E-Book, Deutsch, 208 Seiten
Erdmann Ingeborg und das Meer
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-667-12721-1
Verlag: Delius Klasing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die erste deutsche Frau, die allein über den Atlantik segelte
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-667-12721-1
Verlag: Delius Klasing
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wilfried Erdmann, 1940 in Pommern geboren, beschäftigte sich mit ungewöhnlichen Reisen bereits, als dies noch nicht gängig war: 1958/59 unternahm er allein eine Radtour nach Indien. Dort kam ihm die Idee, mit einem Segelboot Fahrten zu unternehmen. Mangels Geld konnte er diesen Traum jedoch erst 1965 verwirklichen. Im spanischen Alicante erwarb er von einem Engländer die verwahrloste Slup KATHENA. Nach monatelanger Arbeit - er versah den sieben Meter langen Kielschwerter unter anderem mit selbstlenzendem Cockpit, Brückendeck, Heckkorb - war der Segler im September 1966 seeklar. Sein Kurs: Karibik, Panama, Tahiti, Kap der Guten Hoffnung. Als er am 7. Mai 1968 in Helgoland festmachte, hatte er nicht nur 30223 Seemeilen im Kielwasser, sondern auch als erster Deutscher die Welt allein umrundet. Seitdem lebt Erdmann für das Segeln, damit und davon. Auf die Einhandfahrt folgte nämlich 1969-72 eine dreijährige Weltumseglung mit seiner Frau Astrid in einem 8,90 Meter langen Stahlboot, das mehr naß als trocken segelte. 1976 -79 dann der Traum eines jeden Fahrtenseglers: dreieinhalb Jahre Südseesegeln mit Frau und Kind. Am 8. September 1984 startete Erdmann zu einem besonders anspruchsvollen Törn. Nonstop und allein um die Erde. Von West nach Ost um alle berüchtigten Wetterecken: Shetlands, Kap der Guten Hoffnung, Tasmanien, Kap Hoorn. Am 6. Juni 1985 war es geschafft: Nach 271 Tagen landete der Weltumsegler wieder im Starthafen Kiel. 30183 Seemeilen im Kielwasser ohne das es unterwegs ernsthafte Probleme mit seiner relativ kleinen (10,60 Meter) Aluminiumslup KATHENA NUI gab. Es waren neun Monate inmitten einer grandiosen Meereslandschaft, Monate der Euphorie, aber auch der Einsamkeit und Gefahren, die für den besessenen Segler zu einer Grenzerfahrung ohnegleichen wurden. Schwerste Stürme in den antarktischen Breiten, Kälte, Nässe und Apathie setzten ihm zu. Südwestlich von Neuseeland scheiterte das Unternehmen beinahe an den vorgelagerten Felsen einer winzigen Insel, bei Kap Hoorn stürzte das Boot im Surf über einen Wellenkamm hinaus in ein Wellental, im Nu strömte das überschäumende Meer in die Kajüte. In einem Log-Tagebuch sowie auf Tonbändern hielt Deutschlands erster Nonstop-Weltumsegler alle Stadien seines Wagnisses fest. Dieses half ihm, Ereignisse nicht nur festzuhalten, sondern auch zu bewältigen. 1989 folgte eine doppelte Nordatlantiküberquerung mit unerfahrenen Gewinnern eines Stern-Preisausschreibens. Nach den Ozeantörns segelte Erdmann nach dem Mauerfall, 1990, mit einer motorlosen Jolle einen ganzen Sommer lang auf den Küsten- und Binnengewässern Mecklenburg-Vorpommerns. 1993 umrundeten er und seine Frau Astrid die Ostsee in ihrer ganzen Ausdehnung bis hinauf nach Haparanda und 1996 die Nordsee. Holland, Belgien, England und Schottland, die Hebriden, Orkneys und Shetlands und die Westküste Norwegens waren markante Punkte dieser abwechslungsreichen Reise. Eine zweite noch schwierigere Nonstop-Weltumseglung vollbrachte Wilfried Erdmann im Jahre 2000/2001. Er segelte in 343 Tagen allein, nonstop gegen den Wind von Cuxhaven nach Cuxhaven. Dieses Wagnis haben vor ihm weltweit erst vier Segler geschafft. In seinem mit Offenheit geführten Bordbuch hält er die lange Zeit, harte Polarstürme, Angst und Hochgefühle fest. Nach der Ankunft bringt Erdmann die überwältigenden Erlebnisse zu Papier. Das Buch 'Allein gegen den Wind' steht nach seinem Erscheinen 32 Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste. Im Supersommer 2003 unternimmt Erdmann erneut eine Jollenfahrt auf heimischen Gewässern: Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg. Sein Boot, KATHENA GUNILLA, ein 50 Jahre altes Schmuckstück aus Holz. In 'Ein deutscher Segelsommer' berichtet er von seinen Eindrücken der fantastischen, weiten, einsamen Wasserlandschaft, und er beschwört die Magie des Einfachen und die Freude des täglichen Entdeckens.
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Dann, 1959, war es soweit. Sie schreibt: »Ich hatte SIE.« Die erste ULTIMA RATIO war ein neun Meter langes Stahlschiff. Kostete 25.000 Mark – eine Menge Geld für zunächst reinsten Luxus. Kauffrau Ingeborg musste ganz schön durchatmen. Ihr Autozubehörgeschäft war zwar das größte in Düsseldorf, aber die zehn Angestellten mussten bezahlt werden. Doch sie widerstand und liebte ihr Schiff mit all den dummen, unnötigen Dingen, mit denen sie es einrichtete: handbemaltes Porzellan in Delftblau, Bettwäsche mit gestickten Bootsmotiven, nette Gardinen, für die Pantry eine Geflügelschere und mehrere Riesentöpfe für Gäste.
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Der Anfang vom Segeln war das nicht. Der Anfang war ein Erlebnis mit einem Freund auf dem Plöner See. Er hatte Ingeborg zu einer Jollensegelei eingeladen. Der blauweiße Schleswig-Holstein-Himmel über ihnen, das stille Dahingleiten des Bootes an diesem besonderen Tag ließen Ingeborg von Wind, Wasser und Segeln träumen.
ULTIMA RATIO 1 war Ingeborgs erstes Schiff. Sie wollte segeln und tat dies zunächst auf den holländischen Gewässern und der Themsemündung.
In ihrem Tagebuch steht:
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Zurück in Düsseldorf setzte sie sich gleich ans Telefon und buchte einen Segelkurs. Am Chiemsee stellte sie schnell fest, dass Jollensegeln zu leicht, nicht fordernd sei. Und zum Leben an Bord nicht geeignet. Ein Kajütboot sollte es schon sein. Der Wunsch wurde konkretisiert und fortan wurde dafür gespart. Und gelesen. Hemingway, Hiscock, Lindemann. Der Traum sollte sich erfüllen. Sie schreibt: .
Jede Mark kam auf die hohe Kante. Sie war jung und hatte ein Ziel, der berufliche Stress der Selbstständigkeit konnte ihr nichts anhaben. Mit 14 Jahren absolvierte Ingeborg eine Lehre im elterlichen Geschäft mitten in der Stadt Düsseldorf, das Ingeborg und ihr Ehemann gleich nach dem Krieg wieder aufbauten. Nachdem sie ihre Schiffspläne verwirklicht hatte, trennte sie sich von ihm, bei der Arbeit änderte sich erst mal nichts.
Es folgten mit ULTIMA RATIO die ersten Versuche vom Liegeplatz im holländischen Muiden. Volle Kraft zurück. Volle Kraft voraus. Ein Großsegel, das nicht hochzukriegen war. Ein Außenborder, der über Bord fiel. Die vergessene Spring beim Ablegen. Da half nur lernen und viel, viel üben. Jedes Wochenende war sie auf dem Ijsselmeer mit Tochter Astrid: »Segelschule Ultima Ratio«. »Grundlagenwissen erarbeite ich mir«, sagte sie, wenn jemand zweifelte oder sie gar kritisierte. Und davon gab es einige.
Ingeborg hält fest:
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Rückblickend eine amüsante Kombination. Man stelle sich die beiden Blonden an Bord von ULTIMA RATIO auf dem Ijsselmeer vor, das damals vor dem Bau eines Binnendeiches fast halbiert wurde. Ingeborg in ihrem Tagebuch:
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Dass die Tochter sich bald selbstständig machen würde, ließ sich schnell erkennen. In den Sommerferien, die Astrid lieber mit Freunden verbringen wollte, segelte Ingeborg ihre ersten Einhandtörns. Durch die holländischen Kanäle, hinaus auf die Nordsee, die Küste entlang bis Ostende und Dünkirchen. Der nächste Törn führte schon über den Kanal nach England und über die durchaus navigatorisch komplizierte Themsemündung. Immerzu machte die Maschine Trouble. Es war ein Benziner mit Fallbenzinsystem. In jedem Hafen musste der Vergaser in Teile zerlegt und gesäubert werden. Glücklicherweise hatte Ingeborg durch ihren Beruf das notwendige Know-how.
Die Eignung zum Sporthochseeschiffer wurde von Lehrern der Seefahrtschule Bremen nach vielen ermüdenden Unterrichtstunden erteilt.
Wenig später hatte sie bereits das Patent als Sporthochseeschiffer in der Tasche. Die Prüfung absolvierte sie im Düsseldorfer Yachtclub. Die Prüfer allerdings kamen aus Bremen von der dortigen Seefahrtschule und fragten sie, die sich mit der Theorie der Astronavigation sehr schwertat, zum Beispiel nach dem Sternzeichen auf der Südhalbkugel, das dem großen Wagen der nördlichen Halbkugel als Richtungsweiser gleichkommt.
Sie schreibt:
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Mit dem bestandenen Patent konnte sie mit Sextant, exakter Uhrzeit und Tafeln navigieren und ihre Position errechnen. Ein schwieriges Unterfangen, an dem damals viele Segler, die vom Meer träumten, scheiterten.
1964, im letzten Jahr mit der geliebten Stahlslup, segelte die eingefleischte Kauffrau über die Themsemündung nach Burnham-on-Crouch.
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Die Alleinseglerin steuerte den River Crouch an. Alle Boote lagen wie in englischen Tidenflüssen üblich in der Mitte an Bojen vertäut. Hunderte und mehr. Sie musste bei auflaufender Tide den Fluss hinaufsegeln, eine freie Boje aufpicken und die Kette an Deck nehmen.
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Ganz stolz setzte sie sich in ihr Dingi und ruderte in den Segelclub. Hier erfuhr sie bei einem Guinness, dass ULTIMA die erste deutsche Besucheryacht nach dem Krieg war. Der Abend war gebongt. Ein weiteres Glas Bier stand immer bereit.
Von Colchester, einem anderen Flusshafen, zurück nach Holland machte die Einhandseglerin noch eine Erfahrung: ihre erste Nachtfahrt auf See. Überall Lichter und kein Schlaf, das machte es anstrengend, sich zurechtzufinden. Doch damit konnte sie ihre Segelfreunde verblüffen, denn keiner hatte bisher eine Nachtfahrt über die Nordsee riskiert.
All das ist über 60 Jahre her. Gegenwärtig springt man an Bord, schaltet die Instrumente an und segelt einfach los. Viele haben vor langer Zeit gezeigt, dass es auch ohne diese Technik gelingen kann.
In ihrem England-Logbuch hält Ingeborg fest:
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1965 fand die endgültige Abnabelung statt. Die Tochter mietete ein Apartement in Düsseldorf, Ingeborgs Geschäftsanteile gingen an ihren ehemaligen Ehemann, die Slup wurde verkauft. Der Ozean konnte kommen – mit Weite, völliger Unabhängigkeit und viel Exotik.
Aus ihrem Tagebuch:
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Auf der Suche fuhr sie mit Tochter Astrid zur London Boatshow, mit der Empfehlung, sich einmal eine Dreirumpf-Konstruktion anzusehen. Aber dann: sehen, zuhören,...