Engström | Wo mein Herz wohnt | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: MIRA Taschenbuch

Engström Wo mein Herz wohnt

Mittsommergeheimnis
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-86278-968-9
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Mittsommergeheimnis

E-Book, Deutsch, 160 Seiten

Reihe: MIRA Taschenbuch

ISBN: 978-3-86278-968-9
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



'Zwei Flüge nach Stockholm, bitte.' In aller Eile müssen Finja und Sander New York verlassen und sich in Schweden um ihren elternlosen kleinen Neffen kümmern. Eine schwere Aufgabe unter der Mittsommersonne! Wo doch ihre Liebe gerade vor dem Aus steht ...



Pia Engström liebt das wunderbare Schweden über alles - das ist wohl auch der Grund, warum sie den Handlungsort für ihre Geschichten hier ansiedelt. Dennoch packt ihren Mann und sie ab und an das Fernweh, und sie haben schon Reisen in einige entlegene Winkel der Erde unternommen. Die Liebe zur ländlichen Umgebung hat sie jedoch nie vergessen, und so verbringt sie möglichst viel Zeit in der freien Natur. Schon als kleines Mädchen wusste sie, was sie später einmal werden wollte: Prinzessin oder Schriftstellerin. Da der erste Wunsch sich nur schwerlich realisieren ließ, hat sie umso härter daran gearbeitet, sich zumindest den zweiten zu erfüllen - inzwischen mit beachtlichem Erfolg.

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1. KAPITEL


“Sie und Ihre Freundinnen waren also allein im Wald, als das Au-pair-Mädchen … Wie war noch ihr Name?”

“Audrey”, antwortete Finja mit heiserer Stimme. “Ihr Name war Audrey.”

“Sie waren also allein im Wald, als Audrey spurlos verschwand. Aber das ist nicht der Grund für Ihre Schuldgefühle, nicht wahr? Erzählen Sie mir, was geschehen ist.”

Die Praxis von Dr. Paul Bjorkman befand sich im Stockholmer Stadtteil Norrmalm in einem ultramodernen Bürokomplex, der nur aus Glas und Stahl zu bestehen schien. Umso überraschender war der Kontrast, wenn man die Räume zum ersten Mal betrat. Alles – von den Wänden über die weichen Teppiche, die jedes Geräusch schluckten, war in gedämpften Braun- und Cremetönen gehalten. Kaum etwas deutete darauf hin, dass man sich in den Praxisräumen eines Psychologen aufhielt. Es herrschte eine ungemein beruhigende und gelöste Atmosphäre.

So empfanden es zumindest die meisten Patienten von Dr. Bjorkman – bei Finja wollte sich diese Wirkung jedoch nicht einstellen. Mit geschlossenen Lidern lag sie auf einer bequemen Couch und versuchte sich zu entspannen, doch es ging einfach nicht. Wie jedes Mal, wenn sie den Gedanken an Audrey zuließ, verkrampfte sich ihr ganzer Körper, und in ihrem Inneren schien sich ein schmerzhafter Knoten zu bilden.

Trotzdem zwang sie sich, weiterzusprechen. Sie wollte diese Last, die ihr nun schon so lange auf der Seele lag, endlich abschütteln. Und bei Dr. Bjorkman hatte sie das Gefühl, ihm vertrauen zu können.

Finja atmete tief durch, dann begann sie zu sprechen – zuerst langsam und stockend, bis die Worte schließlich einfach aus ihr hervorbrachen. “Audrey und ich, wir hatten einen schlimmen Streit an jenem Morgen, an dem es geschah. Wir kamen generell nicht besonders gut miteinander aus. Ich glaube, ich gab ihr die Schuld daran, dass meine Eltern so wenig Zeit für meine Schwester und mich hatten. Außerdem fühlte ich mich von ihr eingeengt und kontrolliert. Und an diesem Morgen ertappte ich Audrey dabei, wie sie in meiner Schreibtischschublade herumschnüffelte. Ich …” Finja spürte, wie die Tränen sich hinter ihren geschlossenen Augenlidern sammelten, und sie schluckte. “Ich war …”

“Sie waren wütend”, half Paul Bjorkman ihr auf die Sprünge.

“Ja, ich war sogar schrecklich wütend. So sehr, dass ich etwas Unverzeihliches zu Audrey sagte. Ich …” Sie schüttelte den Kopf. “Es tut mir leid, aber ich kann das nicht!”

“Was haben Sie zu ihr gesagt?”, drängte Bjorkman sanft. “Sie werden sehen, dass Sie sich besser fühlen, wenn Sie mit jemandem darüber gesprochen haben.”

Zitternd rang Finja nach Luft. “Ich sagte …”

“Du sagtest: Verschwinde! Geh zum Teufel und komm nie mehr zurück!”, erklang da plötzlich eine Mädchenstimme direkt an ihrem Ohr. “Und dein Wunsch ist in Erfüllung gegangen.”

Finja riss die Augen auf und …

… erwachte mit einem erstickten Keuchen. Vor Erleichterung darüber, dass es nur ein böser Traum gewesen war, kamen ihr fast die Tränen. Langsam wich das Gefühl, innerlich zu Eis erstarrt zu sein, und auch ihr Puls beruhigte sich wieder. Sander merkte nicht einmal, wie aufgewühlt sie war. Er saß hinter dem Steuer des Mietwagens, den sie nach ihrer Landung in Stockholm vor knapp vier Stunden abgeholt hatten, und telefonierte über die Freisprecheinrichtung.

Windböen trieben Nebelschleier vor die Windschutzscheibe, doch Sander sah nicht so aus, als hätte er irgendwelche Probleme mit der Sicht. Er war ein geübter Fahrer. Eines der wenigen Dinge, die Finja über ihren Mann wusste. Seltsam eigentlich, wo sie ihn doch einmal von ganzem Herzen geliebt hatte.

Aber irgendwo zwischen Schweden und Amerika hatte sich vor fünf Jahren die Liebe aus ihrer Ehe geschlichen.

Finja wusste nicht einmal, warum es so gekommen war – fest stand nur, dass sie und Sander in Schweden glücklich gewesen waren. Und dass sich in New York alles geändert hatte. Dabei hatte sie doch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten endlich die Schatten ihrer Vergangenheit hinter sich lassen wollen.

Und jetzt kehrten sie gemeinsam dorthin zurück, wo alles begonnen hatte. Nach Dvägersdal – Finjas Geburtsort. Jedoch war der Anlass alles andere als erfreulich.

Schmerzerfüllt schloss sie die Augen, als sie an die Katastrophe dachte, die vor wenigen Wochen ihre komplette Familie mit einem Schlag ausgelöscht hatte. Jetzt würde Finja nie mehr die Chance haben, sich mit ihren Eltern und ihrer Schwester auszusprechen. Und mit Paul Bjorkman – dem Mann, dem sie einmal ihre Seele anvertraut hatte. Ihrem Schwager …

Ein, zwei Mal atmete Finja tief durch, dann öffnete sie die Augen wieder und blickte nachdenklich durchs Beifahrerfenster. Der Regen wurde stärker und ließ nicht einmal erahnen, dass es inzwischen Frühling war in Schweden.

Nun, zumindest passt das Wetter zu meiner momentanen Gemütslage, dachte Finja bitter, als ihr auffiel, dass ihr Mann und sie während der gesamten Fahrt kein einziges Wort miteinander gewechselt hatten. Kurz drehte sie den Kopf ein Stück nach links und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Sander telefonierte gerade mit einem wichtigen Kunden von , seiner Firma für Sportartikel, die er sich in den USA aufgebaut hatte. Wieder einmal. Eigentlich ging das schon die ganze Fahrt so. Anfangs hatte Finja aus Zeitvertreib noch zugehört, was gesprochen wurde. Doch inzwischen drangen nur noch Wortfetzen wie , und an ihr Ohr.

“Woran denkst du?”, hörte sie Sander nach einer Weile fragen.

Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass er sein Telefonat beendet hatte. Jetzt dauerte es einen Moment, ehe sie registrierte, dass er tatsächlich mit ihr sprach.

Finja zuckte mit den Achseln. “Seit wann interessiert dich, woran ich denke?”, erwiderte sie, bereute ihre schroffen Worte aber sofort wieder. Sie sollte dankbar sein, dass er sich überhaupt mal bemühte, ein Gespräch in Gang zu bringen. Gleichzeitig wusste sie, dass kein Gespräch der Welt mehr ihre Beziehung retten konnte.

“Hör mal, das waren gerade wirklich wichtige Anrufe, und …”

Sie winkte ab. “Schon gut. Ich bin ja froh, dass du überhaupt die Zeit gefunden hast, mitzukommen.”

“Es ging ja nicht anders”, entgegnete er kühl. “Der Notar hat schließlich darauf bestanden, dass wir beide zur Testamentseröffnung kommen.”

Finja nickte, und ihr Herz zog sich krampfhaft zusammen, als sie an das Gespräch mit Lennart Bolander dachte, das sie vor zwei Wochen geführt hatte. Damals war sie allein nach Dvägersdal gekommen, zur Beerdigung. An jenem Tag, an dem die Särge ihrer Eltern, ihrer Schwester Greta und ihres Schwagers Paul zu Grabe getragen worden waren, hatte die Sonne hell am strahlend blauen Himmel gestanden. Die Luft war lau und vom Duft wilder Frühlingsblumen erfüllt gewesen, und über allem hing ein seltsamer Schleier. Nicht nur der Trauer, nein – es gab da noch etwas anderes, das Finja belastete und sie auch heute wieder angstvoll auf ihre Ankunft blicken ließ. Und dieses Etwas hatte einen Namen.

Audrey.

Unwillkürlich schauderte Finja. Da war sie wieder, die Gänsehaut, die ihr jedes Mal über den Rücken kroch, wenn sie an das ehemalige Au-pair-Mädchen ihrer Familie dachte. Doch wie schon vor drei Wochen bemühte sie sich auch jetzt, die Gedanken daran gar nicht erst richtig aufkommen zu lassen. Sie durfte einfach nicht zu sehr an die Vergangenheit denken – alles, was im Augenblick zählte, war das Hier und Jetzt.

Wieder meldete sich Sanders Mobiltelefon – und dieses Mal war Finja beinahe froh über die Unterbrechung. Es war der Signalton für eine eingehende E-Mail.

“Ich muss kurz anhalten”, sagte Sander erwartungsgemäß und lenkte den Wagen an den Straßenrand, wo er den Motor abstellte. “Tut mir leid, aber …”

“Es ist wichtig”, führte Finja den Satz für ihn zu Ende. Sie merkte selbst, wie bitter ihre Stimme klang. “Natürlich.”

Sander ging gar nicht darauf ein. Er nahm sein Smartphone aus der Freisprecheinrichtung und klappte die kleine Tastatur auf. Finja konnte sich nicht erinnern, ihn in den letzten Jahren jemals ohne dem Teil gesehen zu haben. Manchmal hatte sie fast den Eindruck, dass er ohne dieses Gerät, mit dem er seine E-Mails und Termine verwaltete, gar nicht mehr leben konnte.

Und sie zweifelte daran, dass dasselbe auf sie, seine Ehefrau, ebenfalls zutraf.

Ein paar Minuten beobachtete sie ihn dabei, wie er mit zusammengekniffenen Augenbrauen auf das Display des Telefons starrte, doch das wurde ihr rasch langweilig. Mit dem Ärmel ihres warmen Strickpullovers befreite Finja das inzwischen beschlagene Beifahrerfenster von der Feuchtigkeit. Sie atmete scharf ein, als sie den fast vollständig schwarzen Felsen erblickte, der wie ein mahnend erhobener Finger in den bleigrauen Himmel hinaufragte. Plötzlich wurde ihr bewusst, wo Sander angehalten hatte.

Ausgerechnet!

Finja hatte das Gefühl, innerlich zu Eis zu erstarren. Sie konnte sich nicht bewegen, kaum atmen und erst recht nicht mehr klar denken.

– der Trollfelsen.

Dieser Ort verfolgte sie noch heute bis in ihre Träume, und schlagartig wurde ihr klar, dass es ihr nicht länger gelingen würde, die Vergangenheit aus ihren Gedanken zu verbannen.

Es war, als würde plötzlich ein alter Film vor ihren Augen ablaufen. Finja sah sich selbst als elfjähriges Mädchen, zusammen mit ihren Freundinnen Linnea und Hanna. Sie lachten und alberten herum...


Engström, Pia
Pia Engström liebt das wunderbare Schweden über alles - das ist wohl
auch der Grund, warum sie den Handlungsort für ihre Geschichten hier
ansiedelt. Dennoch packt ihren Mann und sie ab und an das Fernweh, und
sie haben schon Reisen in einige entlegene Winkel der Erde unternommen.
Die Liebe zur ländlichen Umgebung hat sie jedoch nie vergessen, und so
verbringt sie möglichst viel Zeit in der freien Natur.
Schon als kleines Mädchen wusste sie, was sie später einmal werden
wollte: Prinzessin oder Schriftstellerin. Da der erste Wunsch sich nur
schwerlich realisieren ließ, hat sie umso härter daran gearbeitet, sich
zumindest den zweiten zu erfüllen - inzwischen mit beachtlichem Erfolg.



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