Eucken | Die Lebensanschauungen der großen Denker | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 534 Seiten

Reihe: Classics To Go

Eucken Die Lebensanschauungen der großen Denker


1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-98744-571-2
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 534 Seiten

Reihe: Classics To Go

ISBN: 978-3-98744-571-2
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Zur Einführung des Werkes mögen nur einige wenige Worte dienen. Es will keineswegs ein System der Religionsphilosophie sein; für ein solches Unternehmen ist die Lage der Gegenwart viel zu verworren und die Stellung der Religion in ihr viel zu unsicher. Was heute not tut, ist vielmehr, solcher Unsicherheit entgegenzuwirken; wie das nicht geschehen kann ohne eine Verständigung über das Wesen und den Wert der Religion, so treibt es zwingend auch zu einer Beleuchtung des Ganzen des Menschenlebens. In der geistigen Anarchie unserer Zeit läßt sich an keinen festen und zugestandenen Punkt anknüpfen, alle Erörterung tieferer Art hat auf die Grundlagen zurückzugehen und von hier aus neu aufzubauen. So mußten auch wir uns aus einer allgemeinen Erwägung des menschlichen Daseins erst Schritt für Schritt zu der Stelle hinarbeiten, wo das Problem der Religion hervorbricht, um sich dann freilich bald als den Mittelpunkt alles Strebens nach Seele und Sinn unseres Daseins zu erweisen.

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Erster Teil.
Das Griechentum.
A. Die Denker der klassischen Zeit.
1. Vorbemerkungen über die griechische Art und Entwicklung.
Ein Versuch, die Darstellung der griechischen Denker mit einigen Bemerkungen über die griechische Art und Entwicklung einzuleiten, muß die Gefahren deutlich vor Augen haben, die einem solchen Unternehmen der gegenwärtige Stand der Forschung bereitet. Die geschichtliche Denkweise mit ihrer Unbefangenheit, Weite und Beweglichkeit hat sich erst neuerdings dieses Gebietes voll bemächtigt und die ältere Art der Behandlung verdrängt. Gefallen ist die Orthodoxie des Klassizismus, welche im ganzen Altertum einen einzigen Typus sah und diesen stilisierten und idealisierten Typus den späteren Zeiten als etwas Unerreichbares und Unantastbares vorhielt; gefallen ist der schroffe Gegensatz zwischen »Alten« und »Neuen« und zugleich die Neigung bei jenen vorhanden zu denken, was diese bei sich selbst vermißten. Jener Klassizismus wurde zu eng, indem er das ganze griechische Leben an einen einzigen Höhepunkt band, zu starr, indem er diese Höhe weniger aus ihrem Werden verstand als in ihr eine erstaunliche Schicksalsgabe bewunderte, er drohte auch den schaffenden Geistern Unrecht zu tun, indem er ihre Leistung als einen bloßen Ausfluß einer durchgehenden Volksart behandelte und vieles als eine Wirkung dieser verstand, was in Wahrheit eine mit härtestem Kampf verbundene Gegenwirkung war. Auch die Betrachtung der Denker kann nur gewinnen, wenn demgegenüber die geschichtliche Denkweise das Werden mit seinen Bedingungen und Hemmungen, die Fülle der Bildungen mit ihren Gegensätzen und Kämpfen, die beträchtlichen Wandlungen der Jahrhunderte, das Erscheinen moderner Elemente schon im Altertum aufweist, uns das Ganze damit durchsichtiger macht und der Starrheit einer absoluten Schätzung eine mehr relative entgegenhält. Aber die Verwicklung reicht noch weiter, auch das Griechentum als Ganzes hat Probleme gezeigt, an die man früher nicht dachte. Wir hatten uns daran gewöhnt, es als eine geschlossene und selbständige Welt zu behandeln, die erst bei ihrem Sinken fremden Einflüssen zugänglich wurde. Jetzt eröffnen sich auch für die früheren Zeiten immer mehr Zusammenhänge, namentlich mit dem Orient, die weltgeschichtliche Perspektive hat sich verschoben, die Schuld an Fremdes sich vergrößert, auch das eigene Leben zeigt weit mehr dunkle Tiefen. Aber solche Betrachtung in weiteren Zusammenhängen läßt die eigentümliche Leistung des griechischen Geistes eher größer als kleiner erscheinen, indem sie weit mehr freier Entscheidung und eigner Tat zuerkennt, was früher eine Gabe von Natur und Schicksal dünkte. Auch unsere Darstellung darf nie vergessen, daß sie keineswegs Durchschnitte schildert, sondern geistige Bewegungen vorführen soll, die der Welt der Arbeit und Bildung, nicht der Breite des Alltags angehören. Das aber heißt nicht bestreiten, daß das geistige Schaffen jenes großen Kulturvolks durch alle Mannigfaltigkeit, allen Wandel, allen Streit hindurch gemeinsame Züge trägt; diese hat sich gegenwärtig zu halten, wer die Leistungen der Einzelnen verstehen und würdigen möchte. Nichts fällt beim Schaffen der Griechen mehr ins Auge als die Lebensenergie, der Trieb alle Kraft zu entfalten, die Lust am Wirken und Bilden. Die Tätigkeit bedarf zur Empfehlung hier keines Lohnes, sie reizt und erfreut durch sich selbst. Sich tätig zu den Dingen zu verhalten, das war stets der Kern der griechischen Weisheit. Aber die Tätigkeit ist an erster Stelle dem Gegenstande zugewandt und sucht mit ihm in Einklang zu kommen, sie ist nicht vornehmlich gegen sich selbst gekehrt und mit dem Befinden ihres Trägers beschäftigt; daher findet sich hier kein fruchtloses Sichvergrübeln, kein Verweilen bei leerer Stimmung, vielmehr drängt es stets vom seelischen Zustand ins Wirken hinein. Hält dieses uns aber mit den Dingen eng zusammen, so entsteht ein fruchtbarer Austausch, Seele und Gegenstand bilden sich durcheinander weiter. Die griechische Art beseelt die Umgebung, sie wirft überallhin einen Abglanz menschlichen Lebens. Da sie aber die Eigentümlichkeit der Dinge nicht unterdrückt, so wirken diese auf jenes Leben zur Bildung, Klärung, Veredlung zurück. Daher ist das Beseelen der Umgebung bei den Griechen vornehmer und fruchtbarer als bei anderen Völkern, das Menschliche läutert sich durch die Spieglung im All und überwindet anfängliche Roheit. Zugleich wird die Tätigkeit zur Wehr und Waffe in den Gefahren und Nöten des Daseins. Dem Schicksal gegenüber verhält sich der Grieche nicht leidend, sondern handelnd, er sucht ihm eigene Kraft entgegenzusetzen, im Lebenskampf sein Vermögen zu stählen und eine Größe zu erringen. Aber die Griechen haben dabei nicht das Dunkle und Böse leicht genommen; wie ihr Leben keineswegs das Bild sonniger Heiterkeit bietet, so huldigt auch ihr Denken keineswegs einem flachen Optimismus. Eben wer tätiger Art ist, aber zugleich eine Tiefe der Seele hat, wird den Widerstand der Welt schwer empfinden; nur das ist die Frage, ob er sich dem Widerstande ergibt oder sich gegen ihn behauptet. Das letztere haben die Griechen getan. Aber sie hätten dem Schicksal nicht einen so hohen Platz in ihrer Gedankenwelt einräumen und das Einhalten des Maßes als tiefste Weisheit, sein Überschreiten als schwersten Frevel erklären können, wären sie sich nicht der Schranken menschlichen Vermögens deutlich bewußt gewesen. Ein solches Bewußtsein aber muß das Leben mit tiefem Ernst erfüllen, es verbietet alles vergnügliche Zufriedensein. In Wahrheit haben die Zweifel, Sorgen und Leiden des Lebens die Griechen unablässig beschäftigt und oft zu bitteren Klagen getrieben. Aber ergeben haben sie sich ihnen nicht, mit Aufbietung immer neuer Kraft haben sie ihnen überlegen zu werden gesucht. Um den Widerständen gewachsen zu sein, hat der griechische Geist immer mehr am Weltbilde wie am Menschen zu verändern gehabt, er hat sich immer mehr in einer Innenwelt befestigen müssen, um sich tätig verhalten zu können. Aber das Griechentum hat den Weg dahin gefunden, solange es sich selbst erhielt, es hat aus einem solchen tätigen Benehmen immer neuen Mut geschöpft und auch bei wachsender Verdunklung der sichtbaren Welt einen Sinn des Ganzen behauptet. So blieb in allen Kämpfen und Wirren der endgültige Sieg dem Ja, aber er tat es durch vielfache Verneinung hindurch und blieb daher allem Übermut fern. Wie der griechische Mensch in der Tätigkeit seinen Halt sucht, so atmen auch seine Werke Leben und Tätigkeit. Als Lebewesen, als beseelte Individuen erscheinen hier die menschlichen Gemeinschaften, vornehmlich der heimatliche Staat; auch den Werken der griechischen Kunst ist nichts eigentümlicher als das Erfülltsein von seelischer Bewegung. Bis in die kleinsten Elemente erstreckt sich solche Beseelung, auch sonst Starres und Totes zeigt hier einen Pulsschlag inneren Lebens. Schon jene freundliche Stellung der Tätigkeit zu den Dingen läßt erwarten, daß sie sich dem Reichtum der Wirklichkeit anschmiegt und zugleich sich selbst aufs reichste verzweigt. In Wahrheit sehen wir die Kulturarbeit mit wunderbarer Weite alle Gebiete ergreifen, die Erfahrungen eines jeden würdigen, aller Eigentümlichkeit ihr Recht gewähren. Bewegungen, die sonst leicht sich verfeinden, erhalten hier gleiche Liebe und Kraft; alle Hauptrichtungen der späteren Kulturentwicklung bis in die Gegenwart hinein sind hier im Keime vorhanden. Wer das bestreitet und den Griechen etwa in der Religion oder im Recht, in der strengen Wissenschaft oder im technischen Erfinden, auch in dem des Krieges, eine Größe abspricht, der wendet fremde Maßstäbe an, oder er hält sich an einen einzigen, allein als klassisch gefeierten Abschnitt. Namentlich verweilte die Betrachtung der Neueren oft zu ausschließlich bei dem, was das Größte sein mag, aber keineswegs das Einzige ist: bei der Kraft der Synthese, dem künstlerischen Bilden zum Ganzen. Aber auch eine Größe nüchterner Beobachtung, scharfsinniger Analyse, scheidender Reflexion gehört zum Bilde griechischen Wesens. Bei solcher Weite wird die Arbeit des Ganzen nicht durch die besondere Natur eines einzelnen Gebietes bedrückt und beschränkt, sondern sie ist frei und biegsam genug, um von allen Seiten her aufzunehmen und sich selbst in frischem Fluß zu halten. Diese Elastizität macht eine reiche Geschichte möglich, eingreifende Wendungen können erfolgen ohne einen schroffen Bruch mit der eigenen Art und ohne eine Aufhebung alles Zusammenhanges. Nichts schied den Griechen in seiner eigenen Überzeugung so sehr von den Barbaren als die Weite und Freiheit seines Lebens gegenüber der Starrheit und Befangenheit jener. Zur Freiheit gesellt sich die Klarheit. Was immer den Menschen berührt und bewegt, was ihm von außen zufällt, und was von innen her aufsteigt, es soll vollauf durchsichtig werden. Erst wenn es alle Dunkelheit des Anfanges überwunden hat und hell vor unserem Auge steht, gilt es als unserem Leben einverleibt und von unserer Tätigkeit angeeignet. Es spaltet sich aber dieses Streben in zwei Bewegungen, die einander ergänzen und bekämpfen, suchen und fliehen: eine wissenschaftliche und eine künstlerische, eine logische und eine plastische. Einmal ein eifriger Drang zu begreifen und zu verstehen, durch mutvolles Denken alles Dunkel aufzulösen. Hier gilt es, das vorgefundene Nebeneinander zu überwinden, die Vorgänge zu verketten, die verschiedenen Lebensäußerungen auf einen gemeinsamen Grund zurückzuführen, aus allem Wechsel und Wandel beharrende Größen herauszusehen. Ein solches Streben wirkt schon lange vor Ausbildung der Wissenschaft, schon die ältesten literarischen Schöpfungen enthalten, wenn auch verschleiert, den Gedanken...



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