Dexter | Die Toten von Jericho | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten

Reihe: Ein Fall für Inspector Morse

Dexter Die Toten von Jericho

Kriminalroman. Ein Fall für Inspector Morse 5
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-293-31028-5
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminalroman. Ein Fall für Inspector Morse 5

E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten

Reihe: Ein Fall für Inspector Morse

ISBN: 978-3-293-31028-5
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Inspector Morse, so genial er auch sein mag, hat eindeutig einen wunden Punkt: die Liebe. Irgendwie will es nie so recht klappen, und die richtigen ersten Worte finden sich auch nicht von allein. Umso verwirrter ist Morse, als er ohne die kleinste Peinlichkeit einen ganzen Abend in Gesellschaft der bezaubernden Anne meistert. Als er sie besuchen will, steht die Tür offen. Er geht hinein, doch niemand ist da. Wenig später wird er an einen Tatort gerufen: in dieselbe Wohnung. Anne wurde tot aufgefunden. Erhängt.

Colin Dexter (1930-2017) studierte Klassische Altertumswissenschaft und war erst als Oberstufenlehrer und anschließend als Prüfer an der Oxford-Universität tätig. 1973 schrieb er Der letzte Bus nach Woodstock. Es folgten dreizehn weitere Fälle für Inspector Morse, die als Fernsehserie verfilmt wurden. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet, u. a. mehrmals mit dem CWA Gold Dagger. Für sein Lebenswerk wurde Dexter mit dem CWA Diamond Dagger und dem Order of the British Empire für Verdienste um die Literatur ausgezeichnet.
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Und ich frag mich,
wie hätten sie zusammenfinden sollen!

T. S. Eliot, La Figlia Che Piange

Schön ist sie eigentlich nicht, dachte er. Einmal vorausgesetzt, Schönheit ließe sich überhaupt objektiv messen: sub specie aeternae pulchritudinis sozusagen. Sie waren einander gleich zu Anfang vorgestellt worden und hatten dabei nur die üblichen Höflichkeitsfloskeln gemurmelt. Doch seither waren sich ihre Blicke über den Raum hinweg immer wieder begegnet, und sie hatten sich für Momente in die Augen gesehen. Nach seinem dritten Glas Rotwein – von nicht eben bester Qualität – gelang es ihm, sich dem kleinen Kreis von drei, vier flüchtigen Bekannten, mit denen er zusammengestanden hatte, unauffällig zu entziehen.

Die Gastgeberin Mrs Murdoch, eine stattliche tatkräftige Frau Ende vierzig, begann eben die ersten Gäste mit freundlicher Bestimmtheit in Richtung auf das Buffet zu dirigieren, das am anderen Ende des großen Raumes auf einigen Tischen angerichtet war. Als sie an ihm vorbeikam, trat er einen Schritt auf sie zu und sprach sie an. »Ein netter Abend!«

»Ich freue mich, dass Sie kommen konnten. Jetzt dürfen Sie aber nicht die ganze Zeit allein hier herumstehen. Sie sollten ein bisschen auf die Leute zugehen! Habe ich Sie übrigens schon bekannt gemacht mit …?«

»Danke, lassen Sie nur. Ich werde mich umsehen. Versprochen.«

»Ich habe den meisten hier schon von Ihnen erzählt.«

Er nickte nur, ohne allzu große Begeisterung zu zeigen, und blickte ihr aufmerksam in das großflächige, nicht besonders anziehende Gesicht. »Sie sehen gut aus.«

»Ich fühle mich auch gut.«

»Was machen die Jungen? Die müssen doch jetzt auch schon (ja was eigentlich?) äh … bald erwachsen sein?«

»Michael ist achtzehn. Edward siebzehn.«

»Wie doch die Zeit vergeht! Da sind sie wahrscheinlich bald mit der Schule fertig?«

»Michael macht nächsten Monat Abitur.« (»Das Buffet ist dort hinten, Rowena. Bitte bedien dich.«)

»Ich hoffe, er verfügt über die nötige Ruhe und Zuversicht?«

»Mir scheint, als sei Zuversicht eine reichlich überschätzte Haltung. Finden Sie nicht auch?«

»Ja, vielleicht haben Sie recht«, antwortete er etwas zögernd. Darüber hatte er noch nicht nachgedacht. (Täuschte er sich, oder hatte er in Mrs Murdochs Augen ein leichtes Unbehagen bemerkt?) »Weiß er schon, was er studieren will?«

»Biologie, Französisch und Wirtschaftswissenschaften.« (»Ja, dort hinten. Bitte nehmen Sie sich selbst.«)

»Ach, wie interessant«, sagte er, während er sich im Stillen fragte, welche Gründe den jungen Murdoch bewogen haben mochten, eine derart merkwürdige Fächerkombination zu wählen. »Und Edward? Was …?« Er sprach ins Leere, denn Mrs Murdoch war schon weitergegangen und kümmerte sich um andere Gäste. Er fand sich auf einmal allein. Seine Gesprächspartner von vorhin beugten sich inzwischen am anderen Ende des Raumes über diverse Häppchen, kalten Braten und Salate, stießen ihre Gabeln in Hühnerbrüstchen und beluden sich die Teller mit Krautsalat. Er fixierte ungefähr zwei Minuten die nahe Wand, und man hätte meinen können, er sei in eine kritische Betrachtung des dort hängenden Aquarells versunken, das offensichtlich das Werk eines dilettierenden Freizeitmalers war. Doch dann setzte er sich plötzlich in Bewegung. Vor dem Buffet hatte sich eine Schlange gebildet. Sie stand ganz am Ende, und er stellte sich hinter sie.

Er wagte einen Vorstoß. »Sieht gut aus, nicht?« Keine besonders originelle Bemerkung, aber sie hatte ihren Zweck erfüllt, denn sie wandte sich zu ihm um. »Hungrig?«, fragte sie. Hatte er Hunger? Er wusste es nicht. Aus der Nähe sah sie noch anziehender aus mit ihren großen dunklen Augen und dem zarten, klaren Teint. Sie lächelte ihn an.

»Ein bisschen vielleicht«, sagte er.

»Ich glaube, Sie essen zu viel.« Sie legte ihre Hand dorthin, wo sich unter dem weißen Hemd sein Bauch abzeichnete, und spreizte die Finger. Das Hemd hatte er extra für diesen Abend gewaschen und gebügelt – eigenhändig. Ihre Finger waren schlank und kräftig, die Nägel sorgfältig manikürt und dunkelrot lackiert.

»Aber alles in allem bin ich doch noch ganz passabel, oder?« Er genoss die Situation, und seine Stimme klang übermütig, fast wie die eines Schuljungen.

Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und tat so, als versuche sie, seine Qualitäten herauszufinden. »Hm, nicht übel«, konstatierte sie und schürzte die Lippen.

Um die Schüssel mit den Roten Beten zu erreichen, musste sie sich weit über den Tisch recken, und er betrachtete beinahe andächtig die sanfte Kurve ihres schmalen Hinterns. Und dann, von einem Moment auf den andern, fühlte er sich wieder einmal ein bisschen allein und verlassen. Sie hatte eine Unterhaltung mit dem Mann vor sich begonnen, Mitte zwanzig, groß, blond, sonnengebräunt und mit einem athletischen Körper, an dem kein Gramm Fett zu viel war. Er schüttelte den Kopf, und ein resigniertes Lächeln spielte um seine Lippen. Dass er immer noch auf diese alten Wunschfantasien hereinfiel … Mit fünfzig kam man zum Glück in das Alter, wo die Sehnsüchte allmählich nachließen. Aber eben erst allmählich.

Auf dem letzten Tisch hatte man einen Teil der Fläche frei gelassen und einige Stühle bereitgestellt. Dort würde er sich hinsetzen und in aller Ruhe sein Mahl verzehren. Wenigstens ersparte er sich so die Verdauungsprobleme, die ihn unweigerlich erwarteten, wenn er sich in einem der Sessel niederlassen würde, um in jener furchtbar unbequemen, vornübergebeugten Stellung zu essen, wie sie die anderen Gäste offenbar zu bevorzugen schienen. Er füllte sein Glas nach, zog sich einen Stuhl heran und führte gerade den ersten Bissen zum Mund, als sie plötzlich neben ihm stand.

»Sie sind anscheinend der einzige vernünftige Mensch hier«, sagte sie.

»Ich muss Rücksicht nehmen auf meine Verdauung«, erwiderte er kurz, ohne von seinem Teller hochzublicken. Wozu versuchen, einen guten Eindruck auf sie zu machen? Sosehr er sich auch anstrengen mochte, die Tatsache blieb bestehen, dass er ein Mann war, der die besten Jahre hinter sich hatte. Und man sah ihm sein Alter an. Er hatte einen Bauch, und sein Haar begann sich auch schon zu lichten. Doch dafür sprossen ihm seit Längerem Borsten aus den Ohren. Nein, sie beide passten nicht zusammen. Besser, sie hielte sich an den lüsternen jungen Adonis dort drüben, der sie schon die ganze Zeit mit seinen Blicken verschlang.

»Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

Er sah endlich auf, betrachtete sie in ihrem hellen, eng anliegenden Kleid und wies mit einer Handbewegung auf den Stuhl neben sich. »Ich hatte Sie schon verloren gegeben«, sagte er nach einer Weile.

Sie hob ihr Glas an die Lippen, trank einen Schluck und fuhr mit dem Ringfinger ihrer linken Hand sacht den Innenrand des Glases entlang. »Und haben Sie es bedauert?«, fragte sie leise, den Mund dicht an seinem Ohr.

»Ja«, sagte er. »Ich hätte Sie gerne weiter für mich gehabt. Ich bin eben ein großer Egoist.« Es sollte scherzhaft klingen, aber sein Blick blieb kalt und abschätzend.

»Und ich habe mir gewünscht, Sie würden mir zu Hilfe kommen«, sagte sie. »Dieser blonde Langweiler da drüben – oh, Entschuldigung? Er ist nicht zufällig …?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich kenne ihn nicht.«

Sie blickte sich um. »Ich kenne überhaupt niemanden hier.«

Ihre Stimme war ernst geworden, und beide widmeten sich schweigend ihrem Essen.

»Ein paar der Anwesenden wären sicher hocherfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte er nach einiger Zeit.

Sie lächelte entspannt. »Kann schon sein. Aber sie öden mich alle an mit ihrem Geschwätz.«

Er hob die Schultern. »Ich bin auch langweilig.«

»Das glaube ich nicht!«

»Ich bin keinen Deut besser als die anderen.«

»Was meinen Sie damit?« Ihre Stimme hatte einen leichten nordenglischen Akzent. Vielleicht kam sie aus Lancashire.

»Soll ich es Ihnen erklären?«

»Ja, bitte.«

Wieder, wie schon zu Beginn des Abends, sahen sie sich einen Moment lang in die Augen, dann senkte der Mann den Blick auf seinen Teller. Er hatte nur wenig gegessen. »Ich finde Sie sehr attraktiv«, sagte er ruhig. »Das ist alles.«

Sie sagte nichts, und beide wandten sich wieder ihrem Essen zu, jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt.

»Wirklich gut«, sagte der Mann schließlich, wischte sich mit einer orangefarbenen Papierserviette den Mund ab und wollte aufstehen. »Was darf ich Ihnen holen, Madame? Also – da wären … äh, Obstsalat und Kuchen und dann noch so ein Karamellzeug …«

Sie legte ihm ihre Hand auf den Arm. »Lassen Sie uns doch einfach ein bisschen hier sitzen und uns unterhalten. Ich habe immer Schwierigkeiten, gleichzeitig zu essen und zu reden, wie das andere offensichtlich können.«

Ihre Bemerkung war zutreffend. Der große Raum war – das wurde ihm erst jetzt bewusst – von Besteckgeklapper und Stimmengewirr von dreißig Gästen erfüllt. »Noch etwas Wein?«, fragte er.

»Ich glaube, ich habe genug gehabt, oder?«

»Sobald man meint, genug zu...


Dexter, Colin
Colin Dexter (1930-2017) studierte Klassische Altertumswissenschaft und war erst als Oberstufenlehrer und anschließend als Prüfer an der Oxford-Universität tätig. 1973 schrieb er Der letzte Bus nach Woodstock. Es folgten dreizehn weitere Fälle für Inspector Morse, die als Fernsehserie verfilmt wurden. Seine Werke wurden mehrfach ausgezeichnet, u. a. mehrmals mit dem CWA Gold Dagger. Für sein Lebenswerk wurde Dexter mit dem CWA Diamond Dagger und dem Order of the British Empire für Verdienste um die Literatur ausgezeichnet.



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