Ernst | Oberschwaben Krimi / Mord im Dörfle | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Ernst Oberschwaben Krimi / Mord im Dörfle

Oberschwaben Krimi

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-96041-516-9
Verlag: Emons Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Oberschwäbisches Brauchtum trifft auf psychologische Krimispannung.

Eigentlich will Kommissar Wellmann seinen wohlverdienten Skiurlaub genießen, als während der Fasnet ein totes Liebespaar aufgefunden wird – genau dort, wo vor mehr als zwanzig Jahren Wellmanns große Liebe starb. Die Spur führt ihn zu einem Drogenring, der den Landkreis Biberach im Griff hat. Und Wellmann erkennt: Um den Fall zu lösen, muss er sich den Dämonen seiner Vergangenheit stellen ...
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3 Sie hatten nicht mehr miteinander gesprochen auf dem Weg, der sie zuerst durch das Ried und das Wäldchen und schließlich an der Lindenmühle vorbei zum Parkplatz des Weihers geführt hatte. Linda hatte stur geradeaus gestarrt, und Wellmann hatte sich die ganze Zeit über gefragt, was ihn geritten hatte, in seinem derangierten Zustand hinter ihrem Twingo herzurennen und wild mit den Armen zu fuchteln. Sie hatte ihn schmoren lassen, und er war schon beinahe am Ende seiner Kräfte angekommen, als er endlich die Bremslichter hatte aufleuchten sehen. Immerhin hatte ihn die Aktion ein wenig abgelenkt von einem viel brennenderen Problem, der Frage nämlich, wie er nur die nächsten Minuten überleben sollte. Er war seit Jahrzehnten nicht mehr am Lindenweiher gewesen. Seit jenem unglückseligen Tag, an dem … Sofort legte die Erinnerung Eisenbänder um seine Brust und zog mit einer Gewalt daran, die ihm den Atem nahm. Mit aller Macht kämpfte er den Drang nieder, die Tür zu öffnen und auszusteigen. Denn sosehr er sich auch darüber ärgerte, Linda hatte mit ihren Worten zuvor einen wunden Punkt bei ihm getroffen. Er wollte sich keine weitere Schwäche erlauben. Nicht vor ihr. Seine Finger gruben sich in die Polster des Beifahrersitzes, als ob sein Leben davon abhinge. Endlich kam das Auto zum Stehen. Er riss die Tür auf und sprang ins Freie, um die eiskalte Luft in seine Lungen zu saugen. Wellmann hielt die Augen geschlossen, bis sein Puls sich ein wenig beruhigt hatte. Dann schaute er sich um. Am Parkplatz standen bereits mehrere Autos. Er erkannte den Dienstwagen des Dezernats für Kapitalverbrechen, den Privatwagen seines Vorgesetzten Martin Waibel und den Kleinbus des Erkennungsdienstes. Außerdem waren zwei Leichenwagen herbeordert worden, deren Heckklappen offen standen wie die Mäuler hungriger Ungeheuer. Frischer, schwerer Schnee lag auf dem Boden. Das würde die Spurensicherung erschweren. Ihm würde es die Aufgabe jedoch wohl ein wenig erleichtern. Zuletzt war er an einem schönen, warmen Sommertag hier gewesen. Ein Tag, der zu der schrecklichen Szenerie, die ihn damals erwartet hatte, gepasst hatte wie die Faust aufs Auge. Er schüttelte heftig den Kopf hin und her, in der Hoffnung, der unweigerlich dadurch hervorgerufene Schmerz würde die furchtbare Erinnerung mit einer noch schlimmeren Qual überdecken. Dies gelang ihm auch, aber die rasenden Kopfschmerzen raubten ihm nun das Gleichgewicht. Wellmann biss die Zähne zusammen und wankte Lindas rhythmisch hin- und herschwingendem Pferdeschwanz hinterher. Sie bewegte sich zielstrebig in Richtung Liegewiese. Verdammt. Er zwang sich, den Weiher zu seiner Linken außerhalb seines Blickfeldes zu halten, denn er bezweifelte, dass er stark genug wäre für die Dämonen, die dieser Anblick in ihm heraufbeschwören konnte. Etwa zwanzig Meter vor sich sah er das vertraute Bild eines Fundortes vor sich. Die beiden Toten lagen noch auf der Holzbank, die ein paar Schritte vom Ufer des Weihers entfernt unterm Schatten zweier Bäume stand. Er kannte diese Bank, und ihr Anblick stieß sofort Erinnerungen in ihm an. Er versuchte, seine Ermittlerbrille aufzusetzen und die Szenerie möglichst emotionslos zu betrachten, was ihm auch gelang. Das Mädchen lag auf dem Rücken, die Augen starr zum Himmel gerichtet. Ihre langen blonden Haare waren wie ein Fächer unter ihrem Kopf ausgebreitet. Der Junge kniete vor ihr. Sein Oberkörper war über ihren Bauch gebeugt, sein Kopf ruhte unter ihrer Brust. Seine Lider waren geschlossen. Auf dem Boden standen Dutzende von abgebrannten Teelichtern. Wellmann trat näher heran, hielt jedoch inne, als er im Augenwinkel etwas sah, das seine Aufmerksamkeit erregte. Rasch wandte er sich nach rechts und musterte interessiert einen trotz der fehlenden Blätter ziemlich dichten Busch. Zwei Äste waren abgebrochen, die Knickstellen waren noch saftig. Das war vor Kurzem geschehen. Eine Stimme riss ihn aus seiner Konzentration. »Tobias, was machst du denn hier?« Er wandte sich um und sah sich Martin Waibel gegenüber, seinem Freund und Vorgesetzten. Dieser wirkte erstaunt. Die Röte, die seine runden Wangen angenommen hatten, verriet jedoch noch ein anderes Gefühl. Er war zornig. Und Wellmann ahnte, warum. »Nun, das hier ist ein Tatort«, entgegnete er. »Und ich bin Hauptkommissar beim Dezernat für Kapitalverbrechen, also …« Waibel rollte mit den Augen. »Tobias! Verarschen kann ich mich selbst. Du solltest nicht hier sein. Und zwar nicht nur, weil du Urlaub hast.« Wellmann zuckte mit den Achseln. »Wer hat dir überhaupt gesteckt, was hier los ist?« »Das war ich«, sagte Linda. Sie trat neben Wellmann. »Also daher weht der Wind. Warum um alles in der Welt hast du Tobias nicht in Ruhe in seinen Urlaub fahren lassen? Das hier hätten wir auch alleine hinbekommen.« »Vielleicht«, erwiderte sie. »Aber mir ist einfach wichtig, dass wir nichts übersehen. Und wenn wir schon einen der besten Profiler Deutschlands im Team haben, warum sollten wir ihn dann nicht kurz um seine Meinung bitten?« »Weil er ein Recht auf seine Privatsphäre hat?« Linda wollte etwas erwidern, doch Wellmann kam ihr zuvor. »Lasst es gut sein, jetzt bin ich nun mal hier und nicht im Urlaub. Machen wir doch einfach das Beste daraus.« Linda atmete tief und lange aus. Waibels Empörung kochte noch eine Sekunde länger auf höchster Stufe, dann musterte er eingehender Wellmanns Gesicht, und ein besorgter Ausdruck schlich sich in seine Miene. »Wie siehst du überhaupt aus? Bist du krank?« Er winkte ab. »Nein, nur ein bisschen außer Form. Also, was haben wir hier?« Waibel seufzte. »Gut, meinetwegen. Aber untersteh dich, uns einen Nervenzusammenbruch hinzulegen. Hier ist schon genug los.« Er führte Wellmann zu den beiden Leichen. Die Erkennungsdienstler wuselten noch immer herum, in ihren weißen Anzügen wirkten sie vor dem schneebedeckten Hintergrund wie Soldaten in Tarnkleidung. Für Wellmanns Augen stellten ihre schnellen, kontrastarmen Bewegungen eine Bewährungsprobe dar, die er sofort mit einer erneuten Schmerzattacke bezahlte. Er rieb sich die Schläfen, was ihm jedoch kaum Linderung verschaffte. Ein paar Meter abseits erkannte er die hochgewachsene Gestalt von Dr. Marianne Fendl. Die Allgemeinmedizinerin aus Ingoldingen war offenbar dabei, die Todesfeststellungsbescheinigung auszustellen. Wellmann nickte ihr zu, und sie erwiderte seinen Gruß mit einem schmalen Lächeln. »Also, bei den beiden Toten handelt es sich um Jana Krüger und Robert Miller«, begann Waibel. »Miller?«, fragte Wellmann, und der Druck auf seine Brust nahm mit einem Mal wieder zu. »Ja, aus Schweinhausen«, bestätigte Waibel. »Jana stammte aus Ingoldingen.« Wellmann atmete tief aus, um nicht in den emotionalen Abgrund zu stürzen, den der Nachname des jungen Mannes in ihm aufriss. »Wann wurden sie gefunden?«, fragte er mit heiserer Stimme. »Um fünf nach acht heute Morgen ging ein Notruf bei der Rettungsleitstelle ein«, berichtete Linda, die den beiden Männern vorsichtig gefolgt war. »Eine Frau, die mit ihrem Hund Gassi ging, hatte die Leichen entdeckt. Zwei Minuten später rief eine Freundin der Toten bei der Leitstelle an. Sie machte sich Sorgen, weil sie einen recht eindeutigen Facebook-Post von Jana Krüger gelesen hatte.« »Kann ich den mal sehen?«, fragte Wellmann. Linda reichte ihm einen Ausdruck der Facebook-Seite der jungen Frau. Ihr Profilbild zeigte ein herzlich lachendes Mädchen in einem barocken Kostüm. Wellmann suchte nach dem letzten Eintrag. Er war von gestern Abend, der Zeitstempel lautete auf 23.17 Uhr. Im Leben getrennt, im Tode vereint. Oh du willkommenes Messer. Dies ist deine Scheide. Roste dort und lass mich sterben. Darunter war ein grobkörniges Bild zu sehen, das die brennenden Teelichter zeigte. »Ist das aus einem Gedicht?«, fragte Wellmann. »Die letzten drei Verse sind aus ›Romeo und Julia‹. William Shakespeare. Dass der Herr Meisterdetektiv das nicht weiß, erstaunt mich.« Ein ziemlich kleiner, aber auch ziemlich durchtrainierter Mann Anfang dreißig schob sich in Wellmanns Sichtfeld. Korbinian Mächle, Kriminalkommissar am Dezernat für Kapitalverbrechen, grinste Wellmann hämisch an. Dieser ignorierte ihn. »Als ob du eine Ahnung von Shakespeare hättest, Korbinian«, zischte Linda. »Du weißt es doch auch nur, weil die Zeugin es erwähnt hat, als sie bei der Leitstelle angerufen hat.« »Es sind Julias letzte Worte«, schaltete Waibel sich ein. »Jana Krüger hat die Rolle im Schultheater des Pestalozzi-Gymnasiums gespielt. Vor zwei Wochen war die Uraufführung.« »Hat Robert Miller den Romeo gespielt?«, fragte Wellmann. »Nein, aber er war Janas fester Freund.« »Also für mich ist das hier klar«, sagte Mächle im Brustton der Überzeugung. »Eine hysterische Jungschauspielerin tritt maximal dramatisch aus dem Leben ab und nimmt ihren Lover mit.« »Sehr gut zusammengefasst, Herr Kommissar«, sagte plötzlich eine Frauenstimme im Rücken der Polizisten. Wellmann erkannte sie sofort, trotz der vielen Jahre, die seit ihrem letzten Treffen vergangen waren. Er wandte sich um und sah in das Objektiv eines Fotografen, der Bilder vom Tatort schoss. Neben ihm stand eine in eine wattierte Daunenjacke gekleidete Frau, deren ungezähmte braune Locken unter einer orangen Strickmütze hervorwallten. »Scheren Sie sich davon!«, rief Waibel. »Wir erledigen hier nur unseren Job, genau wie Sie«, erwiderte die Journalistin. »Darf ich Ihren Kollegen zitieren? Der Teil mit der...


Matthias Ernst wurde 1980 in Ulm/Donau geboren. Nach dem Studium der Psychologie arbeitete er in mehreren psychiatrischen Kliniken in Oberschwaben. In seinen Kriminalromanen verbindet er seine beiden größten Leidenschaften miteinander: die Psychologie und das Schreiben.


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