E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Dylan Planetenwellen
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-455-00119-8
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Gedichte und Prosa
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-455-00119-8
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
In seinen frühen Jahren verstand Bob Dylan sich sowohl als Songwriter als auch als Lyriker. Seinen Schallplatten gab er komplette Gedichtzyklen und lyrische Prosa bei, Langgedichte erschienen in Zeitschriften der Folk- und der Beat-Szene, das Poem "Last Thoughts On Woody Guthrie" rezitierte er im Konzert. Die Lyrik war seine Ideenwerkstatt, sie gab ihm die Möglichkeit zu Selbstkommentaren gegenüber Freund und Feind, sie verband die Poesie seiner Songs mit den literarischen Traditionen Rimbauds, Brechts, der Beat Poets.
Dieser Band bietet zum ersten Mal eine zweisprachige Auswahl aus Dylans Gedichten und Prosagedichten von den Anfängen bis 1974, ergänzt um einige programmatische Texte aus den letzten Jahren. Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Dylan-Kenner Heinrich Detering.
Weitere Infos & Material
Cover
Titelseite
Motto
Langgedichte 1963–1964
Gedichte 1964–1966
Prosagedichte 1963–1978
Stellungnahmen, Reden, Essays 1969–2016
Motto (engl.)
Langgedichte 1963–1964 (engl.)
Gedichte 1964–1966 (engl.)
Prosagedichte 1963–1978 (engl.)
Stellungnahmen, Reden, Essay 1969–2016 (engl.)
Nachwort
Kommentar und Quellenverzeichnis
Über Bob Dylan
Impressum
Für Dave Glover
Du fragst in deinem letzten brief warum ich in letzter zeit nicht geschrieben habe – Du sagst an mich zu schreiben ist wie wörter gegen eine steinmauer blasen – Du fragst mich ruhig ob ich mein leben so geändert habe dass ich alte freunde nicht mehr kenne – Du fragst mich sogar ob ich dir wegen irgendwas böse bin – Und für jeden abgeschickten brief kriegst du wieder keinen zurück – Und ich weiß wie dir zumute sein muss – Dave Glover – harmonikamitspieler und gitarrenpartner – Dave Glover – bester freund in höchster form – Dave Glover – wahrer rebell und unbewusster outlaw – Dave Glover – wandernder gutes-tuer von der besten sorte – Dave Glover – der mich kannte bevor es mich nach New York City verschlug oder New York City mich schlug – Dave Glover – der alles ist wofür ich stehe oder wozu ich gehöre – Und ich beantworte nicht mal einen brief von ihm – Ich beantworte nicht mal einen kleinen lausigen brief – Und ich frag mich selber ob ich verrückt bin – Das ist Dave der dir hier schreibt, mann – Das ist jemand den du liebst – Wir haben zusammen musik gemacht – Wir haben zusammen hustensaftflaschen und wodka getrunken – Wir sind zusammen die ganze nacht aufgeblieben und haben gelacht und gesungen – Und wir taten das als noch nicht viele das taten – Hey mann – tut mir leid – / ich meine tut mir wirklich leid – Ich habe in den letzten jahren viele zeilen geschrieben aber es gibt in keinem dieser wörter die buchstaben mit denen ich buchstabieren könnte wie leid es mir tut – Es ist ein komplizierter tag – Ich weiß noch immer die songs die wir sangen und spielten – Die songs die vor zwanzig dreißig fünfzig jahren geschrieben wurden – Die farmersterben-songs – die dust bowl-songs – Die songs aus der depression – die draußen- und am boden-songs – Die alten bluessongs und balladen – Ich denke an Woodys songs – Ich denke an Woodys tag – »Dieses land werd ich mit meinem leben verteidigen wenn es sein muss« Und ich sage mir »Ja das ist wahr – Hitler marschiert Ich will nicht dass er an boden gewinnt Ich will nicht dass er auf meinem land lebt« Und ich sehe zwei seiten mann – Ich sehe zwei wege die du einschlagen kannst – Den Amerikanischen weg oder den Faschistischen weg – Bei einem streik gab es nur zwei arten des blicks – Und zwei arten die nachricht zu verbreiten – Aus den augen der gewerkschaft oder aus den augen der bosse – Und du konntest auf einer linie stehen und deine freunde anschauen – Und auf derselben linie stehen und deine feinde anschauen – So einfach war das – »Which Side’re You On« sind keine belanglosen wörter Und sie sind aus keinem belanglosen song – Und das war Woodys tag mann – Zwei seiten – Ich weiß nicht was passiert ist weil ich nicht dabei war aber irgendwo auf dieser linie die den tag ausmachte ist etwas durcheinandergekommen – Mehr arten von seiten geraten in diese geschichte – Leute so kommt es mir vor fingen an die seiten zu wechseln und ihre eigenen seiten zu machen – Es muss so viele seiten geben dass keine augen die augen sehen konnten die auf sie gerichtet waren – Es muss so viele seiten geben dass jede von ihnen anfing wie jede andere auszusehen – Ich tue nicht so als als wüsste ich was passiert ist mann aber irgendwie verloren alle seiten ihre ziele und leute begannen andere leute zu vergessen – Ich meine sie müssen alle angefangen haben gegeneinander loszuziehen nicht um ihrer eigenen seiten willen sondern um oh ja um ihrer selbst willen – Und die beiden einfachen seiten die so klar zu unterscheiden waren platzten und explodierten und gingen so gewaltig in die luft dass heute alles was noch übrig und für uns gemacht ist nur dieses große rocken und rollen ist – KOMPLIZIERTER KREISLAUF – Heutzutage sind die hirne der leute beschwatzt und beschwindelt von kategorien – von labels und slogans und werbung die jeden kopf verdrehen könnten – Schwer zu glauben dass irgendjemand die wahrheit sagt wie sie ist – Es ist wahr ich schwör’s dass leute in manchen teilen des landes den fingerzeigern mehr glauben schenken als dem Präsidenten – Es ist die zeit der fahnenschwingenden schießgewehrtragenden John Bircher – Es ist die zeit der killerhunde und killersprays – Es ist die zeit der werbetafel super fliegenden highways – Es ist die zeit des knopfdruckessens und der fünfminutenmarotten – Es ist die zeit der weiße-kragen-hemden und weißer-stoff-kapuzen und weiße-männer-sonnenschutzcremes – Es ist die zeit der gewehre und granaten und bomben größer als alles je gesehene – Es ist die zeit der Liz-Taylor-fans – sportfans und elektrofans – Es ist die zeit in der ein siebzigjähriger senator der kuba bombardieren will keinen gedanken an den schwarzen zwanzigjährigen verschwendet dessen kopf blutet – Ich kenne die leute nicht mann die es so weit haben kommen lassen aber sie haben bekommen was sie von ihrem leben wollten und lassen dich und mich im angesicht einer verängstigten vergewaltigten welt zurück – Sie haben die luft des freien denkens herausgesaugt und uns im irrenhauskreislauf gelassen – Sie ließen den armen wind verfaulen und haben uns eine zusammengerührte armselige falsche brise zurückgelassen – Sie haben Abraham Lincolns landstraße gestohlen und uns Bill Moores highway verkauft – Sie haben die bäume erschossen – die blätter begraben und »Bekenne« auf den grabstein geschrieben – Sie haben den klaren sprudelnden strom des »liebe deinen nächsten« nach den worten Jesu Christi aus Bethlehem aufgestaut und uns vergiftet mit dem »Ich werde diese schultüre mit meinem eigenen körper bewachen« nach den worten des Gouverneurs Wallace von Alabama – Sie haben dem land die verfassung gestohlen und die bewusstseinszensoren eingeschmuggelt – Sie haben bei der auktion alles aufgekauft und uns den müllmarkt der verrückten der furcht der frustrierten fadheit zurückgelassen – Du fragst wie’s mir geht Dave – Ich singe noch – ich schreibe noch – Ich tue noch immer alles was ich immer getan habe glaub ich – Aber der unterschied ist vielleicht dass ich jetzt wirklich nicht mehr darüber nachdenke was ich tue – Ich sorge mich nicht mehr um die verkleideten lügen und verdrehten wahrheiten vor meinen augen – Ich sorge mich nicht mehr um die talentlosen kritisierer und nichtsahnenden philosophierer – Ich sorge mich nicht mehr um die im schneidersitz hockenden eckensitzer die regeln für alle zu machen versuchen die mitten durchs zimmer reisen – Ich singe und schreibe jetzt was ich selber im sinn habe – Was mir selber durch den kopf geht und was mir selber auf dem herzen liegt – Ich singe für mich und eine million anderer ichs die von demselben gefühl zusammengezwungen sind – Nicht von irgendeiner seite nein – Nicht von irgendeiner kategorie nein – Leute die abgehängt und eingespannt sind – Leute die frustiert sind und eingekorkt und in flaschen gesperrt – Leute aus keinem besonderen feld oder vorhaben – keine alters- keine klassengrenze – Ich kann nicht mehr »Red Apple Juice« singen Ich muss »Masters of War« singen – Ich kann nicht mehr mit einem klaren Kopf »Little Maggie« singen – Ich muss stattdessen »Seven Curses« singen – Ich kann nicht »John Henry« singen Ich muss »Hollis Brown« singen – Ich kann nicht »John Johannah« singen denn es ist seine geschichte und die geschichte seiner leute – Ich muss »With God On My Side« singen weil es meine geschichte ist und die geschichte meiner leute – Ich kann nicht »The Girl I Left Behind« singen weil ich weiß wie es sich anfühlt – Ich muss »Boots of Spanish Leather« singen weil ich weiß wie es sich durchlebt – Aber versteh mich nicht falsch – Denk nicht ich ginge mir weit aus dem weg wenn ich keine folksongs singe nein – Das ist es gar nicht – Die folksongs haben mir den weg gezeigt Sie haben mir gezeigt dass songs etwas menschliches sagen können – Ohne »Barbara Allen« gäbe es kein »Girl from the North Country« – Ohne »Lone Green Valley« gäbe es kein »Don’t Think Twice« – Ohne »Jesse James« gäbe es kein »Davey...