Döring Familienglück im zweiten Anlauf
Auflage der EPUB Ausgabe
ISBN: 978-3-941435-94-0
Verlag: Reichel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Chancen und Risiken einer Patchwork-Familie
E-Book, Deutsch, 147 Seiten
ISBN: 978-3-941435-94-0
Verlag: Reichel Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Dorothee Döring, Pädagogin, Seminarleiterin, Lebens- und Konfliktberaterin, kennt die Besonderheiten von Patchwork-Familien aus eigener Erfahrung sowie aus ihrer Beratungspraxis. Sie ist in der Erwachsenenbildung tätig und hat sich mit zahlreichen Publikationen einen Namen gemacht. Dorothee Döring ist in zweiter Ehe verheiratet, hat zwei erwachsene Töchter und zwei Enkel; sie lebt und arbeitet in Kempen am Niederrhein.
Zielgruppe
Erziehende, Patchwork Familien
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
II
Kehrtwende – Dem Leben eine neue Richtung geben
Eine neue Richtung einschlagen, heißt sich neu zu orientieren. Um sich aber neu orientieren zu können, ist es notwendig, den Verlust durch Trennung, Scheidung oder Tod wirklich verarbeitet zu haben.
1. Die Verarbeitung des Verlustes als Voraussetzung zur Neuorientierung
Trennungskrisen lösen Hass und Verzweiflung aus. Wie aber kommt man über diese destruktiven Gefühle hinweg? Im vorausgegangen Abschnitt ist bereits ausgeführt worden, wie wichtig es dafür ist, Trauerarbeit zu leisten.
Aber viele Menschen sind sich der „Phasen des Trauerprozesses“ nicht bewusst und ignorieren, dass ein wirklicher Neubeginn die Verarbeitung des Verlustes voraussetzt.
Erstmals in Deutschland wurde erforscht, wie sich Betroffene nach Trennung oder Scheidung zurechtfinden. Die Uni Bielefeld 6 stellte in Untersuchungen fest, dass Frauen im Hinblick auf ihr Wohlbefinden nach einer Trennung besser abschnitten als ihre Ex-Ehemänner. Getrennt lebende Frauen sahen danach mehr Vorteile in der Scheidung als ihre ehemaligen Ehemänner und sie seien nach der Trennung auch zufriedener mit ihrem Leben als die Männer. Frauen fiel offenbar die Anpassung an die Situation nach der Trennung, trotz schwieriger Lebensumstände, leichter.
Auf subjektiver Ebene kann also zumindest teilweise von einer Verbesserung der Lebenssituation gesprochen werden, nicht zuletzt deshalb, weil die Frauen die Trennung als Chance wahrnehmen, die gescheiterte Ehe hinter sich zu lassen und in stärkerem Maße sich selbst zu verwirklichen. In diesen Zusammenhang passt auch die Beobachtung, dass zwei Drittel der befragten geschiedenen Frauen angeben, die Trennung sei von ihnen ausgegangen.
Wie unterschiedlich Trennungen verarbeitet werden, zeigen folgende Beispiele:
Bruno, 58:
„Ich sehe meine Ex-Frau jeden Tag, weil sie ihr Pferd auf der Koppel gegenüber meinem Haus hat. Wir sprechen aber nicht miteinander, seit 15 Jahren nicht.“
Günter, 55:
„Ich freue mich darüber, dass es mir gelungen ist, zu meiner Ex einen entspannten, freundschaftlichen Umgang zu haben. Irgendwie habe ich sie nach unserer Scheidung wie meine jüngere Schwester behandelt. Wann immer sie irgendwelche Probleme hatte, sie kam und besprach immer alles mit mir.“
Deutsche Forscher kamen in zwei voneinander unabhängigen Langzeitstudien auf ähnliche Ergebnisse hinsichtlich der Folgen von Scheidungen:
Die Familiensoziologin Napp-Peters hat zwölf Jahre nach einer ersten Befragung im Jahre 1980/81 300 Geschiedene erneut befragen wollen und stieß dabei auf unerwartete Schwierigkeiten: Sieben der ehemals 150 befragten Männer hatten sich umgebracht, drei weitere waren aus der Bahn geraten: Gefängnis, Psychiatrie oder Obdachlosenheim. 7
Selbst 15 Jahre nach ihrer Scheidung präsentierten ehemalige Ehepartner sich als Opfer: als „misshandelte Frau“ oder als „zu Unrecht verlassener Mann“. Nach Feststellung der Forscherin seien im Laufe der Jahre feindselige Einstellungen verfestigt und Persönlichkeiten verändert worden. Andere Geschiedene jedoch lebten harmonisch in neuen Partnerschaften und pflegten dabei noch freundschaftliche Kontakte mit dem „verflossenen“ Partner. Das lässt die Frage aufkommen, wer durch eine Trennungskrise gestärkt, wer dagegen gebrochen zurückbleibt.
Ulrich Schmidt-Denter, Psychologieprofessor in Köln, und sein Mitarbeiter Wolfgang Beelmann befragten im Jahre 1995 sechzig Scheidungspaare in verschiedenen zeitlichen Abständen: durchschnittlich 10, 25 und 40 Monate nach der Trennung. 8 Die Männer gaben an, am stärksten unter der Trennung von den Kindern und unter finanziellen Problemen zu leiden, jedoch weniger unter der Trennung von der Ex-Frau. Die Frauen zeigten sich sensibler, was den Verlust des Partners betraf und erlebten häufiger Symptome einer starken psychischen Belastung.
Unterschiede gab es auch in der Art und Weise, wie mit den Sorgen umgegangen wird: 26 Prozent der Untersuchten verdrängten die Schwierigkeiten. Männer besitzen offensichtlich ein Patentrezept gegen Trennungsfrust: Eine Freundin muss her. Schon zehn Monate nach der Trennung hatten sich 77 Prozent eine neue Partnerin zugelegt.
Geschiedene Frauen brauchen demgegenüber oft Jahre, bis sie für eine neue Partnerschaft bereit sind. Nur knapp jede zweite hatte nach 40 Monaten einen neuen Partner gefunden.
Napp-Peters stellte fest, dass die Hälfte der nicht sorgeberechtigten Väter und Mütter mit ihrem Leben unzufrieden war. Einige hätten sogar unter Einsamkeit und Entfremdung von ihren Kindern gelitten, andere hätten sich vom Leben betrogen gefühlt und seien am Ende enttäuscht und verbittert gewesen. Aus der Studie von Napp-Peters war abzulesen, dass die Verarbeitung der gescheiterten Ehe einen entscheidenden Einfluss auf die nachfolgenden Jahre, gar Jahrzehnte hat. Diejenigen, die einen erbitterten Scheidungskrieg geführt hatten und sich als Opfer des bösen Partners sahen, waren am Ende weder willens noch fähig, sich auf einen neuen Menschen einzulassen.
Das heißt, ein befreiter Neuanfang ist nicht möglich, ohne die negativen Emotionen zu überwinden, die eine Trennung begleitet haben.
Maria, 42:
„Auch ich bin seit einem halben Jahr getrennt – nach 18-jähriger Beziehung, die durchgängig eher schwierig als entspannt war. Dennoch hatte ich immer das Gefühl, es zu schaffen und die Beziehung erhalten zu können. Die Trennung ging von meinem Mann aus, ich reagierte gleichzeitig mit Erleichterung und mit Trauer. Es ist wirklich schwer, sich ein neues Leben aufzubauen, wenn man eine so lange Zeit mit einem Partner verbracht hat. Es gibt viele Erinnerungen und Berührungspunkte. Es fühlt sich an wie ein Stoffgeflecht, das mit Gewalt auseinandergerissen wird. Mein Ex-Mann ist nach kurzer Zeit schon bei seiner neuen Freundin eingezogen. Ich versuche, mein altes Leben weiterzuleben. Nichts hat sich geändert: Ich wohne in der alten Umgebung, kaufe wie gewohnt ein, treffe mich mit Nachbarn und Freunden etc. – nur innerlich ist alles verändert. Was hilft? Viele Gespräche, Therapie, Abstand, Sport, sich Gutes gönnen, Ratgeber lesen, Tagebuch schreiben, kochen, sich verwöhnen, sich in die Arbeit stürzen.
Mir geht es besser als in den Monaten, die der Trennung vorausgingen, in denen ich wirklich sehr verzweifelt war. Wenn ich Sehnsucht nach dem Ex bekomme, lese ich mir meine Tagebücher aus der Vortrennungszeit durch und weiß dann wieder, dass es eine gute Entscheidung war. Ich werde mir bewusst, wie gut ich es jetzt habe: Es ist niemand mehr da, der mich kleinzukriegen versucht, kein Machtkampf mehr, kein Stress. Ich mache alles, was mir guttut, muss aber wohl damit leben, dass dieser schmerzhafte Trennungsprozess seine Zeit braucht.“
Frauen finden eher Trennungsunterstützung, z. B. durch eine Freundin, der sie sich öffnen und anvertrauen. Männer neigen eher dazu, alles mit sich allein auszumachen oder zu verdrängen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass Männer und Frauen unterschiedlich mit dem Verlust ihres Partners umgehen:
Frauen konfrontieren sich mit ihren Gefühlen und suchen sich häufig Hilfe von außen, z. B. in einer Selbsthilfe- oder Trauergruppe. Obwohl sie länger trauern, scheinen sie das „starke Geschlecht“ zu sein. Sie erkennen und genießen nach angemessener Trauerzeit ihre neuen Möglichkeiten, ihre Freiheit und Unabhängigkeit. (Denken Sie an die Operette „Die lustige Witwe“!)
Männer neigen dazu, ihre Trauer zu ignorieren, leiden deshalb auch häufiger unter psychosomatischen Störungen. Besonders ältere Männer, die durch Scheidung oder Tod verlassen wurden, kapseln sich häufig vom sozialen Leben ab, verwahrlosen, vernachlässigen ihre Gesundheit und ruinieren sich durch übermäßigen Alkoholkonsum. Jüngere Männer suchen in dieser Zeit Ablenkung in ihrer Arbeit, teilweise in exzessiver Weise (Workaholic).
Jeder, der einen Verlust durch Trennung, Scheidung oder Tod hinnehmen musste, wünscht sich ein Ende der Zeit der Trauer und Einsamkeit, er sehnt sich nach einem unbeschwerten Leben. Hierzu ist ein Neuanfang Voraussetzung. Es stellt sich die Frage, wie ein solcher Neuanfang gelingen könnte:
Trennungen verunsichern und erschüttern das Selbstwertgefühl. Da wir nicht einfach so weiterleben können wie bisher, müssen wir das Bewusstsein für die eigene Kompetenz und Wertigkeit neu entwickeln und uns neue Lebensziele setzen.
Wer es allein nicht schafft, seine Trennung zu bewältigen, der kann sich dabei professionell unterstützen lassen. Adressen finden Sie im Anhang.
Der Roman „Späte Familie“9 von Zeruya Shalev behandelt das Scheitern einer Ehe und den Neuanfang in einer neuen Ehe. Das Scheitern einer Ehe ist oftmals eine langsame, schleichende Angelegenheit. In dem Roman beschließt eine Frau, diesem quälenden Prozess, der einer allmählichen Vergiftung gleicht, ein jähes Ende zu setzen. Von einem Tag auf den anderen beschließt sie, sich von ihrem Mann zu trennen und bittet ihn, die Wohnung zu verlassen. Sie bleibt zurück mit ihrem gemeinsamen Kind und gerät übers Grübeln ins Zweifeln. Der Roman behandelt eine Trennungskrise einer selbständigen,...