Ewers | Höchste Liebe und andere seltsam-erotische Geschichten | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 156 Seiten

Ewers Höchste Liebe und andere seltsam-erotische Geschichten


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-944621-50-0
Verlag: Reese Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 156 Seiten

ISBN: 978-3-944621-50-0
Verlag: Reese Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Ewers' Geschichten kreisen um die Themen Phantastik, Erotik, Kunst bzw. Künstler und Reisen in exotische Länder. Dieses E-Book enthält die seltsam-erotischen Geschichten: DAS HYA-HYA-MÄDCHEN, HÖCHSTE LIEBE, ALRAUNE UND DER CHAUFFEUR, JOHN HAMILTON LLEWELLYNS ENDE, EILEEN CARTER und AUS DEM TAGEBUCH EINES ORANGENBAUMS.

Ewers Höchste Liebe und andere seltsam-erotische Geschichten jetzt bestellen!

Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


DAS HYA-HYA-MÄDCHEN
    Was er da niederschrieb, hatte ihm seine Pflegerin erzählt. Soeur Victorine hieß sie - aber Dr. Bonhommet, der alte, augenzwinkernde Arzt, nannte sie nur Dariolette. Das verstand sie nicht, und kein Mensch verstand es in St. Maria, noch in allen fünf Landen Guayanas. Die Wahrheit zu sagen: Wer hätte es heute verstanden drüben in Europa und wer selbst in Paris? Der Deutsche, den sie pflegte, hörte den hübschen Namen: Dariolette. Das klang in seinen Fieberträumen - leicht, schmeichelnd, wie Vogeltrillern -, Dariolette. Dann wußte er: Er kannte es wohl, dieses Wort. Nicht gehört hatte er es, nein, aber doch gesehn irgendwo - Dariolette. Wo nur? Immer klang es um ihn herum, durch lange Wochen ums Krankenbett, immer sang es in halbwachem Schlafe - Dariolette. Er murmelte es mit trockenen Krankenlippen, hörte die Blätter draußen rascheln, fern vom Fenster her - Dariolette. Dann, einmal, als Dr. Bonhommet ihm den Puls fühlte, flüsterte er das lachende Wort. Da zwinkerte der alte Arzt, lächelte fast. Und in diesem Augenblick wußte der Deutsche, woher er den Klang hatte: Dariolette; es war, als ob ihm der Alte den Staub im Hirne weggeblasen habe. Den Staub von dem Schubfach seines Gedächtnisses. »Amadis von Gallia« - der weltberühmte Roman, den so begeistert einst Don Quijote las. Und den er selbst las, weil Cervantes von ihm sprach, und weil ein deutscher Student doch so gründlich sein und alles selbst lesen muß, alles! So deutlich stand das nun wieder vor ihm; er sah sich in der Bibliothek sitzen, den alten Schweinslederband in den Händen. Sah genau die Seite, von der ihn zum ersten Male der Name anlachte: Dariolette. Die war der Königin Zofe, ihre Freundin und Vertraute; war eine, die sich trefflich schickte, Gelegenheiten zu machen. So eine war Dariolette. Und so nannte Dr. Bonhommet nun die Schwester Victorine. Groß war sie und schlank, blauäugig und blankzähnig - er dachte immer, daß sie rotblondes Haar haben müsse unter der weißgestärkten Haube. Sehr bleich war sie, wie alle Krankenschwestern. Und war schön, gewiß war sie schön trotz ihrer vierzig Jahre. Sanft auch und gut; still war ihre Frömmigkeit und nie aufdringlich. Die - und Dariolette?   Er schrieb das alles auf, als er auf dem Dampfer saß, der ihn von Cayenne nach Paramaribo bringen sollte, nach Georgetown und dann nach Trinidad. Schrieb auf, was Soeur Victorine erzählt hatte und das, was der alte Hospitalarzt, Dr. Bonhommet, sagte, der immer so mit den Augenlidern zwinkerte. Der hatte es wieder von Gus Martens gehört. Also Gus, ja, das war sein Freund, mit dem er die Fahrt gemacht hatte in die Berge. Der mußte dann fort, konnte nicht warten in St. Maria, bis er gesund sein würde, vielleicht in Monaten. Aber Gus hatte dem Arzt Bericht erstattet über alles, was da geschehn war. Und Dr. Bonhommet hatte es ihm wiedererzählt, so gut er es wußte. Das hatte dann Schwester Victorine ergänzt, die einiges miterlebt hatte. Und endlich fiel ihm, nach und nach, manches selbst wieder ein; Schleier hoben sich von allzu Verwischtem. Denn er war es ja, er, dem es geschehn war; und was erlebt worden war, hatte er selbst erlebt. Unendlich köstlich war diese Fahrt über blaueste See. So still, so glatt, so alle Nerven leise küssend. Dann: dieses langsame Gesundwerden. Dieses Auferstehn vom monatelangen Tode, dieses Einatmen neuer Kräfte durch alle Minuten des Tages. So mag sich der Schmetterling fühlen, der aus der toten Puppenhülle schlüpft, nun am Blatte hängt und langsam, langsam die schlaffen Flügeln anfüllt mit warmer Sommerluft. Auf Deck lag er in seinem Liegestuhl, lächelte, schrieb das alles auf. Diese Geschichte von ihm selbst, der tot war. Und doch nun lebte. Wieder hinausreiste. In ein neues Leben, ins Glück vielleicht. So war es: Er war sehr krank gewesen, und jemand rettete ihn im letzten Augenblick. Das war eigentlich alles. Nur - nicht sein Freund rettete ihn, Gus Martens. Auch nicht Dr. Bonhommet, noch die Schwester Victorine. Die nicht - eine andre war es. Sie fuhren aus, um Gold zu suchen, »El Dorado« zu finden hinter den Bergwäldern. Überall hört man solche Geschichten an der Nordküste - von Venezuela hin bis nach Brasilien, seit Jahrhunderten schon. Das schlummert ein, das lebt wieder auf, verwirrt die Köpfe und jagt sie in die Berge hinein. Keiner aber wußte mehr davon als Gus Martens, keiner kannte besser die fünf Guayanas. Achtmal schon war er ausgezogen, den See Parima zu finden, den See El Dorados, des vergoldeten Häuptlings. Er traf Gus Martens in dem Loch San Rafael, im venezolanischen Guayana. Gus war zurück, aus der Sierra von Pacaraima: Dort war er nicht, der große Goldsee mit dem Schatze des Goldkaziken. Aber Gus wußte nun, wo er war. Jeden Abend erzählte er davon, während er die Tage zubrachte, um mühselig die neue Fahrt vorzubereiten, Maultiere und Proviant zu kaufen, indianische Knechte anzuwerben. Jeden Abend erzählte Gus Martens - hatte ihn endlich soweit, daß er einschlug, Partner wurde auf halb und halb, Kosten und Gewinn. Dann zogen sie nach Südosten. Spanier und Portugiesen, Deutsche, Holländer und Franzosen hatten gesucht durch die Jahrhunderte nun. Jetzt waren ein paar Yankees unterwegs. Gus hatte ihnen Märchen vorerzählt, so daß sie nun am oberen Orinoco suchten. Und dann die von Europäern importierten Menschen, Ostinder und Chinesen, Laskaren, Malaien und Neger aller Arten, entlaufene Sklaven, die sich im Busch umhertrieben. Ganz zu schweigen von den Indianern und all dem Mischvolk. Immer war jemand auf der Goldjagd - schwarze Glücksritter und gelbe, braune, rote und weiße. Gus lachte - sie waren alle auf falscher Fährte, alle. Er wußte es, denn er war all diesen Fährten gefolgt. Ganz in die Irre lief - im achtzehnten Jahrhundert - der Spanier Santos, der, zweihundert Jahre später, den Spuren des Lorenz Keimis folgte. Die Ritter Georg von Speyer und Philipp von Hutten zogen ins Blaue hinein, wie Sir Walter Raleigh tat; und nur einer, Nikolas Horsmann, hatte den guten Wind in der Nase. Beinahe - beinahe fand er den Wundersee Parima. Dann aber schüttelte der große Forscher Schomburgk viel Wasser in den berauschenden Wein, der allen goldtrunkenen Glücksrittern die phantastischen Köpfe umnebelte. Der Parimasee des Goldkönigs, erklärte er, das ist nichts andres als der Amucusee in Britisch-Guayana, am Macaparangebirge - und Gold ist schon gar nicht da! Und Schomburgk ist der Erforscher Guayanas und ist die ganz, ganz große Autorität. Exakte Wissenschaft - da gibt es halt nichts! Gus Martens lachte laut, wenn er das sagte. Aber still und träumerisch wurde seine Stimme, wenn er seine Gedanken auseinandersetzte. Nie sei eine Sage aus nichts gewachsen, niemals. Waren die Schätze der Inkas nicht greifbare Wirklichkeit? Er, Gus Martens, würde den Goldsee finden und an seinen Ufern die Stadt Manoa del Dorado - an den Quellen des Oyapoc in den stillen Bergen der Tumac-Humac. Durch Sierren ritten sie und durch Savannen. Kreuzten immer neue Flüsse, sahen immer neue, immer mehr Wasserfälle. Gus Martens kannte die Namen und nannte sie ihm. Kauderwelschte mit den Indianerstämmen stets in andrer Sprache und dazwischen in Spanisch, Englisch, Holländisch. Weiter zogen sie gen Südosten, doch zu den Tumac-Humac kamen sie nicht. Vielleicht, jetzt, während er nach Trinidad fuhr, mochte Gus Martens dort sein, an den Quellen des Oyapoc, auf seiner neunten Ausfahrt zum Goldsee. Das machte: der Deutsche wurde krank. Ganz plötzlich, so über Nacht. Das Fieber war nicht schwer, aber das schlimme war, daß ihm jede Speise zuwider war. Er vermochte nichts über die Lippen zu bringen, nicht einmal Wasser. Zwang er sich gewaltsam, doch etwas zu schlucken, so revoltierte der Magen, und er spie das Genossene nach wenigen Minuten wieder aus. Gus hatte alle möglichen indianischen Namen für die Krankheit, behauptete auch, daß schon vor viereinhalbhundert Jahren Ritter Philipp von Hutten an ihr zugrunde gegangen sei - verhungert und verdurstet. Ein Verlangen nur hatte der Kranke - Milch. Doch wenn ihm der Freund eine Büchse kondensierter Milch aufmachte, wurde ihm von dem Geruch allein schon seekrank. Nein, nein, frische Milch mußte es sein. Er hing weiter auf seinem Maultier, sah nichts von allem ringsum, hörte nichts mehr von dem, was Gus Martens erzählte. Nur von fern das Rauschen der Wasserfälle. Und im Hirne rauschte der Wunsch: Milch, frische Milch. Einmal bekam Gus eine Ziege aus einem Indianerdorf - er brachte nicht einen Tropfen über die Lippen. Ein andermal erhielten sie warme Stutenmilch; er zwang sich, einen Becher herunterzugießen. Atmete schwer, spie alles wieder aus; wand sich durch zehn Minuten in Krämpfen. Nein, das war es nicht, was er wollte. Kuhmilch vielleicht. Aber wo sollten sie hier eine Kuh auf treiben? Dann dachte er, die Milch vom Kuhbaum sei das, wonach er verlangte. Noch vor wenigen Wochen hatte er davon getrunken. Wenn nur die Troßknechte einen Kuhbaum finden wollten. Sie fanden welche, schlugen mit Messern durch die Rinde, um den milchigen Saft zu gewinnen. Damals war er schon so schwach, daß er sich nicht mehr auf seinem Reittier zu halten vermochte; die Indianer hatten aus Zweigen eine Tragbahre gemacht, darauf trugen sie ihn. Sie brachten ihm die Milch, richteten ihn auf, setzten ihm die Kalebasse an die Lippen. Er trank, trank. Dann brach er, im Augenblick. Nein, nein, das war nicht die Milch, nach der er verlangte, nicht die köstliche Milch des Kuhbaumes, die allein ihn heilen mochte! Später, in dem kleinen Bungalow in St. Maria, das man Krankenhaus nannte, hatte ihm Dr....



Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.