Douglass | Die Glaszauberin | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1, 352 Seiten

Reihe: Threshold

Douglass Die Glaszauberin

Die Macht der Pyramide

E-Book, Deutsch, Band 1, 352 Seiten

Reihe: Threshold

ISBN: 978-3-492-98401-0
Verlag: Piper ebooks in Piper Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Sara Douglass ist die unangefochtene Meisterin der Mythen und schillernden Fantasien.« Publishers WeeklyÜber das Land Ashdod breitet sich der Schatten einer gigantischen Pyramide – sie ist das Werk machtgieriger Magier und eine Brücke in die Unendlichkeit. Doch noch ist die Pyramide nicht vollendet. Sklaven arbeiten unter unmenschlichen Bedingungen an dem gewaltigen Bauwerk, unter ihnen die junge Glaskünstlerin Tirzah. Sie verfügt über eine rätselhafte Begabung: Sie kann das Wispern des Glases im Innern der Pyramide hören. Und es verrät ihr ein grausames Geheimnis. Sobald der Bau vollendet ist, wird ein mächtiger Dämon aus der Unendlichkeit erwachen und Ashdod mit Tod und Zerstörung überrollen …
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1
Viland ist ein kaltes, hartes Land, aber dort wuchs ich auf und liebte es, auch wenn es manchmal abweisend war. In den Wintern, die gut neun Monate andauern, hämmert das mitleidslose Meer gegen felsige Häfen. Das sind die Monate, in denen sich alles um die Feuerstellen drängt, eingehüllt in gutgelaunten Bier- und Zwiebeldunst, und endlose Geschichten von Abenteuern am anderen Ende der Harpunen erzählt. In der kurzen Blütezeit des Sommers bessern die Vilander ihren Lebensunterhalt mit den Walen auf, die in Scharen durch die eiskalten Küstengewässer strömen, indem sie das Fleisch, das Öl, die Haut und die Knochen der großen Tiere an alle verkaufen, die dafür zu zahlen bereit sind. In manchen Jahren sind das nur wenige. Aber in den Jahren, in denen die Wale hohe Preise erzielten, verdiente mein Vater genug mit seinen Aufträgen, um uns auch durch schlechte Zeiten zu bringen. Aber zu unserem Leidwesen konnten wir niemals viel auf die Seite legen. Trotz der Kälte und der ewig drohenden Armut waren mein Vater und ich glücklich, zufrieden. Bis zu dem Tag, an dem Gedankenlosigkeit und immerwährender Kummer uns beide vernichteten. Meine Mutter war früh gestorben, schon bevor ich zwei Jahre alt war. Statt eines Kindermädchens kümmerte sich mein Vater selbst um mich und nahm mich mit in seine Werkstatt, und meine frühesten Erinnerungen bestehen aus der faszinierenden Welt der im Halbdunkel liegenden Ecken unter seiner Werkbank. Hier spielte ich den ganzen Tag lang glücklich inmitten von abgeschliffenen Glasscherben und weggeworfenen Schmelzglasklumpen, schob die hellen Scherben zu Haufen zusammen und ließ sie durch meine Finger gleiten, die noch zu klein und dick waren, um meinem Vater von Nutzen sein zu können. Die Tischplatte beschützte mich vor der schlimmsten Hitze des Schmelzofens und den meisten Problemen der Welt dort oben, und wenn der Arbeitstag vorüber war, nahm mich mein Vater auf seine starken Arme und trug mich in unser kaltes, mutterloses Zuhause zurück. Ich sehnte mich immer nach dem Morgen und der Wärme der Werkstatt. Als ich fünf und zu neugierig war, um noch gern unter der Werkbank zu sitzen, entschied sich mein Vater, mir sein Handwerk beizubringen. Ich mußte lernen, welche Zutaten man miteinander vermengte, wie man sie schmolz und das Glas bearbeitete, genauso, wie ich die allgemein gültige Handelssprache lernen mußte, sowie einige andere Sprachen. Jeder Handwerker muß mit Kaufleuten sprechen können, die möglicherweise den Auftrag für ihn haben, der das Verhungern einen oder zwei Monate hinausschiebt. Ich war jung und von schneller Auffassungsgabe, und ich lernte Sprachen und Handwerk mühelos. Im Alter von zehn Jahren waren meine Hände schlank und gut dafür geeignet, einige der Feinarbeiten zu übernehmen, die mein Vater zusehends zu schwierig fand, und ich konnte mit flinker Zunge mit den Händlern aus Geshardi oder Alaric plaudern, die es gelegentlich in unsere Werkstatt verschlug. Es machte mir nichts aus, meine Tage an der Werkbank zu verbringen und ein Handwerk zu erlernen, anstatt an den wilden Straßenspielen meiner Altersgenossen teilzunehmen. Mein Vater und das Glas waren die einzige Welt, die ich brauchte, und wenn er öfter schwieg als er sprach, fand ich die von mir ersehnte Gesellschaft in den sich oft verändernden Farben des Glases. Das Glas erzählte mir viele Geschichten. Als ich achtzehn war, überließ mein Vater mir oft die abschließende Gravur eines Kelches oder auch die Abschlußarbeiten für die Glasnetze, während er spazierenging und alte Freunde besuchte, mit denen er ein paar Stunden verbrachte. Zumindest hatte ich das immer angenommen, bis die Büttel kamen. Ich hatte keine Ahnung gehabt, daß die Trauer meines Vaters um meine Mutter Erleichterung im Glückspiel gefunden hatte. Aber das Glück ließ ihn genauso im Stich wie meine Mutter. Mein gedankenloser, liebevoller Vater verlor unsere Freiheit dadurch, daß er auf den falschen Hahn gesetzt hatte, einen Kampfhahn mit gebrochenem Flügel. Ich stand an der Werkbank, als sie kamen. Die Vase in meinen Händen war das Resultat von vier Wochen unermüdlicher Arbeit und näherte sich ihrer Vollendung. Mein Vater hatte die Form geschaffen, die Mischung für die Glasmasse hergestellt und geschickt Metalle und Gold hinzugefügt. Dies ergab die exquisit geäderten Vasenwände, die nur ein Meister herstellen konnte. Dann hatte er am Brennofen gesessen, wo die Flammen geduldig seine Schöpfung zur Welt brachten. Es war das beste Werk der letzten sechs Monate, und er hatte es kaum über das Herz gebracht, es an mich weiterzureichen, damit ich das Glasnetz aus der Vase schleifen konnte. Aber meine Arbeit würde uns das ganze nächste Jahr ernähren können, und er konnte diese Feinarbeit seinen Händen nicht länger anvertrauen. Es war eine unserer besten Arbeiten. Ich hatte einen der Lieblingsmythen der Vilander aus dem Glas geschnitten – Gorenfer, der dem schrecklichen Dschungel von Bustian-Halle entkommt. Die Werkstattür wurde mit Gewalt aufgestoßen, und ich wirbelte auf meinem Hocker herum, die Vase in den Händen. Mein Vater platzte herein, gefolgt von fünf Männern, die ich vom Sehen und deren Ruf ich kannte. Augenblicklich, fast instinktiv erfaßte ich den Grund für seinen ungehobelten Auftritt. Einer der Schuldeneintreiber rief mit rotem und verschwitztem Gesicht meinen Namen, die Hände in einer fordernden Geste ausgestreckt. Entsetzt und von einer Furcht ergriffen, die größer war, als alle Furcht zuvor, ließ ich die Vase fallen – ihr Todesschrei ließ den Schrecken um mich herum noch eisiger werden. Die Vase hätte uns retten können, sie hätte alle Schulden meines Vaters bezahlen können, aber ich ließ sie in tausend Stücke zersplittern. Danach konnte ich meinem Vater niemals mehr Vorwürfe machen. Denn obgleich er schuld an unserer Armut war, hatte er auch ein Kunstwerk erschaffen, das uns wieder hätte retten können. Aber ich ließ es fallen … und verurteilte uns zur Sklaverei.   Weder das Flehen meines Vaters noch meine Tränen konnten diese fünf hartherzigen Männer bewegen. Es gab Schulden, und sie mußten bezahlt werden. Auf der Stelle. In unserem armseligen Haus gab es nun nichts mehr, das man hätte zu Geld machen können – außer uns. Man übergab uns ohne viel Federlesens dem örtlichen Sklavenhändler, der uns den gröbsten Staub aus den Kleidern klopfte, von Kopf bis Fuß inspizierte und nachdenklich einen Schritt zurücktrat. Ich hatte das Handwerk meines Vaters gut gelernt. Aus diesem Grund ließ uns der Sklavenhändler zusammen, obwohl ich als recht hübsche Neunzehnjährige einen vernünftigen Preis erzielt hätte, hätte er mich allein an einen verwöhnten Reichen verhökert oder einen Adligen, den seine Frau langweilte. So wurde ich vor dem Bett eines dickwanstigen Magnaten gerettet, und mein Vater behielt sein Werkzeug und mich als die letzte lebende Erinnerung an seine Frau. Nach anfänglichen Tränen und Protesten fügten wir uns in unser Schicksal. Es war bedauerlich, aber nicht ungewöhnlich; in den vergangenen drei Jahren hatte ich miterlebt, wie drei Handwerker sich und ihre Familien verkauften, um dem Hungertod zu entgehen. Wir konnten noch immer unser Handwerk ausüben, wenn auch den Wünschen unseres Herrn folgend und nicht mehr unseren eigenen. Und wir würden auch weiterhin zusammen sein.   Wir blieben nicht mehr lange in Viland. Skarp-Hedin, der Sklavenhändler, entschied, daß wir den besten Preis in den uns unbekannten Reichen des heißen Südens erzielen würden. »Sie haben dort genug Sand für euch, den ihr schmelzen könnt«, sagte er, »und den Adel, der sich eure Waren leisten kann. Dort werdet ihr das Fünffache von dem einbringen, was ihr hier in diesem erbärmlichen Land erzielt.« Mein Vater senkte den Kopf, aber ich starrte den Sklavenhändler empört an. »Aber Viland ist unser …« »Ihr habt kein Zuhause!« brüllte der Mann. »Und keine Heimat, abgesehen von diesem Marktplatz!« Im Verlauf des Tags brachte man uns im Bauch eines Walfängers unter, um uns billig nach Süden zu transportieren. Sechs Wochen lang wurden wir in dieser abscheulichen Höhle durchgeschüttelt, mein Vater klammerte sich an sein Handwerkszeug, und mich packte jedesmal der Ekel über das halb verdorbene Essen, das uns die Mannschaft gab. Wir waren aneinandergekettet – dabei habe ich nie in Erfahrung bringen können, ob jemand ernsthaft glaubte, wir würden in die spiegelglatten grauen Wasser des Nordmeeres entfliehen wollen –, und die Ketten fraßen sich in unsere Knöchel, bis sie eiterten und nur noch aus Schmerzen bestanden. Endlich legte der Walfänger an. Mein Vater und ich kauerten im Lagerraum, versuchten die Schmerzen zu ignorieren und lauschten den gedämpften Lauten eines geschäftigen Hafens. Im Verlauf der letzten zehn Tage war das Wetter wärmer geworden, so daß das Innere des Lagerraums Tag und Nacht von einer drückenden Hitze erfüllt wurde. Das Walfleisch stank verfault, und ich fragte mich, zu was es jetzt noch gut war. Nach einer Stunde betrat die Mannschaft den Lagerraum und begann mit der unerfreulichen Arbeit, das Walfleisch in Ladenetze zu schaufeln, damit es von Bord gebracht werden konnte. Bei der vierten Ladung fiel einem von ihnen ein, das auch wir irgendwo in dem dunklen Lagerraum angekettet waren; kurz darauf wurden wir zusammen mit dem übelriechenden Fleisch in das Netz geworfen und an Land geschwenkt. Das grelle Sonnenlicht draußen traf meine Augen völlig unvorbereitet. Mein Vater versuchte mich zu trösten, aber seine undeutlich gemurmelten Worte konnten mein Entsetzen nicht lindern. Ich fühlte, wie das Netz hoch oben durch die Luft schwang und hätte...


Douglass, Sara
Sara Douglass, geboren 1957 in Penola/Südaustralien, war Historikerin. Mit ihrer Kompetenz als Professorin für mittelalterliche Geschichte verlieh sie ihren Romanen eine einzigartige Authentizität und Lebensnähe. Auf Deutsch erschienen die Epen »Unter dem Weltenbaum«, »Die Macht der Pyramide«, »Im Zeichen der Sterne« und zuletzt »Das dunkle Jahrhundert«. 2005 verließ Sara Douglass das australische Festland und bewohnte das romantische Anwesen »Nonsuch« (Ohnegleichen) auf der Insel Tasmanien. 2011 erlag sie ihrem langjährigen Krebsleiden.


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