E-Book, Deutsch, 264 Seiten
Endler Auslese
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-949345-38-8
Verlag: Polarise
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mord im Weingut 4.0
E-Book, Deutsch, 264 Seiten
ISBN: 978-3-949345-38-8
Verlag: Polarise
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Arno Endler, geboren als Sonntagskind 1965 in Neuwied, infizierte sich im Alter von 12 Jahren mit dem Science-Fiction-Virus. Als Schüler durchstöberte er bereits sämtliche Buchhandlungen seiner Heimatstadt auf der Suche nach Büchern des Genres und litt nur an einem Mangel an Taschengeld. Er studierte Steuerrecht und betreute als Landesbeamter verschiedene IT-bezogene Projekte. Seit dem Jahr 2008 wagte er schriftstellerisch Blicke in die nähere und fernere Zukunft und publizierte Dutzende Kurzgeschichten im c´t-Magazin. Seit 2016 schreibt er für die Serie Perry Rhodan NEO und veröffentlichte mehrere Romane in verschiedenen Verlagen.
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PROLOG
Weichgezeichnete Wolkenfetzen stürzten sich über den Kamm des Hangs hinab. Wie eine Herde von Schafen, die dem Leittier folgten. Die Sonne stand recht tief, beleuchtete daher nur die Schwaden, die direkt oberhalb des Hangs schwebten und dann in die Kuhle des Moseltals fielen. Terrassenstufe für Terrassenstufe füllte sich mit sinnesverwirrendem Dunst.
Noch störte kein Verkehrslärm die landschaftliche Ruhe, obwohl sich weit unten die Straßen zu beiden Seiten der Mosel schlängelten. Die ersten Vögel starteten ihr Rufkonzert, trotzten der morgendlichen Kühle.
Eine Gestalt in Sportfunktionshose und Hoodie, dessen Kapuze tief über der Stirn hing, tauchte oben wie aus dem Nichts auf. Schlank, sportiv wirkend, mit sparsamen, effektiven Bewegungen lief der Joggende einen Trampelpfad entlang, stoppte plötzlich und blieb stehen.
Behutsam schlug er die Kapuze zurück. Der Kopf eines Mannes wurde sichtbar. Kurzgeschnittene blonde Haare, die wie aufgemalt wirkten. In seinem Gesicht breiteten sich erste permanente Falten aus. Ein unvoreingenommener Beobachter hätte ihn auf etwa Anfang 30 geschätzt, doch Sven hatte vor wenigen Tagen in einer improvisierten Feier seinen 39. Geburtstag gefeiert.
Er checkte die Anzeige seiner Smartwatch und spazierte zielgerichtet auf einen im Schatten gelegenen Steinhaufen zu.
Dicht daneben führten Treppenstufen, grob behauene Schieferplatten, die vom Wetter gezeichnet waren, hinab auf die oberste Weinbergterrasse.
Er folgte der provisorisch wirkenden Treppe abwärts, hielt sich nahe an der in den Hang geschmiegten Mauer aus Natursteinen und mied die Berührung der Weinreben an den Rebstöcken, die in regelmäßigen Abständen standen. So verhinderte er eine Berührungsmeldung an den Zentralrechner, die sicherlich zu einer Inspektion geführt hätte. Er wollte keine Aufmerksamkeit, suchte die Ruhe, um die nächsten Schritte zu überdenken. Der 5-Kilometer-Lauf hatte seine rasenden Gedanken noch nicht zum Stillstand gebracht oder ihm gar Klarheit beschert.
Zehn Meter weiter gab es eine breitere Lücke zwischen den Pflanzen und eine nach unten führende, modern wirkende puristische Treppenanlage.
Sven stieg insgesamt drei Terrassen tiefer, bis er den Aussichtspunkt erreichte. Eine Nische mit Sitzgelegenheit, die man in die Hangmauer gebaut hatte. Dort war man vor allen Blicken geschützt. Nur ein Beobachter von der gegenüberliegenden Seite des Moseltals hätte ihn mit etwas Glück entdecken können. Doch er saß im Schatten der hinter dem Hang aufsteigenden Sonne. Kein Autofahrer würde ihn hier sehen und auch niemand, der sich oberhalb aufhielt.
Er spürte die Kühle des Morgens, roch förmlich den Tau auf den Blättern und dem Bodengrün. Kräftig einatmend genoss er die Aussicht ins Tal. Erste Scheinwerferstrahlen küssten die Straße. Ein Stromer surrte tief unten vorbei.
Sven unterdrückte den Impuls, nach seinem Smartphone zu greifen. Ein Blick auf die Smartwatch reichte ihm. Achtzehn Dateien in der Warteschleife. Noch hielt er sich in dem Bereich des Störfeldes auf, das einen Internetzugang verhinderte. Auf dem gesamten Gelände hatte man Störsender errichtet.
Er senkte den Arm wieder, seine Faust schmerzte von der Prügelei mit Matti, einem verpickelten Techniker, der ihm seinen fehlenden Erfolg bei Frauen anlastete. Sven schüttelte den Arm aus. Er musste weiter unten am Hang den Bereich finden, in dem die Störsender nicht mehr wirkten. Der Weinberg war gespickt mit metallenen Rebstöcken, in denen Sensoren und Funkanlagen verbaut waren, damit die KI über die Verhältnisse im Weinberg jederzeit informiert war. Störwellen durch Internetfunkmasten hätten die Ergebnisse verfälschen können.
Dabei war die Versuchsanordnung ein Erfolg. Das Experiment kurz vor der Evaluation.
Sven haderte mit sich und seinen Zweifeln. Sollte er wirklich …?
Achtzehn Dateien in die Cloud zu laden, stellte so etwas wie den Bruch seines Vertrages dar. Im schlimmsten Fall würde man ihm Betriebsspionage vorwerfen. Er gab sich einen Ruck und stiefelte entlang der Reben auf die nächste Treppe zu. Weiter unten, sagte er sich. Weiter unten würde der Sendebefehl greifen und die Dateien in seine Cloud übertragen.
In den metallenen Rebstäben summte es unerwartet. Sven kannte jedes technische Gimmick, das in ihnen verbaut worden war. Doch der Schlag von der Seite, der seinen Kopf traf, erwischte ihn unvorbereitet. Er stürzte, seine klare Sicht getrübt von Fehlbildern. Die Ohnmacht kam näher, doch er fing sich auf allen vieren kniend wieder. Ein Tinnituston in seinem rechten Ohr verhallte. Sven sah auf. Aus einem der Rebstöcke hatte sich die Hagelschutzvorrichtung entfaltet. Er griff sich an die Schläfe und spürte dort eine brennende kleine Wunde. An seinem Finger klebte Blut, als er ihn betrachtete.
»Was zum Henker geht hier vor?«, murmelte er und sah sich um. In der gesamten Rebenreihe waren die Hagelschutzschirme ausgefahren. Einer musste ihn im Vorbeigehen am Kopf erwischt haben.
Das leise Geräusch einer Raupenantriebsdrohne näherte sich von rechts. Im dichten Dunst, der sich auf der Grundebene der Terrassenstufe gebildet hatte, konnte Sven nicht erkennen, welches Modell da auf ihn zurollte.
Er wollte der Arbeitsdrohne ausweichen, als ein zweites Abrollgeräusch an sein Ohr drang. Durch den Nebel stach der Aufbau einer Schneide- und Greifdrohne mit dem für die Fortbewegung in schwierigem Gelände genutzten Raupenantrieb. Die einzelnen Kettenglieder aus griffigem Ökokunststoff.
Sven glaubte nun auch das Surren einer Flugdrohne zu hören.
Er bewegte sich langsam von der heranrollenden Drohne weg, immer auf den Untergrund achtend, soweit das möglich war. Die Feuchtigkeit der Nacht hatte zum Teil den Boden aufgeweicht und vereinzelt frei liegende Schieferplatten in eisglatte Rutschfallen verwandelt.
Zweimal zuckte es in Sven. Er glitt aus, ruderte mit den Armen um sein Gleichgewicht. »Nur nicht stürzen«, murmelte er leise. Ihm schienen nun mindestens drei Arbeitsdrohnen zu folgen, was überhaupt keinen Sinn ergab.
Er suchte eine weitere Natursteintreppe, die irgendwo sein musste. In dem halbdämmrigen Licht vermochte er sie nur noch nicht zu sehen.
Er hielt mit der rechten Handfläche Kontakt zur Hangmauer, strich entlang der Steine und beschleunigte seine Schritte.
Ein scharfer Schmerz schnitt von hinten durch beide Kniekehlen, gefolgt von einem glühend heißen Schlag in seinen rechten Knöchel. Sven schrie, stürzte, die Beine trugen ihn nicht mehr. Er verlor die Orientierung, schlug mit den Armen voraus der Länge nach hin. Sein weit aufgerissener Mund biss in den lehmigen Untergrund. Er spuckte aus, stützte sich auf die Ellenbogen und hob den Kopf.
An der Seite parkte eine Raupenantriebsdrohne, die wirbelnden Werkzeugarme im Mittelsteg hielten Messer und eine Zange.
Die Drohne bewegte sich auf ihn zu. Sven krabbelte los, er hatte jegliche Kraft in den Beinmuskeln verloren.
So schnell er konnte, kroch er zwischen zwei Rebstöcken auf den Rand der Terrasse zu, schrie erneut auf, als sich messerscharfe Klingen in seine Unterschenkel bohrten.
Zwei Schneid-Drohnen attackierten ihn. Sie reagierten nicht auf Sprache, das war ihm klar, dennoch brüllte er sie an. »Stopp! Hört auf!«
Er fingerte jetzt doch nach seinem Smartphone, zog es hervor und entsperrte den Monitor. Er wollte Hilfe rufen, jemanden in der Zentrale benachrichtigen. Sie mussten erfahren, was hier vorging.
Die Anzeige für den Empfang zum internen Netzwerk stand auf zero.
Er hob das Smartphone in die Luft.
Ein lautes Surren pfiff heran. Der Schatten einer Flugdrohne sauste vorbei. Reißender Schmerz in seiner Hand. Fassungslos betrachtete Sven die fehlenden Fingerglieder. Das Telefon war verschwunden, wahrscheinlich irgendwo unterhalb aufgeprallt. Blut sickerte aus den offenen Stellen. Sven wandte den Blick ab, wollte das Weiß der Knochen nicht sehen.
Er langte nach den Randsteinen, zog kräftig, bis er mit dem Kopf darüber hinausschauen konnte. Zwei Meter, vielleicht etwas weniger. Da unten musste sein Handy sein.
Erneut schlugen die Drohnen zu. Stiche und Hiebe in Füße und Unterschenkel.
Auf einen weiteren Angriff wollte er es nicht ankommen lassen. Kopfüber stürzte er sich hinab, hielt sich fest, wo es ging. Doch es reichte nicht. Er verlor völlig die Kontrolle über seine Glieder. Ein Stein lag dort unten. Ein Findling.
Svens Kopf prallte dagegen. Der Wucht hatte sein Genick nichts entgegenzusetzen. Es brach.
Er bewegte sich nicht mehr. Seine Smartwatch sendete...




