhörlich auseinandersetzen muß. Eine der Möglichkeiten für den Umgang mit den Ängsten ist die Sexualisierung, die Lust hervorruft.
Eine derartige Abwehrform kann zu vorübergehenden Kompromissen führen, die die Angst zu neutralisieren vermögen, bringt aber weitere Störungen des seelischen Gleichgewichts mit sich und begünstigt damit das Auftreten psychotischer Zustände.
Typisch für die Borderline-Patienten ist ein Oszillieren der persönlichen Identität und der aggressiven oder unterwürfigen Einstellung. Dadurch sind sie offener für Veränderungen und empfänglicher für Hilfe durch die Psychoanalyse als Personen mit strukturierten Perversionen. Hier einige knappe Falldarstellungen: Ein Analysand macht eine Krise durch, in der sich die Erfahrung kindlicher Angst nach dem Tod seiner Mutter, seiner einzigen positiven Bezugsperson, wiederholt.
In dieser Phase wird der Patient von beängstigenden Bildern gequält, in denen er sich vom Vater bedroht fühlt; er phantasiert eine sexuelle Begegnung mit ihm, bei der er Lust dadurch empfindet, daß er anal penetriert wird. So hält er die Angst, er könne getötet werden, von sich fern. In einem anderen Traum kann er einen Vampir, der ihn verfolgt, um ihm das Gehirn auszusaugen, dadurch besänftigen, daß er ihm seinen Penis anbietet.