Endler Cotton Reloaded - 34
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-1009-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auge um Auge
E-Book, Deutsch, Band 34, 120 Seiten
Reihe: Cotton Reloaded
ISBN: 978-3-7325-1009-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Brutale Bombenattentate auf Schulen mit überwiegend muslimischen Schülern erschüttern New York City. Wer steckt hinter den grausamen Anschlägen? Politische Fanatiker? Fremdenhasser? Oder ein psychopathischer Einzeltäter?
Die Special Agents Jeremiah Cotton und Philippa Decker vom G-Team des FBI stoßen schon sehr bald auf die Spur des Bombenlegers. Doch der droht mit weiteren Toten. Für Cotton und Decker beginnt ein Rennen gegen die Zeit. Ein Rennen, das sie zu verlieren drohen. Denn selbst, als der vermeintliche Bombenleger gefasst ist, hat er noch einen letzten tödlichen Trumpf im Ärmel ...
COTTON RELOADED ist das Remake der erfolgreichen Kultserie und erscheint monatlich in abgeschlossenen Folgen als E-Book und Audio-Download.
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2.
Saheem’s entpuppte sich als Szenetreff hinter einer schlichten Fassade, wobei die Szene sich auf gut gekleidete muslimische Männer aller Altersklassen beschränkte, wie Cotton schnell feststellte, als er den Innenraum des Teehauses betrat. Der Taxifahrer, selbst ein Muslim, hatte Cotton irritiert angesehen, als der ihm die Adresse in Downtown-Manhattan genannt hatte.
»Du willst ins Saheem’s?«, hatte der Mann gefragt.
»Ja. Und ich bin schon reichlich spät dran«, war Cottons Antwort gewesen. Als er jedoch den Gesichtsausdruck des Fahrers lange genug ertragen hatte, setzte er freiwillig hinzu: »Ich treffe mich dort mit einem Freund.«
Im Saheem’s trafen sich Muslime. Cotton stellte in den Augen des Taxifahrers einen seltsamen Besucher dar. Daher kam wohl auch der misstrauische Blick.
Abdul Mehmani lautete der Name auf der angeklebten Lizenz.
Cotton verlor die Geduld: »Mr Mehmani? Gibt es irgendein Problem? Sonst würde ich mich gerne von einem anderen Fahrer dorthin bringen lassen. Ich folge lediglich der Einladung eines Freundes in ein Teehaus.«
Der Taxifahrer musterte Cotton noch kurz, nickte dann aber und startete den Motor. Abdul kehrte zur Normalität zurück, drehte die Musik im Radio etwas leiser und verkürzte die Fahrt mit ernsthaftem Small Talk über die jüngste Anschlagsserie und wie schrecklich es für die Eltern der getöteten Kinder sein musste.
Cotton antwortete ausweichend. Nicht dass ihm die Thematik unangenehm gewesen wäre, denn zurzeit gab es kein anderes Thema in der Stadt. Nein, ihm wurde erstmals klar, dass es an diesem Abend ebenfalls um den Doppelbomber gehen würde.
Cotton hatte sich nach der Einladung Jehan Shahids zwar seine Gedanken gemacht, warum die Pokerrunde nicht im üblichen Rahmen stattfand, aber nun vermutete er doch einen anderen Hintergrund.
Das Taxi hielt in zweiter Reihe. Die Parkplätze waren durchgehend belegt, und auf den Bürgersteigen der Seitenstraße spazierten noch einige Fußgänger.
Es war halb neun, die Straßenbeleuchtung tauchte die Menschen und Autos in ein fahlgelbes Licht. In der Stadt, die niemals schläft, war es zu früh für die vielen Nachtschwärmer und zu spät für die übersprudelnde Geschäftigkeit des Tages.
Cotton bezahlte, ließ vier Dollar Trinkgeld springen, was Abdul mit einem Nicken quittierte.
Vor dem breiten Schaufenster, auf dem mit heller Folie die Aufschrift »Saheem’s« geklebt war, blieb der Agent stehen und sah sich um. Ein leicht süßlicher Geruch hing in der Luft, dazu die üblichen unangenehmen Gerüche der Großstadt. Neben dem Fenster, das mit einem dicken Vorhang verhängt war, sodass man nicht hineinsehen konnte, blinkte eine kleine grüne Neonschrift an einer Glastür.
COME IN
Also trat Cotton ein.
Die Wärme brandete ihm wie eine Welle entgegen. Für einen Moment rang er nach Luft, so herb war der Unterschied zwischen draußen und drinnen.
Cotton, der sich für legere Kleidung, schwarzes Rollkragen-Sweatshirt, dunkle Hose und bequeme Sneaker entschieden hatte, versank beinahe in dem weichen Teppichboden.
Saheem’s vorherrschende Farbe stellte sich als ein warmes Rot heraus. Die Wände gestrichen in Rot, die Vorhänge, die einige Nischen als Trennwände voneinander separierten, ebenfalls so purpur wie auch der Bodenbelag. In zwei der Separees saßen Männer in schummriger Beleuchtung, vor ihnen auf den Tischen Shishas, über den Köpfen erkennbare Rauchwolken. Sie alle nahmen Cotton nur kurz zur Kenntnis, schienen sogar ein wenig in den Schatten zurückzuweichen. Niemand sprach ihn an. Auch die Gesichter der Männer, die nur flüchtig zu ihm schauten, färbte das allgegenwärtige Rot ein.
Nur der Theke hatte man ein neutrales Grau gegönnt. Dahinter trocknete ein Glatzkopf mit dichtem schwarzem Schnurrbart und einem farbenfrohen Umhang Gläser ab.
Es roch nach Tabak, süßlichem Pfeifentabak. Cotton wusste, dass einige Bars, Kneipen und Restaurants das Rauchverbot missachteten, aber die Intensität, mit der bereits im Hauptraum der Gesetzesbruch zu riechen war, verwunderte den Agent.
»Was kann ich für dich tun, Fremder?«, fragte der Schnurrbartträger in akzentfreiem Englisch.
Cotton grinste, erinnerte ihn dieser filmreife Satz doch an einen Western. Nur, dass dies keine Bar war, denn hinter der Theke lagerte keinerlei Alkohol in den Regalen. Stattdessen sah Cotton einige Wasserpfeifen und verschiedene Teekannen und Gläser.
»Guten Abend. Mein Name ist Jeremiah Cotton. Ich bin mit einem Freund verabredet, Jehan Shahid. Ist er schon da?«
Kaum war Shahids Name heraus, hellte sich das verkniffene Gesicht seines Gegenübers auf. »Ein Freund von Jehan ist auch mein Freund. Willkommen noch einmal. Ich bin Saheem.«
Cotton trat an die Theke heran und schüttelte die ausgestreckte Hand des Besitzers.
»Sehr schön haben Sie es hier, Mr Saheem.«
»Nur Saheem, bitte«, antwortete der Schnurrbartträger und deutete eine Verbeugung an. »Es ist der Laden meines Vaters. Ich bin nur sein Nachfolger und habe ein wenig an der Inneneinrichtung gearbeitet.«
»War es schon immer ein …«
»Teehaus? Aber ja. Vielleicht …« Saheem lächelte freundlich. »Vielleicht bot mein Vater vor einigen Jahren auch mal das eine oder andere an, was in den Augen von Uncle Sam nicht ganz legal war. Allerdings sind diese Zeiten vorbei. Im Übrigen lebe ich recht gut von den Einnahmen, verfüge ich doch über eine treue Stammkundschaft, zu denen ich auch deinen Freund Jehan zähle.«
Cotton sah sich irritiert um, konnte es nicht glauben, dass Jehan Shahid hier regelmäßig zu finden war. Es passte so gar nicht zu seinem Freund.
»Ist er schon da, Saheem?«, fragte Cotton den Besitzer.
»Aber ja. Ich bring dich zu ihm.«
Hinter einem der Wandteppiche versteckte sich eine Tür. Saheem schlug den schweren Stoff beiseite und bedeutete Cotton, durch die Öffnung zu gehen.
Sie betraten einen Flur, an dessen Wandseiten funzelige kleine Leuchten oberhalb von rund einem Dutzend Türen rechts wie links ihr farbloses Licht streuten.
An der vorletzten Tür hielt Saheem an, drückte sie auf und verbeugte sich vor Cotton.
»Danke«, antwortete der Agent und trat hinein.
Jehan stand bereits und lächelte breit. »Hallo, Jeremiah.«
»Ein seltsamer Treffpunkt für eine Pokerrunde«, entgegnete Cotton betont freundlich.
»Setz dich doch.« Shahid deutete auf einen halbhohen, bequem wirkenden Armlehnen-Sessel.
Cotton setzte sich und sah sich um, nachdem er an der weichen Polsterung Gefallen gefunden hatte.
»Gemütlich«, stellte er fest. Außer drei dieser Sessel, in die ein sehr korpulenter Mensch nicht gepasst hätte, sowie einem Regal, in dem verschiedene Ziergegenstände aus Metall untergebracht waren, gab es nur noch einen kleinen runden Tisch, dessen Platte auf Kniehöhe angebracht war.
Darauf stand eine gläserne Karaffe, außen mit goldenen Verzierungen, in der eine goldgelbe Flüssigkeit dampfte. Auch hier roch es süßlich, der Duft erinnerte Cotton an einen frischen Apfelkuchen.
Neben der Karaffe standen zwei ebenfalls goldverzierte winzige Gläser auf gläsernen Untersetzern, dazu je ein Löffel.
»Apfeltee. Frisch aus der Türkei. Soll ich dir einschenken?« Shahid hatte sich gleichfalls gesetzt und sah Cotton fragend an.
»Gerne.«
Der Pakistani trug einen edlen grauen Anzug, allerdings keine Krawatte dazu. Dennoch fühlte sich Cotton underdressed. Er sah seinem Freund zu, wie dieser die Gläser vorsichtig so füllte, dass man den oberen Rand anfassen konnte, ohne sich die Finger am heißen Tee zu verbrühen.
»Ist ein interessanter Laden«, sagte Cotton.
»Ja. Schon unter Saheems Vater galt das Teehaus als Treffpunkt der Muslime in New York. Hier wurden Geschäfte getätigt, Töchter und Söhne einander versprochen und so manche Angelegenheit von staatserschütternder Tragweite geklärt.«
»So, so. Aber es wurde nicht nur Tee getrunken, oder?«
»Nein.« Shahid nahm sein Glas und nippte an dem Apfeltee. »Mhm. Gut. Probier.«
Cotton überraschte, wie süß das Getränk schmeckte. Das sollte seinem Kumpel Shahid schmecken?
Shahid grinste. »Der Geschmack von Heimat.«
»Und der Geruch von …?« Cotton schaute leicht theatralisch im Raum umher.
Ein schallendes Gelächter bewies ihm, dass Shahid ihm den Seitenhieb nicht übel nahm.
»Früher mal, zu Zeiten als Saheems Vater der Laden hier gehörte, wird es auch so manche Drogenexzesse gegeben haben. Doch das ist Vergangenheit. Jetzt rauchen alle, die hier die Abende und Nächte verbringen, nur noch Shishas. Eine lässliche Sünde, selbst in den Augen des Christengotts.« Shahid zwinkerte seinem Freund zu.
»Du hast mir noch nie von diesem Teehaus erzählt.« Cotton nippte erneut an dem Getränk und fand langsam zu dem Geschmack. Sobald man sich an die Süße gewöhnt hatte, spürte man die pure Kraft des Tees. Trotzdem hätte er einen Whisky bevorzugt.
»Es war auch noch nie nötig. Zumal sich hier viele Menschen treffen, die einem Bundesagenten, nun, sagen wir, mit Misstrauen begegnen.«
»Misstrauen?«
»Was glaubst du denn? Für einen Agent der Regierung bist du manchmal ganz schön naiv, mein Lieber.« Shahid legte sich die Hand auf die Brust. »Was dich natürlich ehrt. Aber der Kampf der Religionen, selbst wenn er nur von Fanatikern beider Seiten geführt wird, ist nun mal traurige Realität.«
Cotton nickte. Er wusste, auf welch wackligem Fundament die vertraute Beziehung zu seinem Pokerpartner stand. Die Ereignisse rund um die gekaperte Passagiermaschine und das Eindringen Dillagios in das pakistanische Konsulat waren ihm noch...




