Eichacker | Die Fahrt ins Nichts | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 158 Seiten

Eichacker Die Fahrt ins Nichts


1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-3825-5
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 158 Seiten

ISBN: 978-80-272-3825-5
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Reinhold Eichackers 'Die Fahrt ins Nichts' ist ein literarisches Meisterwerk, das die Leser auf eine emotionale Reise durch die Dunkelheit der menschlichen Psyche mitnimmt. Eichackers sprachlicher Stil ist poetisch und eindringlich, wobei er geschickt zwischen Realität und Fantasie jongliert. Das Buch wird oft als postmoderner Roman betrachtet, der existenzielle Fragen aufwirft und die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen lässt. 'Die Fahrt ins Nichts' ist ein fesselndes Werk, das den Leser in seinen Bann zieht und zum Nachdenken anregt.

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II.


In dem hohen Kuppelsaal des Sternwartgebäudes der Walter-Werndt-Stadt herrschte blauweißes Halbdunkel. Gespenstisch zeichneten sich die im Mondlicht glitzernden Silhouetten der Fernrohre und Riesenteleskope auf der weißen Wand ab. Wolkenschatten huschten über die halboffene Kuppel und ließen alle Umrisse verschwimmen in einem ständigen Gleiten und Wiegen, Schweben und Fließen ...

Ein leises Klirren, wie das Anschlagen einer Türe, sprang in die lautlose Stille. Ein schnell wachsender Schatten huschte quer durch den Raum und stand einen Augenblick mitten im Licht. Der scharfumrissene Kopf eines Mannes drehte sich gegen das Dunkel, – ein Papier flatterte sekundenlang vor seinen Augen ... Dann glitt er zu dem langen 20-Zöller hinüber, dessen anderes Ende die Höhe der Kuppel durchbohrte. Schalter knackten, Hebel klangen an, ein leises Surren lief rund um den Raum. Wie zu einem einzigen Fabelwesen verwuchs die schwarze Gestalt mit dem glitzernden Rohre.

»Tiens!« kam es nach einer Weile – »merveilleux ...!«

Dann blieb es minutenlang still. Plötzlich riß die Silhouette jäh auseinander. Der Kopf des Mannes stand mitten im Licht der Sterne. Er lauschte. Nur kurze Sekunden. Dann schnellte der Schatten wie ein Spuk zur Seite und verschwand irgendwo im grauen Dämmer ...

Im gleichen Augenblick klirrte die eiserne Türe von draußen. Ein Schalter tickte, dann sprang helles Licht an.

»Kommen Sie, Frau Mabel!« sagte Walter Werndt, den Turmsaal betretend.

»Es ist das reinste Gespenstermärchen, in das Sie mich führen,« kam es zurück. Die schlanke Gestalt einer jungen Frau stieg aus dem Halbdunkel des Aufzugs nach oben. Das flutende Licht beschien ein zartes Gesicht von auffallender Schönheit. Gleich hinter ihr kam Doktor Nagel. Er umfing mit leuchtenden Blicken den Saal.

»Gibt es etwas Schöneres, Mabel, als eine Sternwarte im Mondschein? Alles Große, Ewige, Überwältigende liegt in dieser Stimmung beschlossen. Das leuchtende Dunkel der Nacht, die offene Kuppel, wie das Tor zum Rätsel der Schöpfung, die Umrisse der Rohre, der tastenden Arme der forschenden Menschheit –! Und Millionen von Menschen verschlafen Nacht für Nacht diese Wunder des Weltalls, sehen den Himmel nur wie ein Gemälde, wie einen brennenden Christbaum, wie eine stumme Kulisse, ahnen nichts von all dem Zauber da droben, vom Stahlbad der Sterne, vom Flug durch die Zeiten – Und sterben, sterben – ohne es je kennengelernt zu haben!«

Seine junge Frau drückte ihm verstehend die Hand. Die Erinnerung an den greisen Vater, den berühmten Astronomen Earthcliffe, und an die furchtbaren Ereignisse des letzten Jahres hielten sie unwiderstehlich gebannt. Ihr Gatte erriet ihre Gedanken sofort.

»Denke auch an die Nächte, die wir zwei in der Michiganwarte verlebten, an unsere Jupiterbeobachtung und an –«

Sie legte ihm lächelnd die schmale Hand auf die Lippen.

»Ich denke daran. Darf ich das Licht wieder ausdrehen, Meister?«

Werndt kam ihrer Bitte zuvor. Der leuchtende Umriß der Lampen versank wieder im Dunkel. Blauweiße Nacht lag über den Menschen.

»Wir wollen uns ein wenig setzen,« lud Werndt ein und schob der jungen Frau einen Stuhl hin. Sein Assistent sah ihn erwartungsvoll an. Der Ingenieur wartete noch eine Weile.

»Ich habe Sie nicht ohne Absicht noch in dieser späten Stunde hierher geführt, meine Lieben,« sagte er langsam, mit stillem Ernst in der Stimme. »Man ist tagsüber so selten allein. Und ich habe Grund, das, was ich Ihnen heute sagen und zeigen möchte, vor Dritten geheim zu halten. Ich habe das Gefühl, daß ich verfolgt werde, belauscht werde –«

Nagels Faust schlug auf die Lehne.

»Dumascu! Also doch –!«

»Vielleicht Dumascu, vielleicht ein anderer. Jedenfalls er nicht allein. Schon vor einigen Wochen kam ein Mann – ich hielt ihn für einen Inder, einen Parsen wahrscheinlich – und suchte mich durch seltsame Angebote für ein Privatkonsortium zu gewinnen, um diesem meine Entdeckungen zur Verfügung zu stellen ...«

»Ist der Kerl toll! Er wußte doch, mit wem er sprach!«

»Sogar sehr genau. Als ich ihn abwies, bat er mich, ihm zu einem Fakir zu folgen, der mir wichtige Mitteilungen für meine Aufgabe machen könne.«

Mabel war ganz Interesse.

»Sie taten es nicht?«

»Ich drehte ihm schweigend den Rücken. Als ich mich nach einiger Zeit umdrehte, war der Inder verschwunden. Aber an seinem Platze lag ein Zettel mit der Aufschrift: ›Fürchte den Zorn der Herrin! Gehorche!‹«

Nagel lachte laut auf.

»Köstlich! Die reinste Detektivgeschichte. Daß die Brüder hier in Indien doch das Bluffen nicht lassen können.«

Werndt blieb gegen Nagels Erwartung ernst.

»Ich nahm es zunächst ähnlich auf und zerriß den Wisch. Heute, nach vier Wochen, fand ich den gleichen Zettel auf meinem Schreibtisch in Benares ...«

Nagel gab keine Antwort. Er war nachdenklich geworden.

»Wenn ich den Burschen erwische!« polterte er endlich los.

»Ein unheimliches Land!« meinte Mabel. Sie fröstelte plötzlich.

Werndt nickte ihr beruhigend zu.

»Wir brauchen darum noch keine Gespenster zu sehen. Ich würde das Ganze auch für einen belanglosen Scherz oder die Drohung eines Irren halten, wenn mich diesmal mein Instinkt nicht so deutlich warnte.«

»Ich habe dem Bulgaren schon gleich nicht getraut.«

»Ich habe gegen Dumascu bisher keinen Grund zum Verdacht. Wenn ich auch mit der Möglichkeit rechnen muß, daß er zu meiner Kontrolle bestimmt ist –«

»Aber was sollte man für einen Grund haben?«

»Gründe gibt es genug, Frau Mabel. Sie dürfen nicht vergessen, daß es sich um Untersuchungen handelt, von denen die ganze Welt besondere Ergebnisse erwartet, und deren Wissen für den Besitzer unter Umständen eine Macht darstellen kann. Welcher Verbrechen solche Machtgier fähig ist, haben wir erst vor wenigen Monaten des gleichen Meteors wegen erlebt.«

»Ein unseliger Stern! Unselig, wie das Nibelungengold!«

»Dann müssen Sie bedenken, wie scharf der Wettbewerb um den Besitz der japanischen Meteorstück war, und daß ich vor mehr als zehn der bedeutendsten Bewerber durch Volksentscheid die Meteoriten und den Auftrag ihrer chemischen Erforschung zugesprochen erhielt.«

»Das wäre auch noch netter, wenn sie ein anderer erhalten hätte!« brauste Nagel impulsiv auf. Für ihn war der Gedanke eines siegreichen Rivalen neben seinem vergötterten Meister schon eine Entweihung.

»Wir müssen diese Dinge berücksichtigen,« fuhr Werndt ruhig fort, »und damit rechnen, daß sich gewisse Interessenten und Gruppen mit dieser Entscheidung nicht gutwillig zufriedengeben. Machtgier wie Ehrgeiz können dabei Beweggründe sein. Hat die beleidigte Eitelkeit Frankreichs es doch schon durchgesetzt, daß die Erforschung des Meteors durch Einsetzung einer Kontrollkommission zu einer internationalen Angelegenheit erhoben wurde.«

»Der Bulgare ist Mitglied der Kommission.«

»Das beweist nichts. Er ist ein anerkannter Techniker von internationalem Ruf. Sein Modell zum Explosionsraum beim Laboratoriumswettbewerb war vorbildlich. Ich halte ihn auch für einen offenen Charakter.«

»Ich traue ihm nicht. Was will er hier?«

»Überlassen wir das der Zukunft. Es genügt mir zunächst das Gefühl, daß man uns belauscht, oder vielleicht richtiger – verfolgt. Wie die Drohung des Zettels beweist. Könnte ich sonst über diese Drohung einfach hinweggehen, so kann, so darf ich es heute nicht mehr. Auf mir ruht die Verantwortung für meine Aufgabe, ruht vielleicht eine Schicksalsfrage für die Menschheit. Ich muß damit rechnen, daß das Meteor Kräfte und Eigenschaften zeigt, denen meine Schutzmittel nicht gewachsen sind. Kurz, daß mir das eine oder andere Experiment das Leben kosten kann.«

»Meister!«

»Mit dieser Möglichkeit müßten wir ja schon tausendmal rechnen.«

Nagel schüttelte entschieden den Kopf.

»Ihre Sicherungsmaßnahmen sind zu genial erdacht, um –«

»Ich hoffe es. Es könnte aber auch der Fall eintreten, daß man mich zu beseitigen sucht, oder daß sonst ein Anschlag gegen das Laboratorium –«

Seinen Assistenten hielt es nicht mehr. Er sprang von dem Stuhl auf.

»Meister, ich kenne Sie nicht mehr wieder. Walter Werndt und diese Vorsicht, diese Bedenken! Derselbe Walter Werndt, dem einst in Berlin täglich Dutzende Drohbriefe auf den Tisch flogen, und der den Kopf nicht verlor, als die ganze Menschheit zitterte und wahnsinnig war!«

Werndt lächelte duldsam.

»Er verliert ihn auch jetzt nicht, mein junger Freund. Vorsorgen ist aber in diesem Falle nur eine einfache Maßnahme der Vorbereitung, wie jede andere. Unterlassung wäre ein Fehler, der sich bitter rächen könnte. Ich muß die Sicherheit haben, daß meine Erkenntnisse und Forschungsergebnisse nicht mit meiner Person ausgelöscht werden können.«

»So legen Sie sie schriftlich nieder.«

»Ich habe es getan. Diese Aufzeichnungen – wurden gestohlen.«

Wie unter dem gleichen Zwang standen Nagel und seine Frau an seiner Seite.

»Gestohlen?«

»Gestohlen,« wiederholte Werndt ruhig. »Schon in Newyork vermißte ich einige Aufzeichnungen über die Emanationen des Meteors, Spektralanalysen und anderes. In den letzten Nächten machte ich hier mit Ihnen ultrachromatische Aufnahmen verschiedener Himmelsgegenden. Aus ganz bestimmten Gründen. Meine Erwartungen wurden bestätigt. Diese Aufnahmen führten zu...



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