Eliot | Middlemarch: Aus dem Leben der Provinz - Gesamtausgabe | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 1200 Seiten

Eliot Middlemarch: Aus dem Leben der Provinz - Gesamtausgabe


1. Auflage 2021
ISBN: 978-87-28-17204-9
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 1200 Seiten

ISBN: 978-87-28-17204-9
Verlag: SAGA Egmont
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Buch, in dem man sich verlieren kann...England, 19. Jahrhundert. In der fiktiven Stadt Middlemarch treffen zahlreiche Charaktere verschiedener Gesellschaftsschichten aufeinander. Im Zentrum stehen Dorothea, eine idealistische junge Frau, die in einer lieblosen Ehe feststeckt, und Will, der eigenwillige Künstler, der ihr die Hoffnung auf einen Neuanfang gibt. Wie schon Jane Austen vor ihr, kreiert Eliot ein Drama, das nicht nur um eine romantische Beziehung kreist, sondern eine Vielzahl an Themen berührt - insbesondere auch der Rolle der Frau in der viktorianischen Gesellschaft.-

George Eliot, Pseudonym von Mary Ann Evans (1819-1890), war eine englische Schriftstellerin, Journalistin und Dichterin. Sie verfolgte einen realistischen Ansatz und beschrieb das Drama und die Schönheit des Alltags der ländlichen Arbeiterklasse Englands. Zu ihren bekanntesten Romanen zählen 'Middlemarch', 'Die Mühle am Floss' und 'Adam Bede'.Eliots Privatleben war Gegenstand einiger Kontroversen. Über zwei Jahrzehnte lang lebte sie mit George Henry Lewes zusammen - einem verheirateten Mann. Er war seiner Frau entfremdet, aber nie offiziell geschieden. Ihre Beziehung verletzte die viktorianischen Gepflogenheiten, konnte aber Eliots Popularität bei den Lesern nicht beeinträchtigen. Die beiden sind Seite an Seite auf dem Londoner Highgate Cemetery begraben.

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Erstes Kapitel
Dorothea Brooke gehörte zu jenen Schönheiten, denen eine dürftige Kleidung zur Erhöhung ihrer Reize zu dienen scheint. Ihre Hand und ihr Handgelenk waren so schön geformt, daß sie getrost Aermel tragen konnte, welche ebenso styllos waren, wie die, in welchen die heilige Jungfrau den alten italienischen Meistern erschien, und ihr Profil sowohl, wie ihre ganze Gestalt und ihr Behaben, schienen durch ihre einfache Kleidung nur an Würde zu gewinnen, so daß ihre ganze Erscheinung inmitten der Modedamen der Provinz den Eindruck eines schönen Citats aus der Bibel – oder aus einem alten Dichter – in einem Zeitungsartikel machte. Man bezeichnete sie allgemein als sehr gescheidt, fügte aber regelmäßig hinzu, daß ihre Schwester Celia mehr gesunden Menschenverstand habe. Gleichwol trug Celia kaum mehr Besatz an ihren Kleidern, und nur sehr scharfe Beobachter nahmen wahr, daß ihre Kleidung sich doch in Etwas von der ihrer Schwester unterschied und mit einer Nuance von weiblicher Coketterie arrangirt war; denn die einfache Toilette Dorothea Brooke's hatte ihren Grund in verschiedenen Ursachen, von denen die meisten auch für ihre Schwester maßgebend waren. Das stolze Bewußtsein, Ladies zu sein, war eine dieser Ursachen: die Familie der Brooke's war, wenn auch nicht gerade eine aristokratische, doch unstreitig eine sehr gute; wenn man ihrer Herkunft eine oder zwei Generationen weit nachging, so fand man unter den Voreltern keine Handwerker oder Detaillisten, sondern nichts Geringeres als einen Admiral und einen Geistlichen; und wenn man den Stammbaum noch weiter zurückverfolgte, so kam man auf einen puritanischen Gentleman, der unter Cromwell gedient, sich aber später wieder der Staatskirche angeschlossen und sich als Eigenthümer eines respectablen Grundbesitzes allen politischen Verfolgungen zu entziehen gewußt hatte. Junge Damen von solcher Herkunft, welche in einem ruhigen Hause auf dem Lande lebten und eine Dorfkirche besuchten, die kaum größer war, als ein Wohnzimmer, betrachteten natürlich allen Putz als den Gegenstand des Ehrgeizes einer Hökerstochter. Ferner bestand in guten Familien damals noch eine Oeconomie, welche die Toilette als denjenigen Ausgabeposten betrachtete, welcher sich am ersten zu einer Einschränkung eigne, wenn es nothwendig erschien, gerade im Interesse der gesellschaftlichen Stellung das Budget durch Vergrößerung anderer Ausgaben zu belasten. Diese und ähnliche Gründe würden, ganz abgesehen von religiösen Gefühlen, hingereicht haben, eine einfache Toilette zu erklären; in Dorothea Brooke's Fall aber würde die Religion allein ein genügendes Motiv gewesen sein, und Celia schloß sich allen Empfindungen ihrer Schwester in ihrer milden Weise an, nur daß sie dieselben mit jenem gesunden Menschenverstande durchdrang, welcher sich bedeutungsvolle Doctrinen ohne jede excentrische Aufregung anzueignen weiß. Dorothea wußte viele Stellen aus Pascal's »Pensées« und aus Jeremy Taylor auswendig; und die Bestimmung der Menschheit, wie sie dieselbe im Lichte des Christenthums ansah, ließ ihr das Interesse für weibliche Moden als eine tollhäuslerische Beschäftigung erscheinen. Sie vermochte die Bekümmernisse eines Seelenlebens, bei denen es sich um Folgen für die Ewigkeit handelte, nicht mit den nichtigen Sorgen für die Raffinements einer modernen Toilette in Einklang zu bringen. Die Richtung ihres Geistes war eine theoretische und ihre Natur verlangte nach einer einheitlichen und bedeutenden Auffassung der Welt, in welcher das Kirchspiel Tipton und die Art ihres Lebens in demselben ungezwungen einen Platz finden möchten; sie hatte eine leidenschaftliche Vorliebe für alles Große und Gewaltige, und ihre Sympathie war sofort Allem, was dieser Neigung zu entsprechen schien, gewonnen; sie war sehr geneigt, ein Märtyrerthum zu suchen, dann ihre schnell gefaßten Meinungen zu widerrufen und schließlich ein Märtyrerthum da zu finden, wo sie es gar nicht gesucht hatte. Solche Elemente in dem Charakter eines heirathsfähigen Mädchens waren gewiß geeignet, auf ihr Schicksal entscheidend einzuwirken und zu verhindern, daß dasselbe, der bestehenden Sitte gemäß, durch ein hübsches Gesicht, durch Eitelkeit und durch eine rein sinnliche Zuneigung bestimmt werde. Bei alledem war sie, die ältere der beiden Schwestern, noch nicht zwanzig Jahre alt und beide hatten, seit sie vor etwa acht Jahren ihre Eltern verloren, nach einem ebenso beschränkten, wie unklaren Plane, zuerst in einer englischen Familie und später in einer Schweizerfamilie in Lausanne, eine Erziehung genossen, welche nach der Auffassung ihres ledigen Onkels und Vormundes die Nachtheile ihrer Elternlosigkeit ausgleichen sollte. Es war kaum ein Jahr her, seit sie aus der Schweiz zurückgekehrt waren und auf »Tipton-Hof« mit ihrem Onkel, einem fast sechzigjährigen Manne von nachgiebigem Charakter, wechselnden Ansichten und unsicherem Urtheile, lebten. In seinen jüngeren Jahren war er gereist und hatte sich, wie die Leute meinten, bei jenen Reisen die Unentschlossenheit des Wesens angeeignet, welche ihn characterisirte. Seine Entschlüsse vorauszusagen war so schwer, wie das Wetter im Voraus zu bestimmen; Alles, was man mit einiger Sicherheit vorhersagen konnte, war, daß er sich bei seinen Handlungen von wohlwollenden Absichten leiten lassen und bei ihrer Ausführung möglichst wenig Geld ausgeben werde. Denn selbst Gemüther von der zähesten Unentschlossenheit hegen doch einige harte Gewohnheiten und man erzählt von einem Manne, der, von der äußersten Gleichgültigkeit gegen alle seine eigenen Interessen, nur seine Schnupftabaksdose mit argwöhnischer Wachsamkeit und eifersüchtiger Engherzigkeit hütete. Herrn Brooke war die erbliche puritanische Energie offenbar abhanden gekommen; aber bei seiner Nichte Dorothea durchdrang dieselbe Alles, ihre Fehler und ihre Tugenden; diese Energie äußerte sich bisweilen als Ungeduld gegen die Reden ihres Onkels oder gegen seine Art, die Dinge auf seinem Gute gehen zu lassen, und ließ sie nur um so sehnlicher die Zeit ihrer Volljährigkeit herbeiwünschen, wo sie über einige Mittel zur Ausführung großherziger Lieblingspläne gebieten würde. Sie galt für eine Erbin; denn nicht nur, daß beide Schwestern von ihren Eltern jede eine Jahresrente von siebenhundert Pfund Sterl. geerbt hatten, sondern, falls Dorothea sich verheirathen und einen Sohn bekommen sollte, würde dieser Sohn Herrn Brooke's Gut erben, welches auf einen jährlichen Ertrag von dreitausend Pfund Sterl. geschätzt wurde. Eine solche Einnahme aber galt damals als Reichthum in den Augen der in der Provinz lebenden Familien, welche Robert Peels kürzliches Benehmen in Betreff der Katholiken-Emancipation discutirten, und noch keine Ahnung von der künftigen Entdeckung der Goldfelder und von jener prachtliebenden Plutokratie hatten, welche die Bedürfnisse eines fashionablen Lebens so maßlos steigern sollte. Und warum sollte ein so schönes Mädchen mit so glänzenden Aussichten nicht heirathen? Nichts konnte sie daran hindern, als ihre Liebe zu Extremen und ihre entschiedene Neigung, das Leben nach Ideen zu gestalten, welche wol geeignet waren, einen vorsichtigen Mann stutzig zu machen, bevor er ihr seine Hand anböte, oder welche sie gar dahin bringen konnten, schließlich alle Anträge abzulehnen. Eine junge Dame von guter Herkunft und einigem Vermögen, welche gelegentlich an der Seite eines kranken Arbeiters plötzlich auf einem steinernen Fußboden niederkniete und inbrünstig betete, als ob sie sich in die Zeiten der Apostel zurückversetzt glaube, und welche die sonderbare Grille hatte, zu fasten wie eine Papistin und Nächte hindurch bei der Lectüre alter theologischer Schriften aufzusitzen, – bei einer solchen Frau hätte der Mann darauf gefaßt sein müssen, daß sie ihn eines schönen Morgens mit einem neuen Plane für die Verwendung ihres Vermögens aufwecken würde, der sich mit den Grundsätzen einer gesunden Nationalökonomie und dem Halten von Reitpferden schlecht vertragen möchte; jeder Mann würde sich voraussichtlich zweimal besinnen, bevor er das Wagniß einer solchen Verbindung unternähme. Man hielt damals dafür, daß Frauen schwache Gemüther haben müßten und betrachtete es als eine Gewähr für die Erhaltung der Gesellschaft und des Familienlebens, daß man nicht nach bestimmten Ansichten handele. Verständige Leute machten es wie ihre Nachbarn, so daß, wenn einzelne Irrsinnige frei herumliefen, man sie kennen und ihnen ausweichen konnte. Die allgemeine Meinung der ländlichen Bevölkerung, selbst der kleinen Leute, sprach sich zu Gunsten Celia's aus, weil sie so liebenswürdig und freundlich sei, während die großen Augen der älteren Schwester, gleich ihrer religiösen Ueberzeugung etwas zu Ungewöhnliches und Auffallendes hätten. Die arme Dorothea! Im Vergleich zu ihr war die unschuldig aussehende Celia erfahren und weltklug; so wahr ist es, daß das Innere des Menschen unendlich viel feiner ist, als die äußere Erscheinung, die als eine Art von Zifferblatt des Innern betrachtet wird. ...



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