E-Book, Deutsch, Band 3, 225 Seiten
Reihe: Drachentöter
Dunckert Drachentöter - Der Gefangene
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-95568-572-0
Verlag: Bibellesebund
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Escape-Roman
E-Book, Deutsch, Band 3, 225 Seiten
Reihe: Drachentöter
            ISBN: 978-3-95568-572-0 
            Verlag: Bibellesebund
            
 Format: EPUB
    Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ronald Dunckert, Jahrgang 1967, ist verheiratet und Vater von vier Kindern, Illustrator und Mitgründer der Werbeagentur »unikat«, sowie der »Kleinen Propheten« in Wuppertal.
Weitere Infos & Material
Titel
Impressum
Zum Autor
Die Handlung des zweiten Buches
Vorwort
DIE NACHT
DER BRIEF
DER VERRÄTER
DIE MAUER
DIE ENTSCHEIDUNG
SCHLUSS
Hinweise
Auflösung
Was ist der Bibellesebund?
Wer sind die Kleinen Propheten?
Ende
DIE NACHT
Du machst Finsternis,
 dass es Nacht wird,
 da regen sich alle wilden Tiere.
(AUS DEM BUCH DER PSALMEN)
ls ich die Augen öffnete, war um mich herum tiefste Finsternis. Wie manches Mal nach einem plötzlichen Erwachen war es mir nicht möglich, Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Hatte ich mich nicht gerade noch auf der Flucht befunden? Etwas war hinter mir her gewesen, etwas, das noch weit schwärzer war als die Nacht. Ich war gerannt, hatte auf dem Rücken eines pfeilschnellen Pferdes gesessen, ja selbst das Fliegen hatte ich in meinem Traum erlernt. Doch nichts von alledem war schnell genug gewesen, um dem Schwarzen Tod zu entrinnen, der mich unerkannt und bedrohlich verfolgte und mir immerfort dicht auf den Fersen war. Nun lag ich in einer Mulde mitten im Wald auf einem Lager aus trockenen Blättern.
Ich schaute mich um. Ganz langsam schälten sich Umrisse aus dem Dunkel. Um mich herum standen Bäume, die wie riesige finstere Gestalten stumm auf mich herabsahen, während sie bedrohlich die Arme zum Himmel emporreckten. Drekin, mein Pferd, stand dicht neben mir, festgebunden an einem Birkenstamm. Es schnaubte leise und trat von einem Bein auf das andere. »Du bist also auch wach, mein Freund? Dann haben wir beide womöglich das gleiche Geräusch gehört?«
Ich lauschte in die Dunkelheit. Es gibt so manche Tiere, die man tagsüber nie zu Gesicht bekommt. Aber wenn dann die Nacht anbricht, beginnt der Wald zu wimmeln. Die Eulen fangen an zu jagen, Fuchs und Iltis rascheln durch das Unterholz. Der Wald hat Stimmen: leise, wispernde Geräusche. Wenn man den eigenen Atem anhält, kann man sie hören.
Und dann ist plötzlich die Hölle los: Ein Mensch rennt um sein Leben. Er keucht, fällt hin, springt wieder auf und läuft weiter. Und im selben Augenblick begreife ich, wovor er flieht. Es gehört zu den furchteinflößendsten Geräuschen des Waldes: das langgezogene Heulen eines Wolfsrudels. Unwillkürlich bekomme ich eine Gänsehaut. Drekin zerrt an seinem Strick. Ich springe auf. Schnappe mir etwas von dem trockenen Stroh, mit dem ich am Abend zuvor Feuer gemacht hatte. Ich wickle es um einen Ast und halte ihn in die noch ganz leicht glimmende Asche. Es dauert viel zu lange. Endlich züngelt ein kleines Flämmchen am Ast empor. Ich greife nach meinem Schwert, springe aus meiner Mulde und laufe direkt auf die Meute zu. Der Fliehende bemerkt mich gar nicht. Der vorderste der Wölfe springt direkt in meine Klinge. Der Aufprall wirft mich zu Boden, doch ich rapple mich wieder auf. Einen zweiten Wolf wehre ich mit dem Fuß ab, die anderen halten mitten im Angriff inne und fixieren mich mit ihren Blicken. Ich hebe den Ast, der nun endlich wie eine Fackel brennt, und schaue in ihre funkelnden Augen.
Sie haben die Ohren angelegt, die Lefzen hochgezogen und knurren böse. Einen sehr langen Augenblick lang stehen wir uns gegenüber und taxieren uns gegenseitig. Zwölf gegen einen. Dann ziehen sich die Bestien – ein Rudel, das seines Leitwolfs beraubt ist – eine nach der anderen in die Finsternis zurück, aus der sie gekommen waren. Man hört sie hecheln und japsen, langsam entfernen sich die Geräusche und es ist wieder still.
Als ich mich umdrehte, sah ich im Schein der Fackel einen Jungen stehen, der mich mit großen Augen anstarrte.
»Hey, was machst du denn hier?«, fragte ich.
Er trug ein schmutziges weißes Hemd und eine Lederweste darüber, dazu knielange Hosen und keine Schuhe. Ich schätzte ihn auf fünfzehn oder sechzehn Jahre.
»Hallo?«, fragte ich noch einmal. Er stand da, wie aus Wachs gegossen, Mund und Augen weit geöffnet, als würde er eine Erscheinung sehen.
»Alles klar bei dir?«, fragte ich, und als immer noch keine Reaktion kam, trat ich auf ihn zu und verpasste ihm eine sanfte Ohrfeige, um ihn aufzuwecken. Er zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück.
»Wer ... wer bist du?«, stammelte er.
»Nun mal langsam. Ich hab zuerst gefragt.«
»Ach so ... ja ... ich bin Kuno ... ich bin Lehrling des großen Adepten äh ... Billung von Mergelfeld.«
»Ach ja. Und der schickt dich nachts in den Wald, damit du mit den Wölfen um die Wette läufst?«
»Ja ... nein ... also geschickt hat er mich schon, aber ich sollte eigentlich Solanum nigrum sammeln ... also den Schwarzen Nachtschatten.«
»Nee klar«, sagte ich, »du sammelst also nachts Schatten im Wald ...«
»Ja ... nein ...« Er schien noch immer ganz verwirrt zu sein. »Das ist eine Pflanze. Solanum nigrum. Ein Nachtschattengewächs!«
»Ich geh immer tagsüber Blümchen pflücken.«
Kuno wirkte verunsichert. Kein Wunder. Schließlich war ich für ihn sehr plötzlich und unerwartet aus dem Nichts aufgetaucht. Gerade eben war er noch dem sicheren Tod entronnen und nun stand ich vor ihm und stellte komische Fragen. Er wagte ein zaghaftes Grinsen.
»Es ist wegen der magischen Kraft«, erklärte er. »Nachts und bei Vollmond ist es am wirksamsten. Und am besten ist es, wenn man eine Stelle findet, die direkt vom Mondlicht beschienen wird.«
»Und was macht ihr dann damit?«, wollte ich wissen. »Tee kochen?«
Er zuckte die Achseln.
»Sag mal, warum hast du nicht wenigstens eine Laterne mitgenommen?«, fragte ich.
Langsam fasste er Zutrauen und wurde gesprächiger.
»Weißt du, ich hatte sogar eine mit, aber die ist mir vor Schreck runtergefallen, als ich die Wölfe gehört hab. Und dann ist sie ausgegangen und ich hab sie nicht mehr wiedergefunden.«
»Na ja, besser so, als wenn du den ganzen Wald abgefackelt hättest.«
Er schaute verlegen zu Boden. Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Komm, jetzt gehen wir erst mal dein Kraut suchen, damit sich dein Meister seinen magischen Frühstückstee aufsetzen kann.«
Der Lehrling lachte und wir gingen gemeinsam zu einer Lichtung. Hier musste einmal eine menschliche Behausung gestanden haben. Verwitterte Mauerreste wurden vom Mondlicht beschienen. An einer stark von Unkraut überwucherten Stelle wuchs tatsächlich die gesuchte Pflanze. Sie hatte große dunkelgrüne Blätter und schwarze Früchte in der Größe von Kirschen. Kuno sammelte Früchte und Blätter in einen leinenen Beutel, den er über der Schulter trug.
Als wir gemeinsam den Rückweg zu meinem Lagerplatz antraten, taute mein Begleiter auf. Er erkundigte sich nach meinem Ziel und ich erzählte ihm, dass ich auf der Spur meines Freundes Wenzel war, der wiederum unsere gemeinsamen Feinde verfolgte. Er hatte Zeichen für mich im Wald hinterlassen. Leider hatte ich dennoch seine Spur verloren und nun irrte ich schon den ganzen Tag ziellos durch den Wald. Kuno bot an, ich solle doch mit zu seinem Meister kommen. Es ließe sich dort besser schlafen als im Wald und Wölfe gebe es da auch nicht. Und außerdem, sagte Kuno, sei sein Meister derart weise, dass es ihn gar nicht erstaunen würde, wenn der bereits wüsste, wo mein Weg weiterginge.
»Da bin ich aber gespannt«, antwortete ich.
Früh mit dem Anbruch des Tages hatte mich Kuno geweckt und wir gingen in das Laboratorium des Meisters. Wie es da aussah! In den Regalen stapelten sich Fläschchen und Phiolen mit verschiedenfarbigen Flüssigkeiten. Rauch schwelte aus mehreren gemauerten Öfen. Der Adept, wie ihn Kuno genannt hatte, stand mit dem Rücken zu uns vor einem Tischchen, auf dem er eine sonderbare Apparatur aus unterschiedlich geformten Glaskolben aufgebaut hatte. Unter einem der Gefäße loderte ein Feuer. Dünne Schwaden von Dampf entwichen leise fauchend einem Röhrchen, an dessen Ende sich von Zeit zu Zeit ein Tropfen bildete und von dort in eine gläserne Schale fiel. Der Meister war in einen bunten Mantel gewandet und trug einen sonderbar geformten Filzhut.
Kuno bedeutete mir, still zu sein, und so traten wir in respektvollem Abstand neben ihn und sahen ihm bei seinen Tätigkeiten zu. Er würdigte uns keines Blickes. Stattdessen begann er, über seine Kunst zu erzählen:
»Die Alchemie beschäftigt sich mit den belebten und unbelebten Dingen der Natur. Mit anderen Worten: Ihre Lehre umfasst sowohl organische wie auch anorganische Stoffe.«
Kuno, der neben mir stand, flüsterte: »Er spricht von Pflanzen und Mineralien.«
»Dem Auge des Wissenschaftlers scheint es einen großen Unterschied zwischen beidem zu geben, allein die erhabene Lehre der Alchemie weiß sehr wohl, dass beides dem Wachsen und Vergehen unterworfen ist. Den Samen der Elemente beider Naturreiche kann kein Künstler machen, denn solches geschieht allein durch den Willen des Schöpfers. Jedoch solchen Samen zu mehren und zu kultivieren, das ist Sache unserer Kunst.« »Der Meister spricht vom Veredeln der Naturstoffe«, übersetzte sein Schüler.
»Was nun die Natur in ihrer dem menschlichen Auge so gänzlich verborgenen Werkstatt tief im Gestein über viele Jahrhunderte im Geheimen verrichtet, das lässt sich durch unsere Kunst in kürzester Zeit zur Vollkommenheit bringen.«
»Er redet davon, dass auch das Erz unter der Erde wachsen muss, aber wenn man weiß, wie’s geht, kann man das abkürzen.«
»Jaja, hab ich verstanden«, gab ich zurück.
In diesem Moment wandte sich der Alchemist von seinen Glaskolben ab und schaute erst mich und dann seinen Lehrling ausgiebig an. Es war ihm nicht im Mindesten anzumerken, ob er über meine Anwesenheit erstaunt war. Er trug einen beeindruckend langen grauen Bart. Hände und Gesicht waren ledrig und faltig. Es schien mir unmöglich, sein Alter zu schätzen.
Sein Lehrling verbeugte sich und sagte dann: »Meister, ich habe den Schwarzen Nachtschatten gesammelt, wie Ihr verlangt habt. Dies hier ist Georg von Eichfeld. Er stand mir während eines Wolfsangriffs bei und ich habe ihm ein Lager in unserem Haus...





