Dibdin | Sizilianisches Finale | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 7, 310 Seiten

Reihe: Aurelio Zen ermittelt

Dibdin Sizilianisches Finale

Aurelio Zen ermittelt in Sizilien. Kriminalroman. Aurelio Zen ermittelt (7)
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-293-30890-9
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Aurelio Zen ermittelt in Sizilien. Kriminalroman. Aurelio Zen ermittelt (7)

E-Book, Deutsch, Band 7, 310 Seiten

Reihe: Aurelio Zen ermittelt

ISBN: 978-3-293-30890-9
Verlag: Unionsverlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Polizeikommissar Aurelio Zen erhält den Auftrag, vor dem er sich immer gefürchtet hat: Er muss nach Sizilien, wo er auf Geheiß des Innenministeriums die Arbeit der erst kürzlich ins Leben gerufenen Anti-Mafia-Einheit der Staatspolizei überwachen soll. Da das Innenministerium mit der Staatspolizei rivalisiert, steht Aurelio Zen von Anfang an zwischen den Fronten. Obendrein gerät auch noch das Privatleben des Kommissars völlig aus den Fugen - Zen gerät an seine Grenzen.

Michael Dibdin, geboren 1947 in Wolverhampton, studierte englische Literatur in England und Kanada. Vier Jahre lehrte er an der Universität von Perugia. Bekannt wurde er durch seine Figur Aurelio Zen, einen in Italien ermittelnden Polizeikommissar. Elf Bände dieser Krimiserie sind erschienen. Michael Dibdin wurde mit dem CWA Gold Dagger und dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und von der BBC als TV-Serie verfilmt. Er starb 2007 in Seattle.
Dibdin Sizilianisches Finale jetzt bestellen!

Weitere Infos & Material


Die Frau stand an einer Ecke der Theke unter einem Schränkchen, in dem diverse goldene und silberne Fußballpokale ausgestellt waren sowie Fotografien vom Schrein der heiligen Agatha und ein Spiegel mit der englischen Aufschrift: »Delicious Coca-Cola in the World the Most Refreshing Drink.« Sie trank einen Cappuccino und biss kleine, mundgerechte Happen von einem mit gesüßtem Ricotta gefüllten Teilchen. Sie war Anfang zwanzig, trug ein hellgrünes Leinenkleid und teure offene Schuhe mit hohen Absätzen. Ihr braunes, von blonden Strähnchen durchsetztes Haar, lag – gehalten von einem weißen Band – glatt am Hinterkopf und fiel dann in einer üppigen Mähne über ihre Schultern.

Nirgendwo anders in Italien hätte irgendwer auch nur eine Sekunde etwas Bemerkenswertes an dieser Szene gefunden, doch hier schien sie Anlass zu einiger Beunruhigung zu sein, wenn nicht sogar regelrecht ein Skandal. Denn obwohl die Bar gut gefüllt war mit Händlern und Käufern von dem Markt, der draußen auf der Piazza stattfand, war diese Frau die einzig anwesende Vertreterin ihres Geschlechts.

Nicht dass irgendwer ihr durch bissige Kommentare, unverschämte Blicke oder schlechten Service zu verstehen gegeben hätte, dass sie fehl am Platz sei. Ganz im Gegenteil, sie wurde mit fast erdrückender Höflichkeit und einem Respekt behandelt, der in krassem Gegensatz zu der ruppigen Art stand, in der man mit den Stammgästen umging. Während diese gleichberechtigt in die abgehackten Rhythmen der Männergespräche einstimmten und untereinander um die Gelegenheit kämpften, ein Solo zu übernehmen, wurde die Frau in einer Weise behandelt, die nach außen hin respektvoll war, sie aber in Wahrheit von allem ausschloss. Der Bitte, ihren lauwarmen Kaffee noch einmal heiß zu machen, wurde mit einem eilfertigen »Subito, signorina!« begegnet. Als sie sich eine Zigarette in den Mund steckte, tauchte vor ihr ein brennendes Feuerzeug auf, noch bevor sie die Chance hatte, ihr eigenes zu finden – wie die Parodie einer Verführungsszene aus einem alten Film.

Doch obwohl das Verhalten ihr gegenüber fast erdrückend ehrerbietig war, hätte man es keineswegs als herzlich bezeichnen können. Die anderen Gäste drängten sich samt und sonders am anderen Ende der Bar oder wichen Richtung Fenster und Tür aus und schufen somit einen regelrechten Bannkreis um dieses einsame weibliche Wesen. Auch sprachen sie ungewöhnlich leise und ihre Münder wurden häufig von einer Hand verdeckt, die locker eine Zigarette hielt oder zwanghaft über einen Schnurrbart strich. Aus irgendeinem Grund schien diese Frau, die niemandem etwas tat, als das soziale Äquivalent einer tickenden Bombe betrachtet zu werden.

Als der Mann auftauchte, ließ die offensichtliche, aber undefinierbare Spannung ein wenig nach. Es war, als ob eines der Probleme, das die Anwesenheit der Frau darstellte, entschärft worden wäre, während andere immer noch fortbestanden. So war der Neuankömmling ganz gewiss kein Einheimischer, auch wenn seine markante, hakenförmige Nase eines dieser Relikte aus dem griechischen Genpool hätte sein können, die hier immer mal wieder auftraten, so wie die Lava aus dem schneebedeckten Vulkan floss, der über der Stadt aufragte. Doch sein Akzent, der blasse Teint, die steife Haltung und vor allem seine Größe – er überragte alle anderen im Raum um gut einen Kopf – schlossen eindeutig aus, dass er Sizilianer war.

Auf den ersten Blick hätte man den Mann und die Frau für Berufskollegen oder Geschäftsrivalen halten können, die sich zufällig bei ihrem frühmorgendlichen Kaffee trafen. Doch diese These wurde abrupt widerlegt durch eine Geste, die so rasch und beiläufig war, dass sie durchaus unbemerkt hätte bleiben können, als nämlich der Mann eine Hand ausstreckte und das Etikett am Kleid der Frau, das in ihrem Nacken klebte, nach unten klappte.

»A lei, Dottor Zen!«, verkündete der Barmann in einer Lautstärke, die genauso gut als ironischer Kommentar zu dieser Höflichkeitsfloskel gemeint sein mochte. Mit einer triumphierenden und doch lässigen Geste stellte er einen doppelten Espresso und ein mit Sultaninen, Pinienkernen und Marzipan gefülltes Teilchen auf die Theke. Zen trank einen Schluck von dem Kaffee, der so glühend heiß war, dass er unwillkürlich den Kopf in den Nacken warf, dann zog er die Zeitung, in der die Frau gelesen hatte, zu sich heran. Todeszellen-Waggon kam aus Palermo lautete die Überschrift. Aurelio Zen tippte dreimal mit dem Zeigefinger seiner linken Hand auf die Zeitung. »Und?«, fragte er und sah seiner Begleiterin in die Augen.

Die Frau machte eine Geste mit beiden Händen, als wöge sie einen schweren Sack mit etwas Losem ab, wie zum Beispiel Mehl oder Salz. »Nicht hier«, sagte sie.

Und tatsächlich war es in der Bar plötzlich erstaunlich still geworden, so als ob sämtliche Diskussionen, in denen die jeweiligen Gesprächspartner vehement versucht hatten, ihr Revier abzustecken, ganz zufällig im selben Augenblick geendet hätten. Aurelio Zen wandte sich den übrigen Gästen zu und betrachtete jeden Einzelnen mit einem Ausdruck, der diesen daran zu erinnern schien, dass er äußerst dringende Angelegenheiten mit seinem Nachbarn zu besprechen hatte. Nachdem der Lärm wieder eingesetzt hatte, begann Zen, sich seinem Frühstück zu widmen. »Du verhältst dich ja schon wie eine Einheimische«, sagte er, ein Stück Teilchen kauend.

»Das ist nur vernünftig«, antwortete die Frau leicht schnippisch. »Die wissen alles über uns, aber wir wissen nicht das Geringste über sie.«

Zen trank seinen Kaffee aus und bestellte ein Glas Mineralwasser, um das klebrige Teilchen herunterzuspülen. »Wenn du anfängst, so zu denken, dann wirst du verrückt.«

»Und wenn du es nicht tust, wirst du irgendwann umgebracht.«

Zen schnaubte verächtlich. »Mach dir doch nichts vor, Carla. Keiner von uns beiden wird umgebracht. Dazu sind wir nicht wichtig genug.«

»Nicht um jemandem zu drohen, nein. Aber wir sind wichtig genug, um jemandem eine Botschaft zukommen zu lassen.«

Sie deutete auf die Zeitung. »So wie er.«

»Wie meinst du das?«

Die Frau antwortete nicht. Zen aß den letzten Bissen von seinem Teilchen und wischte sich den Mund mit einer Papierserviette aus einem Metallspender ab. »Sollen wir?«, sagte er und legte mehrere Geldscheine auf die Theke.

Draußen auf dem Fera o Luni-Markt, der auf der Piazza Carlo Alberto abgehalten wurde, herrschte reges Treiben. Zen und seine Adoptivtochter Carla Arduini trafen sich regelmäßig in dieser Bar, seit Carla vor einem Monat im Auftrag ihrer Turiner Computerfirma nach Sizilien gekommen war, um ein Computersystem in der Zweigstelle der Direzione Investigativa Anti-Mafia in Catania zu installieren. Die Bar lag ungefähr auf halbem Weg zwischen dem Polizeipräsidium, wo Zen arbeitete, und dem Palazzo di Giustizia, wo Carla mit den Schwierigkeiten kämpfte, ein Netzwerk einzurichten, das einerseits total sicher war und andererseits interaktiv mit den übrigen DIA-Abteilungen in Sizilien und anderswo kommunizieren konnte.

Seit er in Catania war, hatte Zen es sich zur Gewohnheit gemacht, bei offenem Fenster zu schlafen, sodass er gegen fünf Uhr von den ersten Vögeln und dem Bellen der Nachbarhunde geweckt wurde. Gerade rechtzeitig, um den atemberaubenden Sonnenaufgang über der Bucht von Catania zu betrachten, ein entferntes, intensives Glühen, als ob das Meer in Flammen stünde wie Öl in einer Bratpfanne. Dann duschte er, zog sich an, trank eine Tasse selbst gebrauten Kaffee und verließ das Haus. Unter hängenden Gärten, aus denen Zitronenbäume, riesige Kakteen und Palmen neckisch herausragten, ging er Richtung Norden.

Gegen sieben Uhr trat er an eins der Büdchen mit den kegelförmigen Dächern auf der Piazza Carlo Alberto, das Softdrinks verkaufte, und bestellte eine Spremuta d’arancia. Das heißt, er brauchte sie gar nicht zu bestellen. Sobald der Büdchenbesitzer Zens große Gestalt über den Platz schreiten sah, begann er bereits, blutrote Orangen zu halbieren, warf sie in seine uralte Bronzepresse und füllte ein Glas mit dem blässlichen orange-rosa Saft. Zen trank ihn gierig, dann ging er hinüber zu dem Café, wo er wusste, dass Carla auf ihn warten würde. Das alles gab ihm ein Gefühl der Sicherheit, wie die Rituale einer Familie, die er nie gehabt hatte.

Als er und Carla das Café verließen, sandte der Himmel völlig ungerührt sein grelles Licht aus, das nur ein Vorgeschmack auf das Inferno war, das sich im Laufe des Tages entwickeln würde, wenn jede Fläche ihren ganz persönlichen Beitrag zu der unerträglichen Hitze zusteuern würde, indem sie die Energie wieder abgab, die sie während der glühend heißen Mittagsstunden gespeichert hatte.

Eine Frau, die aussah, als wäre sie ungefähr hundert Jahre alt, grillte rote und gelbe Paprikaschoten über einem Holzkohlenfeuer und murmelte dabei irgendeine Verwünschung oder einen Fluch vor sich hin. Die Händler standen im Schutz von ausgeblichenen Sonnenschirmen aus Acryl hinter ihren Ständen, die in Reihen auf dem Platz aufgestellt waren. Mit zu rituellen Masken verzogenen Gesichtern priesen sie ihre Ware in Form einer ständigen Litanei an oder sporadisch in heftigen rhetorischen Ausbrüchen, wie der Bote in einem antiken Theaterstück, der eine Katastrophe ankündigt, die nicht in normale Worte zu fassen ist. Nachdem sie ihre Rede gehalten hatten, überließen sie...


Schlootz, Ellen
Ellen Schlootz arbeitet als Übersetzerin aus dem Englischen. Sie hat u. a. Werke von Ian Rankin und David Hosp ins Deutsche übertragen.

Dibdin, Michael
Michael Dibdin, geboren 1947 in Wolverhampton, studierte englische Literatur in England und Kanada. Vier Jahre lehrte er an der Universität von Perugia. Bekannt wurde er durch seine Figur Aurelio Zen, einen in Italien ermittelnden Polizeikommissar. Elf Bände dieser Krimiserie sind erschienen.

Michael Dibdin wurde mit dem CWA Gold Dagger und dem Grand prix de littérature policière ausgezeichnet. Seine Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und von der BBC als TV-Serie verfilmt. Er starb 2007 in Seattle.



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.