E-Book, Deutsch, 487 Seiten
Dunne Die Keltennadel
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98690-069-4
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Thriller | Ein Ermittlerduo im Kreuzfeuer einer mächtigen Sekte!
E-Book, Deutsch, 487 Seiten
ISBN: 978-3-98690-069-4
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Patrick Dunne wurde in Dublin geboren und studierte Literatur und Philosophie. Nach dem Studium war er eine Zeitlang Musiker. Inzwischen ist er seit über 20 Jahren als Regisseur und Produzent beim irischen Rundfunk und Fernsehen tätig. Mit seinem Debütroman »Die Keltennadel« gelang ihm ein internationaler Bestseller. Patrick Dunne gehört heute zu den erfolgreichsten Autoren Irlands. Von Patrick Dunne erscheinen bei dotbooks die Thriller »Die Keltennadel« und »Skull Rack - Das Todesritual«, sowie die Illaun-Bowe-Trilogie mit den Thrillern »Das Keltengrab«, »Die Pestglocke« und »Die Opferstätte«.
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Kapitel 5
Regen schlug gegen die Wagenfenster, als Dempsey zum Tallaght Hospital fuhr. Die Obduktion war bereits im Gange, und Deirdre Figgis, die Pathologin, beschwerte sich wahrscheinlich schon über sein Fehlen. Aber er war bei der Voruntersuchung dabei gewesen und freute sich nicht gerade darauf, mit anzusehen, wie der Körper der jungen Frau seziert wurde. Er widerstand dem Drang nach einer Zigarette, denn er hatte beim Rauchen gern das Fahrerfenster offen, und jetzt würde es hereinregnen.
Diese Priester – wie alt waren die eigentlich? Seit er selbst fünfzig geworden war, benutzte er dieses Alter als eine Art Messlatte für andere Leute. Quinn – älter, etwas über sechzig. Lavelle – jünger, noch nicht vierzig. Und Lyons – noch jünger, Ende Zwanzig. Da Dempsey um die Mitte des Jahrhunderts geboren wurde, ließen sich seine eigenen Lebenserfahrungen und die anderer Leute von diesem Ausgangspunkt praktisch einordnen. Die Entwicklungsjahre von Quinn – die Kirche im Aufsteigen begriffen, die Balladensängerin Delia Murphy und irische Folkbands, Emigration, wenigstens ein Junge in jeder Familie Priester oder Mönch. Lavelle – ein Bein noch in den Sechzigern, Theologie der Befreiung, sich modern gebende Priester, feministische Nonnen und Liedermacher. Lyons, nur ein paar Jahre vor Dempseys Ältestem – Computer und Videos, Drogen und Gewalt, U2, Priester, die Kinder missbrauchten, und die Kirche im Niedergang begriffen. Und er selbst? Aus einer Kleinstadt stammend, die sich in seiner Schulzeit noch halb im Mittelalter befand, hatte er die Science-Fiction seiner Kindheit Realität werden sehen. Ein Gewirr von Kommunikationsmitteln umspannte den Globus, man konnte Menschen klonen, und das Jahr 2001 war bereits vorüber.
Er fuhr auf den Parkplatz des Krankenhauses, wartete einige Minuten im Wagen und blies Rauch aus dem von der Gebäudewand geschützten Fenster. Die Gerichtsmedizinerin duldete Rauchen unter keinen Umständen. Er schnippte die Zigarette aus dem Fenster. Zeit für Figgy.
Auf dem Weg zum Obduktionssaal kamen ihm Detective Sergeant Jack Taaffe und Mitglieder des Spurensicherungsteams entgegen. Taaffe verabschiedete sich von den anderen und blieb bei Dempsey stehen. Er kleidete sich mehr wie ein leitender Angestellter in der Wirtschaft als ein Polizist: schicke Anzüge und italienische Schuhe, modische Hemden und eine Seidenkrawatte für jeden Wochentag. Obwohl er erst in den Dreißigern war, umrahmten die Reste seines braunen Haars eine umfangreichere kahle Stelle als die seines älteren Kollegen, aber seine Frisur verschleierte diese Tatsache geschickt.
»Sie ist schon fertig, Kevin, finito. Sie räumt gerade auf und möchte, dass du auf den abschließenden Bericht wartest. Mach dich auf einiges gefasst, es ist einfach grauenhaft. Ich würde den, der das getan hat, jederzeit aufknüpfen – nachdem ich ihm vorher die Eier abgeschnitten habe. Hast du aus den Herren Geistlichen in Kilbride noch was herausgekriegt?«
»Nicht viel. Quinn ist der typische Gemeindepfarrer. Lyons ist ein ziemlicher Quatschkopf. Lavelle war durchaus hilfreich und er hat das Zeug zu einer Art Erklärung für das Ritual.«
»Auf den müssen wir aufpassen, Kevin. Als Erster am Tatort, du kennst das ja. Ich würde alles mit Vorsicht genießen, was er sagt.«
»Hmm ... er wirkt eigentlich ganz ehrlich, allerdings habe ich heute Nachmittag erlebt, wie er in Wut geriet. Kann’s ihm aber nicht verübeln. Er passt nicht sonderlich zu den beiden anderen Priestern. Ziemlicher Einzelgänger, würde ich sagen. Quinn hat mir ein paar Hintergrundinformationen über ihn gegeben, denen sollten wir nachgehen.«
»Aha? Hat er sich etwa an Ministranten vergriffen?«
»Na klar, Jack. Einer, den sein Zölibat frustriert – genau wie bei dir, was?« Dempsey gab seinem Kollegen einen freundlichen Klaps mit auf den Weg, dann rief er ihm nach: »Kümmerst du dich darum, dass die ganze Mannschaft um« – er sah auf die Uhr –, »sagen wir, vier Uhr in Lucan versammelt ist. Stimm die Zeit mit unseren Leuten in Ticknock ab – die wollen uns ihre Ergebnisse vorbeibringen. Wo finde ich Figgy?«
»An der Tür steht A3, ist ein kleiner Besprechungsraum gleich über dem Obduktionssaal. Wird noch ’ne Weile dauern, sie ordnet ihre Aufzeichnungen. Und weil du gerade von Frust redest – denk dran: Rauchen verboten!«
Eine halbe Stunde später begann die Unterredung.
»Ich habe Ihnen heute Morgen nach meiner ersten Untersuchung bereits mitgeteilt, dass das Opfer zu einem unbestimmten Zeitpunkt vor Entdeckung der Leiche einen massiven und tödlichen Blutverlust erlitten hat.«
Dr. Figgis trug ein zweiteiliges, marineblaues Kostüm mit rosa Bluse und keinen Schmuck außer einer schlanken Uhr am leicht fleischigen Handgelenk. Sie neigte unabhängig vom Anlass zu einer förmlichen Ausdrucksweise, ein Eindruck, den ihre Stimme, beinahe ein Bariton, noch verstärkte. Dempsey fühlte sich immer an die frühere irische Präsidentin Mary Robinson erinnert. Figgis saß ihm gegenüber an einem Schreibtisch und las von ihrem Laptop ab. Er hielt seinen Spiralblock bereit.
»Die vorderen beziehungsweise oberen Flächen beider Füße weisen je ein rundes Stichmal auf, hervorgerufen von einem Gegenstand, der jeweils die Dorsalis-Pedis-Arterie durchbohrte. Die Blutergüsse um diese Wunden zeigen an, dass die Verletzungen dem Opfer zugefügt wurden, als es noch lebte. Es handelt sich zwar um keine schweren Verletzungen, doch hatten sie durch die Beschädigung der Arterien eine beträchtliche Blutung zur Folge. Im Bereich von Handgelenken und Knöcheln waren Spuren kapillarer Blutergüsse festzustellen, zusammen mit Hautabschürfungen, vor allem an den Handgelenken und Knöcheln selbst. Weiter –«
»Worauf lässt das schließen?«
»Dass ihr in diesen Bereichen sehr eng sitzende Fesseln angelegt wurden und dass sie verzweifelt versucht hat, sich aus ihnen zu befreien.«
»Keine Brandspuren von Stricken, keine Fasern auf ihrer Haut?«
»Nein. Ich gehe davon aus, dass die Fesseln aus einem dünnen, glatten Material waren, Plastik vielleicht.«
»Wie Kabelbinder?«
»Nein, biegsamer, sodass man die Fessel sehr eng machen konnte. Ein steiferes Material hätte einen gewissen Bewegungsspielraum gelassen und folglich zu mehr Scheuerspuren geführt. Aber Sie werden wie immer der Erste sein, den ich benachrichtige, Detective Inspector, falls ich zweckdienliche Informationen habe. Darf ich jetzt fortfahren?«
»Ja, natürlich, Doktor.« Sie mochte es nicht, wenn sie unterbrochen wurde.
»Weiter also mit anderen äußerlichen Merkmalen: Ich sollte wohl erwähnen, dass der Leichnam des Opfers gereinigt und gewaschen wurde, hergerichtet und aufgebahrt wie für eine Beerdigung, sogar die Fingernägel hatte man ihr geschrubbt. Das ist in Mordfällen nicht die Regel und stellt aus gerichtsmedizinischer Sicht eine zusätzliche Schwierigkeit dar. Und wenn ein Leichnam im Leichenschauhaus zur Beerdigung vorbereitet wurde, sollte man annehmen, auf Seifenrückstände, Körperpuder vielleicht oder Handtuchfasern zu stoßen. Ich habe von alldem keine Spur gefunden, was den Schluss nahe legt, dass man die Tote eventuell mit Wasser abgespritzt hat und anschließend trocknen ließ.
Es gibt zwei Schnittwunden, im Mittel sieben Zentimeter lang, an den vorderen Gelenken, wo die Beine auf den Rumpf treffen – mit anderen Worten, eine in jeder Leiste. Diese Schnitte haben Haut und Sehnen zusammengedrückt und durchtrennt, was auf ein zweischneidiges Tatwerkzeug, etwa eine große Schere schließen lässt. Kein Bluterguss, kein Anzeichen einer Blutung, woraus ich folgere, dass diese Schnitte post mortem ausgeführt wurden. Vielleicht waren die Beine der Toten gespreizt, als die Leichenstarre einsetzte, und es handelte sich um den Versuch, sie zu lösen und gerade zu richten, was ohnehin nicht funktioniert hätte. Das Werkzeug, mit dem diese Schnitte ausgeführt wurden, hat noch an drei anderen Stellen Anwendung gefunden – darauf komme ich später zurück.«
Dempsey runzelte die Stirn und unterstrich seine Notizen.
»Dasselbe gilt für die Wunde in der linken Wange ...«
»Inwiefern dasselbe?«
»Ebenfalls eine Post-mortem-Verletzung. Die an der Wange stammt von einem spitzen Metallgegenstand, der an Ort und Stelle vorgefunden wurde – es handelt sich um ein Schmuckstück, die Replik einer keltischen Brosche von schlichter Ausführung. Ursprünglich dienten diese Broschen als Fibeln, als Gewandnadeln, sie mussten also robust sein; diese hier hatte etwa die Stärke einer Stricknadel und lief am Ende spitz zu. Sie ist zehn Zentimeter lang, in einer Goldlegierung gearbeitet und von einer kreisförmigen, erhabenen Verzierung von knapp vier Zentimeter Durchmesser gekrönt, in deren Mitte ein tiefblauer Stein mit goldenen Sprenkeln eingelegt ist. Die Nadel ist bis zu einer Tiefe von fünf Zentimetern eingedrungen, sie wurde zwischen den Zähnen hindurchgezwängt und in die Zunge gestoßen. Ich habe sie mit den Stichwunden an den Füßen verglichen und glaube, diese könnten vom selben Werkzeug stammen.
Auf der linken Fußsohle befand sich eine Spur aus getrocknetem Blut; ich dachte zunächst, sie rührte von der Wunde auf der Oberseite her, aber das ließ sich nicht mit der Sorgfalt vereinbaren, die zur Säuberung des Leichnams verwandt wurde. Die Spur war nicht sehr ausgeprägt, aber bei genauerer Prüfung erkannte ich, dass sie absichtlich zurückgelassen wurde ... dass man sie sogar entdecken sollte ... es handelt sich nämlich um ein Wort, Inspector, oder den Teil eines Wortes ... geschrieben mit dem Blut der jungen Frau.«
Dempsey sah auf, ihre Blicke trafen sich.
»Ich habe Fotos mitgebracht.«
Sie holte eine digitale Kamera aus ihrem...